Abseits der Komfortzone
15.11.2022 WohlenVolkshochschule Region Wohlen: Der lange Weg von Bruno Hufschmid zum Gipfel des Mount Everest
Als erster Aargauer bestieg Bruno Hufschmid 2017 den Mount Everest mit seinen 8848 Metern. Zahlreiche Geschichten prägen diesen Berg. Die Volkshochschule Region Wohlen lud ...
Volkshochschule Region Wohlen: Der lange Weg von Bruno Hufschmid zum Gipfel des Mount Everest
Als erster Aargauer bestieg Bruno Hufschmid 2017 den Mount Everest mit seinen 8848 Metern. Zahlreiche Geschichten prägen diesen Berg. Die Volkshochschule Region Wohlen lud Hufschmid ein, seine Geschichte zu erzählen.
Monica Rast
Der 62-jährige Familienvater von vier erwachsenen Kindern aus Bellikon ist schon durch seine Arbeit viel in der Natur, doch Bergsteigen war lange kein Thema. Bis sein ältester Sohn David aus einem Lager in der Lenzerheide zurückkam und meinte: «Es wäre doch mal was, einen Berg zu besteigen.» Gesagt, getan und eine Woche später packten sie ihren Rucksack und machten sich um vier Uhr morgens auf den Weg Richtung Lenzerhorn und standen um sieben Uhr bereits auf dem Gipfel. Der Moment war so berauschend, dass sie gleich noch einen Berg bestiegen. Das hatte bei den zwei Männern etwas ausgelöst und schon bei der Heimfahrt schmiedete man Pläne für die nächsten Besteigungen.
Die Kunstturner liebäugelten mit einem 4000er und trainierten in einer Indoorhalle das Klettern und zwei Monate später standen sie bereits auf dem Eiger und einen Tag später auf der Jungfrau. «Es war einfach schön, so etwas mit dem Sohn erleben zu dürfen», meint Bruno Hufschmid in seiner Erzählung. Von da an liess ihn das Bergsteigen nicht mehr los und er nahm weitere 4000er in Angriff. Zwischenzeitlich sind es 45 von den 48Bergen in der Schweiz.
Wenn man auf einem 4000er stand, möchte man noch höher. «Es war wie eine Sucht», meint er, «man will einfach noch höher und höher.» So ging es 2005 nach Südamerika auf den Aconcagua (6962 Meter). Ein Jahr später der Kilimandscharo (5895Meter), der technisch eher schwieriger war. Für Hufschmid war es vor allem ein Herantasten an die ungewöhnliche Höhe, die er aber vertrug. 2007 entschied er sich, zum ersten Mal einen 8000er zu besteigen. Es gibt weltweit 14 dieser extrem hohen Berge. «Die sind eine ganz andere Liga.»
Über die Firma Kobler und Partner buchte Hufschmid den Cho Oyu (8188Meter) und konnte ihn tatsächlich ohne grosse Probleme und ohne zusätzlichen Sauerstoff besteigen. Vom anfänglich 14-köpfigen Team standen am Schluss noch drei, inklusive Hufschmid, auf dem Gipfel. Bei Minusgraden hat man die Komfortzone schon lange verlassen und Erfrierungen an Nase und Fingern sind keine Seltenheit.
Als er auf dem Cho Oyu stand, sah er die Silhouette des rund 20Kilometer entfernten Mount Everest. «Damals war die Besteigung noch eine Vision», meint er. Besteigungen waren nur im Frühling (März, April, Mai) möglich und für den Gartenbauunternehmer zu dieser Zeit nicht möglich.
Vor fünf Jahren hatte Hufschmid das Privileg, dass sein Sohn Pascal in den Betrieb kam und er sich für seine Besteigung des Mount Everest, wiederum bei Kobler und Partner, anmelden konnte.
Ein langer Weg
Hufschmid wollte gut vorbereitet sein und absolvierte rund sechs Trainingseinheiten pro Woche in verschiedenen Sportarten wie Lauftraining, Eisklettern in Pontresina, Fitness und Mentaltraining. «Ich wollte mich top vorbereiten.» Neben dem Training brauchte auch die Ausrüstung ein spezielles Augenmerk. Von Daunenanzügen bis zu speziellen Expeditionsschuhen beträgt das Gewicht des Materials rund 50 Kilogramm. Hinzu kamen noch rund 28 Kilogramm Kameramaterial, das Hufschmid mitnahm. Da Fotografieren ein weiteres Hobby von ihm ist, musste die Kamera einfach mit.
