Wie ein weiterer Freispruch

  05.06.2020 Wohlen

Fall Dubler – eine unerwartete Fortsetzung

Walter Dubler stand erneut im Kreuzfeuer. Ein neues Verfahren und wieder unschuldig.

Als Walter Dubler, der ehemalige Wohler Gemeindeammann, am 24. Juni 2019 eine Vorladung als Beschuldigter von der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten erhielt, wusste er nicht, worum es ging.

Es war der Anfang eines Strafverfahrens, mit dem wirklich niemand gerechnet hatte. Ausser Wohlens Gemeindeschreiber Christoph Weibel. Er hatte die Strafanzeige eingereicht und bei seiner Einvernahme Walter Dubler zum Verdächtigen gemacht. Vorwurf: Verletzung des Amtsgeheimnisses. Es ging um zwei Protokolle der Gemeinde Wohlen, die dieser Zeitung vorliegen. Und keinerlei Geheimnis sind.

Dubler zog seinen Rechtsanwalt bei – und musste erneut für sein Recht und für seine Unschuld kämpfen. Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten sah letztlich nur einen Weg: Sie stellte das Verfahren ein, weil kein Geheimhaltungsinteresse vorliegt – wie übrigens schon in einem ähnlichen Fall, der von Weibel betreut wurde. Die Einstellung des Verfahrens kommt einem Freispruch gleich. --dm


Gescheiterter Frontalangriff

Gemeindeschreiber reichte Strafanzeige ein – und der ehemalige Gemeindeammann Walter Dubler ging siegreich hervor

Der Fall Walter Dubler dauerte von 2015 bis 2019. Und schien im April 2019 mit der Einstellung des letzten Strafverfahrens beendet zu sein. Aber dem ist nicht so. Gemeindeschreiber Christoph Weibel löste eine weitere Strafanzeige gegen den ehemaligen Gemeindeammann aus. Und steckte eine peinliche Niederlage ein. Auch dieses Verfahren wurde nun eingestellt – und Dubler rehabilitiert.

Daniel Marti

Hört es denn nie auf? Ist diese Auseinandersetzung denn nicht endlich Geschichte? Dies mögen viele denken. Aber der Fall Walter Dubler hat doch tatsächlich eine Fortsetzung erfahren. Walter Dubler – vom Regierungsrat entlassen, bevor das Urteil des Bundesgerichts vorlag – hat sämtliche vier vom früheren Einwohnerrat Jean-Pierre Gallati angeschobenen juristischen Verfahren gewonnen. Das Bundesgericht sprach den ehemaligen Gemeindeammann von Wohlen in allen drei Punkten frei. Und vor knapp einem Jahr stellte die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten das letzte noch hängige Strafverfahren ein. Auch das ist wie ein Freispruch zu werten.

Das Ende eines Strafverfahrens löste das nächste aus

Genau dieses Strafverfahren löste das nächste Kapitel dieser unendlich scheinenden Geschichte aus. Die Strafanzeige wurde am 7. März 2016 von Jean-Pierre Gallati, heute Regierungsrat, bei der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten eingereicht. Es ging um die provisorische Lohnfortzahlung an einen vollinvaliden Werkhofmitarbeiter. Ungetreue Geschäftsbesorgung, so lautete der Verdacht. Gallati vermutete dabei einen ungerechtfertigten Alleingang des damaligen Gemeindeammanns. In Tat und Wahrheit genehmigte Walter Dubler als Personalchef die vorübergehende Lohnfortzahlung an einen schwer erkrankten Werkhofmitarbeiter, der mittlerweile vollinvalid ist. Übrigens auf Antrag der Finanzverwaltung. Gallati hat in dieser Sache vorgängig auch eine Aufsichtsanzeige bei Landammann Urs Hofmann eingereicht.

