Kanti und bbz schliessen

  22.01.2021 Wohlen

Mittwoch, 14 Uhr: An seiner Pressekonferenz erklärt Bundespräsident Guy Parmelin, dass die Schulen offen bleiben. 90 Minuten später war der Entscheid bereits Makulatur – zumindest im Aargau. Hier ordnet der Regierungsrat für Mittel- und Berufsschulen Fernunterricht an. --chh


«Mehr, als nur Wissen vermitteln»

Gemischte Reaktionen auf den Fernunterricht an der Kantonsschule

Er hat Verständnis für die Massnahme. Doch glücklich ist Rektor Matthias Angst nicht unbedingt. «Technisch ist Fernunterricht kein Problem», sagt er. Doch es stellen sich didaktische und pädagogische Fragen. «Und nicht alle Schüler und Schülerinnen kommen gleich gut damit klar.»

Chregi Hansen

«Es gibt viel zu tun», sagt Matthias Angst. Auch wenn der Entscheid des Kantons nicht überraschend kommt, so muss jetzt die Schliessung der Kanti und die Umstellung auf Fernunterricht im Detail organisiert werden. Und das sei vor allem auch auf kommunikativer Ebene eine Herausforderung, so der Rektor.

Die Meinungen zum Entscheid aus Aarau seien unterschiedlich, weiss er. Sowohl bei den Lehrpersonen wie auch bei den Schülern und Schülerinnen. Einige sind erleichtert, dass sie nicht mehr nach Wohlen pendeln müssen. Andere hingegen waren froh, durften sie nach wie vor «auswärts» arbeiten. Er selber kann die Entscheidung aus gesamtgesellschaftlicher Sicht durchaus nachvollziehen. «Wir waren in einer Ausnahmesituation. Wir haben hier bis zu tausend Personen an einem Ort», sagt er. Dass man dies in Zukunft vermeiden will, kann er nachvollziehen. Umgekehrt hätten die bisher getroffenen Schutzmassnahmen durchaus gewirkt. «Wir hatten verhältnismässig wenig Fälle», schaut Angst zurück.

Geht nicht auf Knopfdruck

Technisch gesehen sei die Umstellung nicht schwierig. Und trotzdem: Auf Knopfdruck könne man eben nicht in den Fernunterricht wechseln. «Das, was vor Ort funktioniert, geht unter Umständen auf Distanz nicht», weiss der Rektor. Man müsse sich genau überlegen, welche Mittel man wo einsetze, was man von den Schülern und Schülerinnen verlangt, wie man den Unterricht gestaltet. «Einfach nur referieren, das geht nicht», ist dem Rektor bewusst. Man müsse klare Aufträge verteilen, die sich am besten in Schritte unterteilen lassen, nach denen jeweils wieder ein Austausch stattfindet.

Aber auch für die Schüler und Schülerinnen sei es eine grosse Umstellung. «Es gibt einige, die geniessen es, sich die Zeit frei einteilen zu können und selbstständig zu lernen. Andere haben damit Mühe. Nicht alle haben zu Hause optimale Bedingungen», erklärt der Rektor. Auch so mancher Lehrer fragt sich, wie er die Schüler bei der Stange halten kann. Wichtig sei, dass man sich ab und zu sehe, zwischendurch auf Videokonferenzen besteht. Gerade für die Klassenlehrer sei dies wichtig. «Bildung ist nicht nur Wissensvermittlung», macht Angst deutlich. Es gehe nicht nur um das Know-how, sondern auch um das «Know-why», um das Verstehen von Zusammenhängen, um gesellschaftliche Aspekte. Und auch Kultur und Sport und vieles mehr gehört dazu. «Viele traditionelle Anlässe mussten wir ausfallen lassen, das ist schade», sagt Angst.

Vereinzelt auch Arbeitsstellen betroffen

Er hofft, dass die Zeit des Fernunterrichts nicht zu lange dauert. Aber überzeugt, dass Anfang März die Schule wieder öffnet, ist er nicht. Beim ersten Lockdown letztes Jahr Mitte März war von drei Wochen die Rede, letztlich blieb die Kantonsschule bis 8. Juni geschlossen. «Drei Wochen, wie es jetzt geplant ist, sind kein Problem. Wenn es wieder zehn Wochen sind, dann wird es schwierig», schaut Angst voraus. Und es seien ja nicht nur Schüler und Schülerinnen und die Lehrpersonen betroffen. Die dürfen sogar noch weiterarbeiten. «Es hängen auch andere Arbeitsstellen dran, etwa in der Mensa oder beim Reinigungspersonal», betont Angst.

