Ein Traum für jeden Piloten

  16.06.2020 Wohlen

Pilot und Flugzeugkonstrukteur Max Vogelsang und sein Team restaurieren eine legendäre Beech 18

Nach mehreren Jahren «Schönheitsschlaf» in verschiedenen Museen und einem aufwendigen «Refreshing» erstrahlt sie wieder in neuem Glanz: die zweimotorige Beech 18. Aber reicht das, um auch im betagten Alter von 75 Jahren nochmals abheben zu können?

Richard Gähwiler

Die Aviatik-Interessierten kennen natürlich den Oldtimer: das behäbige Ganzmetallfugzeug mit zwei wuchtigen Sternmotoren und dem doppelten Seitenleitwerk im Heck. Der Flieger wurde in den Jahren zwischen 1937 und 1970 in grosser Stückzahl vom amerikanischen Hersteller Beech Aircraft gebaut.

Zu schade für ein endgültiges «Grounding»

Eine dieser Maschinen stand bis Ende der 70er-Jahre im Dienst der Eidgenössischen Landestopografie für Vermessungs- und Fotofüge. Den vermeintlichen Ruhestand verbrachte diese Beech 18 dann während rund 40 Jahren als Museumsobjekt in Luzern und Dübendorf. Aufgrund des guten Zustandes und der wenigen absolvierten Flugstunden eigentlich zu schade für ein defnitives «Grounding», fanden ein paar Liebhaber historischer Flugzeuge.

Es war dann Max Vogelsang, Zimmermeister, Pilot, Flugzeugkonstrukteur und Restaurator aus Wohlen, der sich dieses Flugzeuges annahm. Mit zwei langjährigen Kollegen, Nils Hagander und Urs Müller, tat er sich in Form der Haltergemeinschaft B 18 AG zusammen, um die Beech von Grund auf zu restaurieren. Das war vor rund drei Jahren. Noch heute erinnert sich Vogelsang: «Ich war gleich zu Beginn angetan von diesem Flugzeug, ein Bubentraum schien in Erfüllung zu gehen, ich wollte das Ding unbedingt nochmals fiegen sehen.» Anfang Juni war man nun diesem Traum einen grossen Schritt näher. Nach über 4500 Arbeitsstunden des Teams um die Haltergemeinschaft, auch unter Einbezug der Familienmitglieder Vogelsang, startete man im Birrfeld zum Motoren-Testlauf und zu ersten Rollversuchen. «Die vielen Stunden anspruchsvoller Handarbeit sind vergessen, was jetzt zählt, ist einzig der Sound, das runde Laufen der beiden Sternmotoren, Musik in meinen Ohren», schwärmt Vogelsang.

Die Zertifzierung von historischen Flugzeugen setzt voraus, dass diese gemäss den aktuellen Vorschriften nach- oder umgerüstet wurden. «Das war eigentlich die grösste Herausforderung. Mit Stirnlampe und Spezialwerkzeug verbrachte ich Stunden in der engen Nase des Fliegers, um neue Leitungen und Verbindungen für Fahrwerk, Klappen und die Avionik einzuziehen», zieht Vogelsang Bilanz und ist zuversichtlich, dass sie, seine Beech 18, nochmals abheben wird.

In alter Frische – das BAZL inspiziert genau

Jetzt steht sie da. Ein Bijou von Flieger. Blitzblank das Äussere, adrette Bemalung, sauber überholt die Original-Sternmotoren und gediegene Ledersitze für Crew und Passagiere. Ein Traum für jeden Piloten, das umgerüstete Cockpit: Neben dem altehrwürdigen «Uhrenladen» ergänzende Avionik neuester Generation von Garmin und Aspen. Eigentlich «Ready for Takeoff».

Aber noch wurde nicht abgehoben. Vergangene Woche hatte man die Herren Baumeler, Christen und Tonezzer zu Gast, Inspektoren vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL). Der Ruf eilt ihnen voraus, seit dem Absturz einer Ju-52 im August 2018 die Kontrollen historischer Flugzeuge noch genauer zu nehmen. Kein Problem für das Team um Vogelsang, sie sind sich ihrer seriösen Arbeit sicher. Im «Votec-Hangar» im Birrfeld begutachteten die Herren vom BAZL die Beech 18 aus allen Blickwinkeln. Während Stunden kontrollierten sie anhand von Checklisten Verstrebungen und Verschraubungen, Ventile und Leitungen im Rumpf und in den abgedeckten Sternmotoren, Fragen hier – Notizen dort, schliesslich ein Stapel von Papieren, die es in Bern in den nächsten Tagen auszuwerten gilt.

Wieder Luft unter den Flügeln

Vogelsang ist zuversichtlich, seinen Bubentraum nach Auswertung der Kontrollen leben zu können. Er wird die zweimotorige Maschine zwar nicht selbst pilotieren. Dieses Privileg wird einem Kollegen mit langjähriger «Beech-18-Erfahrung» gegönnt sein. Aber mit seiner Lizenz für einmotorige Maschinen wird sich Vogelsang auch auf dem «Sitz rechts», jenem des Co-Piloten, wie im siebten Himmel fühlen. Es zweifelt niemand, dass die «betagte Dame» demnächst nochmals abheben wird. Man wird von diesem «zweiten Erstfug» hören und lesen.


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