Spannend und ausgeglichen
22.11.2022 Ringen, SportRingen, Halbfinal: RS Freiamt in Rücklage
700 Fans verwandeln die Bachmattenhalle in Muri in eine Ringer-Party. Auf der Matte liefern sich die Ringerstaffeln Freiamt und Kriessern ein hochspannendes und ausgeglichenes Duell. Die Ostschweizer sind aber etwas entschlossener und ...
Ringen, Halbfinal: RS Freiamt in Rücklage
700 Fans verwandeln die Bachmattenhalle in Muri in eine Ringer-Party. Auf der Matte liefern sich die Ringerstaffeln Freiamt und Kriessern ein hochspannendes und ausgeglichenes Duell. Die Ostschweizer sind aber etwas entschlossener und können die engen Kämpfe allesamt für sich entscheiden. So gehen die Freiämter mit einem Minus von drei Punkten (14:17) in den Halbfinal-Rückkampf am Samstag. --spr
Gegner hat kaum Schwachstellen
Ringen, Nationalliga A, Halbfinal, Hinkampf: RS Freiamt – RS Kriessern 14:17 (5:11)
700 Fans sorgen für eine tolle Stimmung. Auf der Matte zeigt der Gast aus Kriessern kaum eine Schwachstelle. Und die Schiedsrichter lassen das Fingerspitzengefühl vermissen. Die Freiämter sind vor dem Rückkampf in Rücklage. Trotzdem bleibt man zuversichtlich.
Stefan Sprenger
So sieht fehlendes Fingerspitzengefühl aus. Es passiert in Kampf Nummer 6. Freiamts Christian Zemp bezwingt Fabio Dietsche mit 6:2. Als der Kampf beendet ist, geht Leutert auf die Matte, hilft dem ausgelaugten Zemp auf die Beine – und kassiert vom Kampfrichter die Gelbe Karte. Auf der anderen Seite steht Volker Hirt, Greco-Trainer der Ringerstaffel Kriessern. «Als «ringerverrückt im positiven Sinn» wird er von den Ostschweizern bezeichnet. Hirt, vierfacher deutscher Meister als Aktiver, zeigt in diesem Kampf neben der Matte, dass er tatsächlich mit Leib und Seele dabei ist. Ein bisschen zu viel. Beinahe jede Aktion kommentiert er lautstark, betritt immer wieder die Matte, fuchtelt herum. Doch die Kampfrichter wollen es nicht sehen und beweisen spätestens bei der Verwarnung gegen Leutert, dass sie nicht ihren besten Tag erwischen.
Weber und Strebel als Highlights
Auch die Freiämter erwischen nicht ihren besten Tag. Dafür gibt es einige Beispiele. Im ersten Duell geht Freiamts Flurin Meier mit 5:2 in Führung. Sein Gegner Sandro Hungerbühler blickt raus zum Trainer, sein Blick sagt aus: «Was soll ich nur tun?» Hungerbühler dreht danach auf und gewinnt noch mit 7:8. Meier geht die Puste aus. Im zweiten Kampf ist Roman Betschart eiskalt gegen den Freiämter Roman Zurfluh. 0:8. Im dritten Duell probiert Freiamts Nils Leutert gegen Dimitar Sandov viel, ein Punktgewinn gelingt nicht. 0:5. Die Gäste aus Kriessern jubeln und gehen mit 1:8 in Führung. «In vielen Kämpfen wäre mehr möglich gewesen. Wir agierten unglücklich», meint RS-Freiamt-Trainer Leutert.
Marc Weber holt in Kampf Nummer 4 aber alles heraus. Er besiegt Philipp Hutter mit 5:0. Dieser Erfolg ist eines der wenigen Highlights aus Freiämter Sicht. «Marc Weber hat geliefert», kommentiert Leutert, der dann im letzten Duell vor der Pause zusehen muss, wie Dominik Laritz seinen Sohn Nino Leutert phasenweise zerzaust. Es ist nicht so, dass Nino Leutert nicht alles gibt und viel versucht. Doch Laritz, der kleine Musterathlet, erstickt die Angriffsversuche von Leutert gekonnt. Der attraktive Kampf endet mit 6:14 für Laritz. Kriessern führt zur Pause mit 5:11. Es war klar, dass die Ostschweizer den ersten Umgang dominieren. Doch die Freiämter hätten sich mehr erhofft.