Den Jungen ein Kränzchen winden

Jammern will er nicht. Im Gegensatz zu anderen Branchen habe man immer voll gearbeitet. Jetzt gehe man eben ins Homeoffice, mit all seinen Vor- und Nachteilen. «Für mich ist das auch ein Akt der Solidarität», erklärt der Rektor. Und er schaut auch voraus: Die Maturprüfungen werden mit Sicherheit stattfinden. Nicht zuletzt windet er den jungen Erwachsenen ein Kränzchen. «Wie sie mit der Situation umgehen, verdient Respekt.» Er selber sieht für sich gar einen Vorteil an dieser Schulschliessung. «Wenn niemand da ist, kann ich mein Velo gleich beim Haupteingang parkieren», lacht er. Trotz Stress und viel Ungewissheit – den Humor hat er nicht verloren.


«Entscheid ist keine Überraschung»

bbz-Rektor Philippe Elsener begrüsst den Entscheid des Regierungsrates

Auch das bbz freiamt wechselt ab nächster Woche wieder in den Fernunterricht. Immerhin: Die Prüfungen werden weiterhin vor Ort geschrieben. Und man will alles tun, damit im Gegensatz zum letzten Jahr diesmal eine Abschlussprüfung stattfindet.

Chregi Hansen

Rektor Philippe Elsener findet den Entscheid der Aargauer Regierung «richtig und mutig». Seine Schule ist darauf vorbereitet. «Ganz ehrlich, damit musste man rechnen, die erneute Schliessung ist keine Überraschung», sagt er. Bereits in der ersten Woche nach den Weihnachtsferien wurden die Schüler und Schülerinnen zu Hause unterrichtet. Eigentlich, so der Rektor, hätte man das gleich weiterziehen sollen.

Nun also bleiben die Türen ab Montag geschlossen. Hätte es nicht mehr Sinn gemacht, den Unterricht noch bis zu den Sportferien fortzusetzen und dann in Ruhe die Umstellung vorzubereiten? «Der Zeitpunkt ist egal, wir sind darauf vorbereitet», widerspricht Elsener. Und er ist sehr zuversichtlich, dass der Unterricht problemlos fortgeführt wird. Dafür macht er drei Gründe geltend. Zum einen die Erfahrungen aus dem letzten Frühling. «Das hat damals gut geklappt, wie wir den vielen Rückmeldungen entnehmen können. Natürlich war nicht alles optimal, aber aus den Fehlern können wir lernen.»

Persönlicher Kontakt fehlt

Zweitens wurde seither die verwendete Plattform «Teams» von Microsoft stark verbessert und lässt jetzt neue Möglichkeiten für einen abwechslungsreichen Unterricht zu. Und das ist für den Rektor das A und O. «Man kann die Auszubildenden nicht einfach neun Stunden vor dem Monitor sitzen und zuhören lassen. Es braucht viel Abwechslung. Gruppenarbeiten, Einzelaufträge, dann wieder Inputlektionen», erklärt er. Nur so bleibe die Konzentration hoch. «Was ganz klar fehlt, ist der persönliche Kontakt, der lässt sich nicht so einfach ersetzen», ist sich Elsener bewusst.

Am meisten freut es ihn aber, dass die Schliessung nicht komplett ist, wie es im Frühling der Fall war. Die Durchführung von Leistungsnachweisen ist in der neuen Verordnung weiter in der Schule selber erlaubt. Auch die überbetrieblichen Kurse dürfen abgehalten werden. «Wir finden das wichtig. Unser Ziel ist es, dass unsere Schüler und Schülerinnen am Ende der Ausbildung ihre Prüfungen ablegen können», sagt Elsener. Umgekehrt beschert diese Regelung Mehraufwand. Weil es keinen Sinn macht, die Schüler nur für eine Prüfung ins Schulhaus zu holen, sollen diese gebündelt stattfinden. Bis zu drei Prüfungen gleichzeitig sollen an einem Tag stattfinden können. «Das ist organisatorisch gar nicht so einfach», lacht der Rektor.

Das bbz wird nicht komplett leer stehen

Nicht nur die Schüler und Schülerinnen, sondern auch die Lehrpersonen bleiben ab nächster Woche nach Möglichkeit zu Hause. Zumindest der allergrösste Teil. «Es gibt ganz wenige, bei denen die Situation zu Hause nicht optimal ist, weil vielleicht der Partner oder die Kinder auch im Homeoffice sind. Sie haben die Möglichkeit, von hier aus zu unterrichten», erklärt er. Und auch die Prüfungen müssen beaufsichtigt werden. Gearbeitet wird auch in der Mensa, ist sie doch auch für den Mittagstisch der Halde zuständig.

Apropos Mensa. Wohlen hat als einzige Berufsschule bereits im August beschlossen, dass die Mensa zwar offen ist, die Schüler und Schülerinnen aber in ihren Schulzimmern auf ihren fest zugewiesenen Plätzen essen, damit es möglichst wenige und klar nachvollziehbare Kontakte gibt. «Wir haben quasi ein schulinternes Tracing aufgebaut, das sehr gut funktioniert», erklärt der Rektor. Auch auf die Einhaltung der Maskenpflicht und der Abstände wird grosser Wert gelegt. Mit Erfolg. Natürlich gab es auch im bbz freiamt immer wieder einzelne Coronafälle, aber es musste nie eine ganze Klasse in Quarantäne geschickt werden. Zudem habe man immer offen und transparent informiert, auch gegenüber den Lehrbetrieben.