Es stellte sich jedoch heraus, dass Dubler in dieser Angelegenheit einzig die Fürsorgepflicht wahrgenommen hat. Für die Gemeinde entstand kein Schaden, da alles zurückbezahlt wurde. Der invalide Werkhofmitarbeiter hat eine Sorge weniger. Das besagte Strafverfahren ruhte sehr lange und im April 2019 wurde es offiziell eingestellt. Dies ist eigentlich alles bekannt.

Zwei Protokolle wurden zum Ärgernis

Nun zum entscheidenden Punkt. Diese Zeitung berichtete über die Einstellung dieses haltlosen Strafverfahrens (Titel «Juristischer Leerlauf» vom Freitag, 12. April 2019). Dabei kam zur Sprache, dass der Gemeinderat immer bestens informiert war in dieser Angelegenheit. Der Gemeinderat behauptete stets, er habe am 29. Juni 2015 von der Sachlage Kenntnis erlangt. Das war jedoch nicht die ganze Wahrheit. Bereits vier Monate zuvor, am 9. Februar 2015, wurde dieses Thema im Gemeinderat angesprochen. Und zwar so: Die Finanzverwaltung sei derzeit mit der Organisation der 100-Prozent-IV-Rente des Werkhofmitarbeiters beschäftigt, heisst es im Protokoll-Auszug des Gemeinderates. Gemeinderat und diverse Abteilungen waren in Kenntnis, was alles entschieden wurde. Der Protokoll-Auszug dieser besagten Sitzung vom 9. Februar (und auch jener vom 29. Juni 2015) liegt der Redaktion vor, schrieb diese Zeitung am Freitag, 12. April 2019. Und wie fiel die Reaktion im Gemeindehaus aus? Gemeindeschreiber Christoph Weibel reichte sofort Strafanzeige ein gegen unbekannt wegen des Verdachts der Amtsgeheimnisverletzung. Er tat dies am Donnerstag, 11. April 2019, aufgrund einer Mailanfrage dieser Zeitung zur besagten Einstellung des Strafverfahrens. Die Strafanzeige ist am 12. April 2019 bei der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten eingegangen, also am Tag, als der Artikel erschienen ist.

Tat dies Gemeindeschreiber und CEO Weibel im Alleingang, lag zu jenem Zeitpunkt die Zustimmung des Gesamtgemeinderates und allenfalls der gesamten Geschäftsleitung vor? Gemeindeammann Arsène Perroud nimmt ihn in Schutz. Mitarbeitende der Gemeinden seien verpflichtet, schwere Vergehen, von denen sie in ihrer amtlichen Stellung Kenntnis erhalten, der Staatsanwaltschaft zu melden, so Perroud. «Der Gemeindeschreiber hat den Gemeinderat über sein Vorgehen informiert.»

Weibel stempelte Dubler als Hauptverdächtigen ab

Am 24. April 2019 reichte Weibel weitere Unterlagen bei der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten ein. Unter anderem den Mailverkehr zwischen Zeitung und Gemeindekommunikationsstelle sowie Mailverkehr Walter Dubler mit Gemeindeangestellten. Und in diesem Schreiben von Weibel an die Staatsanwaltschaft steht auch Folgendes. «Aus dem Dargelegten lässt sich der Kreis der möglichen Täterschaft anhand von Indizien mutmasslich eingrenzen.»

Am 8. Mai 2019 erfolgte die Vorladung. Der Gemeindeschreiber wurde zur Einvernahme als Auskunftsperson vorgeladen. Am 18. Juni 2019 erschien Weibel zur Einvernahme und gab während zwei Stunden Auskunft. In dieser Einvernahme stempelte Weibel den ehemaligen Gemeindeammann zum Hauptverdächtigen. Nun war es definitiv ein Frontalangriff. Sechs Tage später, am 24. Juni 2019, wurde Walter Dubler als Beschuldigter betreffend Verletzung des Amtsgeheimnisses vorgeladen. Einvernahme am 18. Juli 2019. Walter Dubler zog seinen Rechtsanwalt bei.