Müllhaupt startet stark – und bricht dann ein
Dann kommt der Sieg von Zemp. Nur noch 7:12. Und jetzt tritt Captain und Leistungsträger Pascal Strebel in Erscheinung. Auch er liefert. Sein Gegner Fritz Reber versucht dagegenzuhalten. Es bleibt beim Versuch. 10:0 für Strebel. Es steht nur noch 10:12 im Gesamtskore. Das Momentum scheint auf die Freiämter Seite zu kippen. Freiamts Doppellizenzringer Tanguy Darbellay gibt gegen Tobias Betschart Vollgas. Einen Moment lang scheint ihm aber die Puste auszugehen. Doch Darbellay kommt wie ein Phönix aus der Asche zurück und gewinnt deutlich mit 14:2. Und damit steht es unentschieden. 13:13.
Freiamts Randy Vock und Kriesserns Marc Dietsche liefern sich dann einen Abnützungskampf. Lange steht es 0:0, bevor dem Ostschweizer die siegbringenden Aktionen gelingen. Kriessern ist wieder vorne, 13:15. Doch beim letzten Kampf des Abends ist eigentlich ein Freiämter Sieg budgetiert. Doppellizenz-Ringer Yves Müllhaupt beginnt gegen David Loher stark, ein Durchdreher bringt ihn mit 4:0 in Führung. «Was dann geschieht, ist sinnbildlich für den ganzen Kampf. Kriessern wollte einfach ein wenig mehr als wir. Das darf Müllhaupt eigentlich nicht mehr aus den Händen geben», sagt RS-Freiamt-Trainer Leutert. Loher kontert. 4:4. Am Ende gewinnt er 5:6. Müllhaupt am Boden. Die Köpfe hängen bei den Freiämtern. Die Ringerstaffel Freiamt verliert 14:17.
Trainer Leutert bleibt zuversichtlich. «Ein Unentschieden wäre wohl gerecht gewesen. Aber wir haben in der ersten Halbzeit zu wenig gemacht. Wir haben es selber verbockt. Jetzt wissen wir, was wir zu tun haben. Und drei Punkte sind nicht viel, das können wir drehen. Auch, weil uns der Stilwechsel im Rückkampf besser liegt. Wir stecken den Kopf nicht in den Sand.» Auch Präsident Nicola Küng bleibt positiv. «Mit einer starken Leistung können wir das noch drehen. Es war ein sehr spannender Kampf mit offenem Ausgang. Und so wird es auch am Samstag in Kriessern sein.»
400 Franken Busse
Die knappen Schiedsrichterentscheide fallen übrigens fast ausschliesslich auf die Seite von Kriessern. Und Trainer Leutert kriegt für seine Gelbe Karte gar eine Busse von 400 Franken aufgebrummt. Etwas dazu sagen will er nicht. Auch Leutert weiss: An den Kampfrichtern ist es nicht gelegen. Die Freiämter Ringer sind in Rücklage, aber noch nicht ausgeschieden. Nun wird es aber noch schwieriger, diesen Rückstand zu egalisieren und es in den Final zu schaffen. «Schwierig ja. Unmöglich nein», so Leutert.
NACHGEFRAGT
«Alles noch möglich»
Randy Vock verliert seinen Kampf gegen Marc Dietsche mit 0:4. Da hat der Niederwiler, der heute in Muri lebt, mehr erwartet. Trotzdem ist der Abwart an der Schule in Villmergen vor dem Rückkampf voller Optimismus.
14:17-Niederlage zu Hause. Da wird es jetzt ganz schwierig, es noch in den Final zu schaffen, oder?
