Hier sind alle gleich
24.07.2020 MutschellenSommerserie «Auf den Punkt»: Bruno Kaufmann betreut die geschlossene Entsorgungsstelle in Widen
Sie ist nur eine Stunde geöffnet am Mittwochnachmittag, doch 80 Leute entsorgen in dieser Zeit Karton, Metall und Glas. «Der ganze Mutschellen kommt hierher», sagt Bruno Kaufmann. Er sorgt dafür, dass nichts in einer falschen Mulde landet.
Erika Obrist
Der Dartpfeil landet direkt in der Einmündung der Gemeindestrasse in die Bremgarterstrasse. Ich kann wählen: das Gesundheitszentrum Greenpark oberhalb der Gemeindestrasse oder die Entsorgungsstelle unterhalb. Ich entscheide mich für die zweite Variante, wird mir doch immer wieder erzählt, wie wichtig dieser Ort für die Wider Bevölkerung ist. Zudem ist der Pfeil etwas näher an diesem Ort gelandet.
Alle halten sich an die Regeln
Die acht Parkplätze vor dem umzäunten Platz sind allesamt belegt. Ein paar Autos stehen auf dem Trottoir. Sobald sich eine Lücke auftut auf dem Parkfeld, lenkt der Fahrer sein Auto dorthin. Öffnet den Kofferraum. Holt Taschen heraus, Stapel von Karton. Stellt sich mit dem gesammelten Gut vor den Eingang. Ein Pfeil aus gelbem Klebband, auf dem Boden aufgebracht, weist den Weg. Weitere gelbe Klebestreifen im Abstand von zwei Metern erinnern die Besucherinnen und Besucher an die Regeln in Coronazeiten. Alle halten sich daran.
«Die Leute sind sehr freundlich und wohlerzogen», sagt Bruno Kaufmann. Er steht hinten neben dem Eingang in den Bücherraum mit Hut als Sonnenschutz, Leuchtweste und Mundschutz. «Die Verwaltung verlangt das», sagt er ruhig. Ausserdem gehöre er zur Risikogruppe der über 65-Jährigen.
Anstehen heisst es
«Wenn ich jeweils kurz vor 13 Uhr komme, stehen bereits sieben, acht Leute vor dem Eingang», sagt der Eggenwiler, der die Sammelstelle umsichtig betreut. Stephan Wellinger ist einer, der immer früh vor Ort ist. Er ist der «Feuerwehrmann» im Alterszentrum Burkertsmatt, wie er es selber ausdrückt. Er packe überall mit an, wenn es irgendwo «brenne», erklärt er. Sein Lieferwagen ist voll bepackt. Kisten mit Glas und Dosen, deren Inhalt er ausserhalb der Umzäunung in die Unterf lurcontainer entsorgt. Dazu jede Menge Karton, den er mit Schwung in die Kartonpresse wirft. Es dauert, bis er alles entsorgt hat. Geduldig warten die anderen Besucherinnen und Besucher, bis er mit seinem Lieferwagen wegfährt.
Nur eine Stunde ist die Entsorgungsstelle offen am Mittwochnachmittag. 80 Leute kommen in dieser Zeit. Bruno Kaufmann muss sie zählen. Die Verwaltung wünscht es so. Erfolgskontrolle. «Würde das Angebot nicht genutzt, müssten wir über eine Schliessung diskutieren», sagt Gemeinderätin Louisa Springer. Auch sie hat daheim aufgeräumt, denn am Wochenende geht es in die Ferien. Eine Schliessung droht kaum; die Einwohnerinnen und Einwohner schätzen die Möglichkeit, hierhin fast alles kostenlos bringen zu können, was sich daheim angesammelt hat. Nur fürs Deponieren weniger Stoffe muss bezahlt werden.
Ordnung halten ist ihm wichtig
Louisa Springer nimmt sich Zeit, ein paar Worte mit Bruno Kaufmann zu wechseln. Sie sind per Du. «Es ist ein wichtiger Treffpunkt», weiss die Gemeinderätin. Am Samstagmorgen, wenn ebenfalls geöffnet ist, bleibe meist Zeit für einen Schwatz. Dann seien noch mehr Menschen hier anzutreffen, sagt sie. «150 bis 160», weiss Bruno Kaufmann.
Seine Aufgabe ist es zu schauen, dass Karton zu Karton kommt, Batterien zu Batterien und Metall zu Metall. Ordnung halten ist ihm wichtig. «Die meisten Leute kommen regelmässig; sie wissen, wie es läuft», sagt er in seiner ruhigen Art. Er sieht genau, wer neu ist und sich noch nicht zurechtfindet. Denen erklärt er kurz den Ablauf. Zeigt, was wohin gehört. «Ihnen gebe ich auch einen Entsorgungsplan mit.» Damit sie daheim studieren können, welche Güter hier angenommen werden und welche in den Kehricht gehören. Oder ins Grüngut. Oder in die Papiersammlung.
Auch bei Auswärtigen beliebt
Eine regelmässige Besucherin ist auch Susi Müller. Sie weiss wohin mit dem Glas. Ist der Kofferraum ihres Autos geleert, gönnt sie sich ein «Dessert». Sie geht in den Raum mit den Büchern. Schaut sich die Autorennamen auf den Buchrücken an. «Ich nehme nur, was mich wirklich interessiert», sagt sie. An diesem Nachmittag wird sie nicht fündig. Sie verabschiedet sich mit einem herzlichen Gruss von Bruno Kaufmann.
Muss Kaufmann auch einen Ausweis von den Wartenden verlangen? Schliesslich bezahlen die Wider Steuerzahler das Entsorgen und seinen Lohn. «Nein, das muss ich nicht», lacht er. Er weiss aber, dass sich auch Auswärtige unter den Entsorgenden befinden. «Der ganze Mutschellen kommt hierher.» «Ich behandle alle gleich», sagt Kaufmann. Entsorgen müssen die Leute ihr Mitgebrachtes jedoch selber. «Ich helfe niemandem», sagt der Rentner. Was so natürlich nicht stimmt. Als sich eine ältere Frau nähert, die am Stock geht, ist er sofort bei ihr und nimmt ihr die Tasche ab. Er schaut, was drin ist, und wirft den Inhalt in den entsprechenden Container. «Wenn jemand nicht gut zu Fuss ist, helfe ich selbstverständlich.» Hinten am Eingang zum Bücherraum stehend, sieht er sofort, ob jemand seine Unterstützung braucht.
Vor sechs Jahren hat die Gemeinde Widen Bruno Kaufmann die Betreuung der Sammelstelle anvertraut. «Ich mache diesen Job unglaublich gern», sagt er. Weil er gern unter Menschen ist. Weil er stundenweise eine sinnvolle Beschäftigung hat. Weil die Menschen ihn mögen. «Sie haben mich vermisst, als die Sammelstelle wegen Corona über Wochen geschlossen war.» Und sind dann, als wieder offen war, umso erfreuter wiedergekommen zu «Chez Bruno», wie auf dem Schild an der Wand steht.