Mit Kreativität an die Arbeit

  08.01.2021 Wohlen

Der Wohler Thomas Leitch eröffnet Legislatur

Ein Alterspräsident im Grossen Rat aus dem Freiamt. Das kommt selten vor. Thomas Leitch hat den Job mit Bravour gemeistert. «Es war ein spezielles und schönes Gefühl, die konstituierende Sitzung der neuen Legislatur eröffnen und leiten zu dürfen», sagt Leitch. Seit 1997 ist er im Grossen Rat, er ist der dienstälteste Parlamentarier. Deshalb kam dem 58-jährigen Wohler die Ehre des Alterspräsidenten zu. In seiner Ansprache ging Leitch auf diverse Punkte ein. Er hofft, dass die Parlamentarier «nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden». Er wünschte allen Ratsmitgliedern an der parlamentarischen Arbeit «viel Freude, Kreativität und Erfolg zum Wohle unseres Kantons und seiner Bevölkerung». --dm


«Glaubwürdigkeit bewahren»

Thomas Leitch-Frey, SP-Grossrat aus Wohlen, eröffnete mit seiner Rede die neue Legislatur

Es sei ihm eine Ehre, sagte er im Vorfeld. Und genau so lebte er den Job als dienstältester Grossrat vor. Zentraler Punkt war die Eröffnungsrede. Thomas Leitch sprach dabei den Kampf um Aufmerksamkeit und die steigende Bedeutung von wissenschaftlichen Erkenntnissen an.

Daniel Marti

Als amtsältester Grossrat durfte Thomas Leitch die neue Legislatur eröffnen. Es war der Start in die 52. Legislaturperiode seit der Gründung des Kantons Aargau im Jahr 1803. Die Eröffnungssitzung fand in der Umweltarena in Spreitenbach statt. Leitch sprach die aussergewöhnliche Zeit an. Die Herausforderungen der Pandemie seien für Gesellschaft und Politik enorm. Leitch hofft, dass diese Herausforderungen gemeinsam bewältigt werden können: «Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem neuen Jahr einen grossen Schritt zur Überwindung der Pandemie machen werden.»

Der Alterspräsident schaute auch kurz zurück auf die Wahlen vom vergangenen Herbst. 1027 Personen wollten sich in den Grossen Rat wählen lassen. 108 wurden wiedergewählten und das Volk beordete 32 neue Grossrätinnen und Grossräte nach Aarau. Im Regierungsrat kam der Neue, Dieter Egli, hinzu. Leitch wünschte allen in der verantwortungsvollen Tätigkeit «ergiebige, faire und konstruktive Debatten, in denen wir respektvoll miteinander umgehen und einander zuhören».

«Aufmerksamkeit ist die Währung unserer Zeit»

Der Wohler blickte in seine Anfänge im kantonalen Parlament zurück. 1997, erstmals gewählt, ging beispielsweise die Suchmaschine Google online. Zehn Jahre später nahm nach der Präsentation des ersten iPhones die Entwicklung des mobilen Internets Fahrt auf. «Die Digitalisierung prägt heute weite Teile unseres Alltags und nimmt ihren Einfluss auch in der Politik», so Leitch. Dabei habe die Kommunikationsform über die sozialen Netzwerke mit den Wählerinnen und Wählern einen grossen Einfluss. Das sei die grösste Veränderung der letzten beiden Jahrzehnte. Der 58-jährige SP-Politiker weiter: «Aufmerksamkeit ist die Währung unserer Zeit.» Um sie wird in den sozialen Medien, auf Newsportalen und bei Fernsehsendern gestritten.

«Algorithmen lenken und kanalisieren unsere Aufmerksamkeit und beeinflussen auch unsere Meinung.» Das Schrille und Simple erntet als Schlagzeile oft mehr Aufmerksamkeit «als eine sachliche umfassende Darstellung».

Bitte keine Gehässigkeiten, lieber aktiv zuhören

Nicht nur politische Statements sind heute umgehend vermittelbar, «auch Gehässigkeiten und Desinformationen sind zeitnah absetzbar», kritisierte er. Und die Grossratsmitglieder würden sogar aus laufenden Grossratsdebatten twittern. Schliesslich gehe es um möglichst viele Likes und Klicks.

Leitch bemängelte, dass die wertvollste Tugend der Kommunikation – das aktive Zuhören – aus der Mode gekommen sei. «Hier haben wir als gewählte Volksvertreter eine besondere Verantwortung, wenn wir unsere Glaubwürdigkeit bewahren wollen. Konzentrieren wir uns deshalb darauf, wertschätzend zuzuhören, aufeinander einzugehen und die eigene Position zu reflektieren, bevor wir uns äussern. So wie es Grossratsmitglieder in der Regel sorgfältig und mit Sachverstand während der Kommissionsarbeit tun.»

Politik als Entschleuniger und Wissenschaft als Ratgeber

Wie viel Geschwindigkeit passabel sei und was die Qualität der Entscheide steigert, fragte er und sprach einen guten Vergleich an: «Der politische Prozess bietet eine wohltuende Entschleunigung.» Denn der in der schnelllebigen Zeit oft als schwerfällig und langsam empfundene politische Prozess erweist sich gemäss Leitch nach wie vor als Garant für gut fundierte Entscheide. «Er zwingt uns dazu, uns genügend Zeit zu nehmen, um komplexe Themen vertieft auszuleuchten.» Die Grossratsmitglieder überprüfen bei jeder Gesetzesvorlage «die Auswirkungen auf Umwelt, Klima, Gesellschaft, Wirtschaft und die personellen und finanziellen Auswirkungen auf Kanton und Gemeinden».

Auch deshalb wünscht sich der Alterspräsident, dass sich die Grossrätinnen und Grossräte vermehrt an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren und ihre Prioritäten danach ausrichten. «Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse sollten es uns einfacher machen, trotz politischer Differenzen die richtigen Prioritäten zu setzen.»

Bei der Bewältigung der Coronapandemie habe man gesehen, wie wichtig die Expertise der Wissenschaft für die Politik sei. Auch bei Umwelt- und Klimafragen müsse man dank wissenschaftlichen Erkenntnissen Einsicht zeigen «und handeln, bevor es zu spät ist. Wir alle kennen die Auswirkungen des Klimawandels», mahnte Leitch eindringlich. «Sie kennen keine geografischen Grenzen. Und sie betreffen die gesamte Bevölkerung.»

Die Deutung von Friedrich Dürrenmatt

Abschliessend machte Thomas Leitch den Link zu Friedrich Dürrenmatt, der just am Tag des Legislaturstarts seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Der Wohler Grossrat zitierte den bekannten Schriftsteller: «Das Rationale am Menschen sind die Einsichten, die er hat. Das Irrationale an ihm ist, dass er nicht danach handelt.»

Deshalb wünscht sich der dienstälteste Grossrat, «dass wir rational handeln, wo wir Einsicht gewinnen, und die Prioritäten künftig richtig setzen». Schliesslich gelobe jedes Mitglied des Grossen Rates «Verantwortung gegenüber Mensch, Gemeinschaft und Umwelt wahrzunehmen, die Wohlfahrt des Kantons Aargau und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu fördern».


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