Randy Vock: Wir wussten, dass es eng wird. Wir machten ein paar Flüchtigkeitsfehler und das macht am Ende den Unterschied aus. Kriessern hat kaum Schwachstellen und hat eine geschlossene Mannschaftsleistung gezeigt. Die knappen Kämpfe sind alle für den Gegner gelaufen.
Das ist schlecht für die Freiämter Moral.
Ja. Und nein. Denn wir können es noch besser. Und wenn diese engen Kämpfe auf unsere Seite fallen, dann habe ich grosse Hoffnungen, dass es noch in den Final reicht.
Sie haben Ihren Kampf gegen den internationalen Ringer Marc Dietsche mit 0:4 verloren. Ihr Urteil?
Er ringt international, ich nicht mehr. Dietsche trainiert mehr. Für mich ist Ringen nur noch das schönste Hobby, das man machen kann (lacht). Und so wird es dann eben schwierig gegen einen Gegner, der voll im Saft ist. Ich wollte unbedingt einen Punkt ergattern, aber irgendwie klappte es trotz grossem Aufwand nicht. Mein Kampf widerspiegelt irgendwie den ganzen Auftritt. Wir waren nahe dran, aber es reicht nicht. Und trotzdem: Wir haben das Maximum noch nicht erreicht.
Am Samstag folgt der Rückkampf in Kriessern. Was braucht es für den Finaleinzug?
Den absoluten Willen, es in den Final zu schaffen. Ich glaube, das wird entscheidend sein. Es ist noch alles möglich. --spr
«Wir haben keine Angst»
RS-Kriessern-Trainer Mirco Hutter zu Kampf und Ausgangslage
«Ich habe einen knappen Sieg erwartet», sagt Kriessern-Trainer Mirco Hutter. Für den Rückkampf am Samstag erwartet er von den Freiämtern ein paar Überraschungen. Vor dem Schwinger-Ringer Nick Alpiger hat er aber gar keine Angst.
Während Kriesserns Greco-Trainer Volker Hirt pausenlos gestikuliert und reinruft, bleibt Mirco Hutter die Ruhe selbst. Der 30-Jährige, der seine Ringerkarriere wegen Knieverletzungen früh beenden musste, sagt lächelnd: «Äusserlich war ich ruhig, ich musste mich zurückhalten. Innerlich brodelte es.» Viel Grund, sich zu nerven, hatte er nicht. «Wir wussten, dass wir im ersten Umgang besser sind. Und wir wussten auch, dass die Freiämter nach der Halbzeit besser sind. Und so ist es gekommen.»
«Genial für das Ringerherz»
Einzig die beiden Niederlagen zu null nervten ihn. Philipp Hutter kommt gegen Christian Zemp mit 5:0 unter die Räder. Und Fritz Reber ist gegen Pascal Strebel chancenlos – 10:0. Hutter lobt die Freiämter für ihren Auftritt. Und er ist begeistert von der Stimmung in der Halle. «Hier in Muri ist die Stimmung immer sehr gut. Es war für das Ringerherz ein genialer Abend.» Auch in Kriessern wird die Stimmung gut sein. Und dort wollen er und sein Team die Finalqualifikation schaffen. «Sie wollen in den Final. Wir auch. Auch der Rückkampf wird eine enge Sache.» Hutter ist sich sicher: «Die Freiämter werden ein paar Dinge umstellen. Und sie sind immer für Überraschungen gut.» Beispielsweise könnte der Schwinger Nick Alpiger auflaufen, der seit Wochen mit der RS Freiamt trainiert. «Vor Alpiger haben wir keine Angst. Wir wären darauf vorbereitet. Alpiger hat in seiner Ringerkarriere erst einen Kampf gemacht», so Kriessern-Trainer Hutter.
Dieser einzige Einsatz von Alpiger war im Oktober 2021. Der Eidgenosse gewann im 130-kg-Freistil gegen Noel Hutter 14:4. Der Gegner hiess Kriessern. --spr