«Flickenteppich» verhindern

Dass es jetzt in der Schweiz unterschiedliche Regelungen gibt, bedauert Elsener zwar, trotzdem findet er den Aargauer Schritt richtig. Er bedauert eher, dass der Bund nicht den Lead übernimmt, sondern den Entscheid den Kantonen überlässt. «Es geht doch um nationale Fragen. Finden Ende Jahr doch überall und in allen Berufen Abschlussprüfungen statt», so Elsener. Letztes Jahr gab es diesbezüglich einen «Flickenteppich», der Rektor hofft, dass dies verhindert werden kann.

Keine Dauerlösung

Stellt sich noch die Frage, ob der Fernunterricht auch ohne Corona eine Option wäre. «Es gibt sicher Möglichkeiten, ihn zu nutzen. Aber ganz darauf zu setzen, das wäre falsch. Es braucht auch den direkten Kontakt, die persönlichen Beziehungen, die Emotionen. Die lassen sich online nicht eins zu eins abbilden», ist er überzeugt.


NACHGEFRAGT

«Die Mobilität reduzieren»

Die Coronavirus-Lage im Kanton Aargau hat sich in den letzten Tagen zwar entspannt. Trotzdem hat der Kanton am Mittwoch entschlossen, die Sekundarstufe II (Mittelschulen und Berufsfachschulen) vom Montag, 25. Januar, bis Ende Februar im Fernunterricht zu führen. Dies sei im Sinne einer konsequenten Umsetzung der bundesrätlichen Massnahmen, betont Regierungsrat Alex Hürzeler auf Anfrage.

Warum kommt die Schliessung der Mittelschulen und der Berufsschulen jetzt, warum wartet man nicht die Sportferien ab? In diesen hätten die Schulen sich ideal vorbereiten können.

Alex Hürzeler: Wir verstehen die Massnahme als konsequente Fortführung der verschärften Massnahmen des Bundesrats, die seit Anfang dieser Woche gelten und eine deutliche Reduktion der Mobilität zum Ziel haben. Im Kanton Aargau bewegen sich rund 23 000 Schülerinnen und Schüler quer durch den ganzen Kanton, um den Unterricht an den Mittelund den Berufsfachschulen zu besuchen. Die Sportferien verteilen sich im Kanton Aargau zudem über einen Zeitraum von vier bis fünf Wochen. Diese Ferienzeit ist in den fünf Wochen, für welche die Sek-II-Schulen nun im Fernunterricht geführt werden, enthalten.

Begrüssen die betroffenen Schulen den Schritt?

Die Schulleitungen der betroffenen Schulen sind durch die Departements- und Abteilungsleitung vor dem Entscheid des Regierungsrats konsultiert worden. Die Vorgehensweise wurde ausdrücklich begrüsst und gestützt. Ebenso wurde begrüsst, dass es Ausnahmeregelungen gibt, die mithelfen, negative Auswirkungen der Umstellung aufzufangen. Anders als im Frühling sind die Schulen der Sekundarstufe II inzwischen auf ein solches Szenario vorbereitet und verfügen auch bereits über Erfahrung.

Ist es aber nicht so, dass es an der Volksschule mehr Coronafälle gibt als in den Mittel- und Berufsschulen?

Im Aargau beobachten wir bisher keine ungleichen Entwicklungen auf den verschiedenen Stufen. Der Verlauf der Fallzahlen bewegt sich ähnlich wie in der Gesamtbevölkerung. Da wir an der Volksschule aber mit rund 80 000 Schülerinnen und Schülern eine deutlich höhere Gesamtschülerzahl haben als an der Sekundarstufe II, kann der Eindruck entstehen, dass es dort mehr Fälle gibt.

Warum verkündet der Kanton seinen Entscheid fast zeitgleich, während der Bundesrat die Schliessung der Schulen zum jetzigen Zeitpunkt ausschliesst? Ist man nicht der Meinung, dass solch widersprüchliche Meinungen für Unsicherheit sorgen?

Nein. Gemäss den uns vorliegenden Rückmeldungen und Beobachtungen hat vielmehr der Widerspruch zwischen teils geschlossenen oder sich im Homeoffice befindenden Lehrbetrieben und den weiteren Einschränkungen für Arbeitnehmende im Vergleich zum «normalen» Schulbetrieb mit jungen Erwachsenen für Irritation gesorgt.

Vor wenigen Wochen wurde der Kanton Aargau noch von vielen als «Trödelkanton» angegriffen. Seither geht er in den Massnahmen oft einen Schritt weiter als der Bund. Ist das eine Reaktion auf diese Kritik?

Wir haben die Besorgnis des Bundesrats, die ihn zu den am 13. Januar kommunizierten Massnahmen bewogen hat, ernst genommen und entsprechend auch in unserem Hoheitsbereich konsequent umgesetzt. --chh


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