Pikante Vorgeschichte: Bereits bei der Aufsichtsanzeige von Gallati gegen Dubler vom 1. September 2015 (betreffend der provisorischen Lohnfortzahlung an den vollinvaliden Werkhofmitarbeiter) wird der Protokollauszug des Gemeinderates vom 29. Juni 2015 ausdrücklich erwähnt, danach auch in Zeitungsberichten. Gemeinderat und der Gemeindeschreiber haben dies damals toleriert. Nun plötzlich nicht mehr. Eine seltsame Wende.

Kein Geheimnis, kein Geheimhaltungsinteresse

Für die Staatsanwaltschaft war der Fall klar. In der Einstellungsverfügung vom 1. Mai schreibt sie, dass sämtliche Inhalte der Protokolle vom 9. Februar 2015 und 29. Juni 2015 «entweder nicht unter den Geheimnisbegriff fallen oder keinem berechtigten Geheimhaltungsinteresse unterliegen». Gemäss Gemeindegesetz sind die Lohnbuchhaltung sowie die Erfolgsrechnung und Bilanz öffentlich aufzulegen. Daraus liessen sich auch die Lohnzahlungen an den vollinvaliden Werkhofmitarbeiter entnehmen. Laut Staatsanwaltschaft sind diese Zahlen nicht bloss einem beschränkten Personenkreis bekannt, womit kein Geheimnis gemäss Strafprozessordnung vorliegt. Das Strafverfahren wurde vollumfänglich eingestellt, dieser Entscheid wurde am 18. Mai rechtskräftig.

Übrigens: Der Gemeindeschreiber hätte diese Argumentation zwingend kennen müssen, hat er doch den sehr ähnlich gelagerten Fall zuvor (die Suche nach dem Maulwurf) selber behandelt. Zum jetzigen Stand der Dinge will Weibel laut Kommunikationsstelle der Gemeinde nichts sagen.

Und was hält Walter Dubler von diesem neuerlichen Verfahren? «Nach dem vollständigen Freispruch durch das Bundesgericht im Jahr 2017 wurden die zwei weiteren Strafverfahren sogar eingestellt. Das Resultat freut mich», sagt der ehemalige Gemeindeammann. Er bleibt also sehr sachlich und fügt dennoch an, «dass die Kosten für diese unnötigen Anzeigen nicht die Anzeiger, sondern die Steuerzahler zu tragen haben».

Der Millionen-Schaden wird noch höher

Bleibt noch die Frage an Gemeindeammann oder Gemeindeschreiber, was von dieser Aktion übrig bleibt, wird sie intern wenigstens aufgearbeitet und mit welchen Konsequenzen oder folgt sogar eine Entschuldigung? Gemeindeammann Arsène Perroud: «Die Handlungen des Gemeindeschreibers waren jederzeit rechtskonform.» Er sei seinen Pflichten als Gemeindeschreiber nachgekommen. «Die Strafanzeige richtete sich gegen unbekannt und in keiner Weise gegen bestimmte Personen. Personalrechtliche Belange sind generell nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.» Dass der Gemeindeschreiber bei seiner Einvernahme den ehemaligen Gemeindeammann belastete, blendet der Gemeindeammann wohl bewusst aus.

Der Fall Walter Dubler hat den Steuerzahler über eine Million Franken gekostet. Dies hat eine unwidersprochene Vollkostenberechnung dieser Zeitung ergeben (siehe Ausgabe vom 14. Dezember 2018). Nun kommt ein weiterer fünfstelliger Betrag hinzu – verursacht durch den Gemeindeschreiber von Wohlen. Ob das den Steuerzahler freuen wird, bleibe dahingestellt.


Wer lüftete welches Geheimnis?

Auf der Suche des Maulwurfs: Unterschiedliche Anläufe in dieser Sache

Die Gemeindeverwaltung Wohlen hat ein stets wiederkehrendes Problem. Irgendwer zerrt Dokumente an die Öffentlichkeit, die vielleicht (noch) nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren. Auf der Suche nach dem Maulwurf gaben sich die Gemeindeschreiber und der Gemeinderat bisher nicht sonderlich Mühe.

Erst gezögert, dann die Eile

Angefangen hat die Sache beim Finanzplan (Jahr 2014), der in provisorischem Zustand mit gemeinderätlichen Notizen den Weg nach «draussen» fand. Gefolgt von der fehlenden Budgetierung für die Baubegleitung bei der Realisation des Schüwo-Parks, und dies kurz vor der Volksabstimmung. Weiter fanden Arbeitsvertrag und Lohnangaben der ehemaligen Bauverwalterin Imfeld den Weg an die Öffentlichkeit und in die Hände von verschiedenen Politikern.

Im Fall Imfeld zögerten Gemeinderat und Gemeindeschreiber mit einer Strafanzeige aufreizend lange. Eine Aufforderung des Regierungsrates, Strafanzeige in dieser Sache zu erstatten, blieb zuerst unerhört. Erst auf Druck des Regierungsrates über die Medien handelte man im Gemeindehaus. Nun, bei der neuerlichen Strafanzeige wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, handelte der Gemeindeschreiber reflexartig. Warum erst die grosse Zögerung und nun diese Eile, Herr Gemeindeschreiber? Er alleine kennt wohl die Gründe.

Bei der Strafanzeige betreffend Vertrag und Lohn der ehemaligen Bauverwalterin hatte die Gemeinde in der Person von Anwalt Robert Frauchiger eine rechtliche Beratung. Gab es diese nun auch? «Eine Mandatierung externer Berater erfolgte in keinem Zeitpunkt», antwortet Gemeindeammann Arsène Perroud. Deshalb seien für die «Gemeinde Wohlen keine Kosten entstanden».

Staatsanwaltschaft kommt zweimal zum gleichen Schluss

Walter Dubler, der nun Ziel des Strafverfahrens war, geht noch einen Schritt weiter. Wegen diesem neusten Verfahren wurde die Einstellungsverfügung vom 27. Oktober 2017 in Sache Verletzung des Amtsgeheimnisses bekannt – auch hier wurde der Maulwurf gesucht. «Jene Verfügung ging nämlich nur an den Rechtsvertreter des Gemeinderates Wohlen. In seiner Medienmitteilung vom 16. November 2017 zitierte der Gemeinderat aus der Verfügung. Der vollständige Inhalt war jedoch nicht für alle öffentlich zugänglich», so Dubler.

Noch ein brisantes Detail: Die Staatsanwaltschaft kam nun zum gleichen Schluss, wie dies der Gemeinderat in seiner Medienmitteilung vom 16. November 2017 bekannt gab, als es um den Maulwurf ging.

Das andere Dokument

Als Betroffener konnte er, Walter Dubler, in diesen Einstellungsentscheid auf der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten Einsicht nehmen. «Der damalige Leiter der Staatsanwaltschaft schrieb mir am 22. Dezember 2017, dass gemäss Weisung der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau vom Entscheid weder Kopie noch Fotos erstellt werden dürfen. Dass jetzt aber diese Einstellungsverfügung unter SVP Wohlen-Anglikon im Internet vollständig angeschaut werden kann, ist unglaublich.»

Es stellt sich laut Dubler folgende Frage: «Wer war denn hier nicht dicht und hat dieses Geheimnis gelüftet?» --dm

Wie das besagte Dokument der Einstellungsverfügung, das eigentlich nicht öffentlich ist, trotzdem einsehbar ist: SVP Wohlen Walter Dubler googeln. Weiter unter Affäre Dubler – SVP Wohlen-Anglikon, Urteil. Oder dann unter: www.svp-wohlen-anglikon.ch/wb/media/Dubler/Staatsanwaltschaft_2017_10_27_Einstellungsverfuegung_Dubler.pdf


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