Er besuchte Nepal schon mehrmals vor der Expedition und entschied sich für die Route über die Nordseite auf nepalesischem Boden, da die Südseite, auf chinesischem Boden, immer überfüllt ist. Die Anreise ging über die Millionenstadt Kathmandu, die Hauptstadt von Nepal, nach Lhasa. Beim Flug nach Lhasa sah man den Gipfel des Mount Everest. «Da geht der Puls schon ein wenig in die Höhe und es geht einem viel durch den Kopf», erzählt Hufschmid, der mit einer Gruppe Gleichgesinnter unterwegs war. Rund zweieinhalb Monate war das Expeditionsteam unterwegs mit dem Ziel, den Mount Everest zu besteigen. Mit 8848 Metern Höhe als das Dach der Welt bekannt.
Eine Zeit lang bewegte sich die Gruppe auf 5000 Metern Höhe, um sich zu akklimatisieren, und kam Mitte April im Base-Camp an. Das erste Kennenlernen mit den Sherpas und Yaktreibern, die rund sieben Tonnen Material ins Advanced Base-Camp verschoben, fand statt. Von dort aus wurden verschiedene Routen zur Vorbereitung geplant. Jeden zweiten Tag stieg man mit Akklimatisierungs-Touren auf über 6000 Meter, übte das Abseilen und den Umgang mit Steigeisen. «Damit wir alles im Griff hatten, da das Gehirn bei solcher Höhe nicht arbeitet wie gewohnt.»
Warten auf den passenden Moment
Über 6000 Metern bemerkten die Teilnehmenden, dass man aus der Komfortzone hinausging. Man war müde, musste sich übergeben, hatte Kopfschmerzen und man schlief schlecht. «Man weiss, dass das dazugehört», bemerkt Hufschmid, dem es im Vergleich zu anderen besser ging. Mitte Mai war man bereit für den Aufstieg. «Doch der Berg wollte uns noch nicht», erklärt Hufschmid.
Oben windete es zu stark, sodass eine Besteigung nicht infrage kam. So hiess es die schlechte Wetterfront aussitzen und man stieg zurück ins Basislager. Für Hufschmid war die Wartezeit zermürbend. Das Zeitfenster wurde immer kleiner. Am 22. Mai 2017 kam dann die Erlösung. In einer Zeremonie wurde alles und jeder gesegnet. «Dies gehört einfach dazu.» Jedem Bergsteiger wurde ein Sherpa zugeteilt, ohne sie würde man den Everest nicht besteigen können. «Sie sind die wahren Helden», ist sich Hufschmid sicher. Die Sherpas gehen voraus und setzen das Fixseil, das sich wie eine Nabelschnur zum Gipfel zieht.
Von Emotionen durchströmt
Der Mount Everest ist eine Herausforderung, die schon viele das Leben gekostet hat. Der Aufstieg ist eine sehr teure Angelegenheit, aber auch eine Bergung würde ins Geld gehen, weshalb viele Familien ihre Angehörigen dem Berg überlassen. So treffen die Bergsteiger öfter auf Leichen, die gleich neben dem Weg liegen. «Wichtig ist es, dass man sich dadurch nicht ablenken lässt.» Bei einigen Schlüsselstellen braucht es enorme Konzentration. Beim Aufstieg zum Gipfel war das Wetter nicht optimal, es schneite und windete immer noch.
Dann kam der langersehnte Moment nach fünf Jahren Vorbereitung. Um 4.30 Uhr stand Hufschmid am 27. Mai 2017 mit einem wunderbaren Gefühl auf dem Gipfel. Doch der Aufstieg war nur die Hälfte, nun ging es an den Abstieg. Nach Absprache mit seinem Sherpa nahm er den Abstieg alleine in Angriff. Es war noch einmal volle Konzentration gefragt, da weitere Bergsteiger ihm entgegenkamen.
Neben den spannenden Ausführungen von Hufschmid waren vor allem die Bilder beeindruckend. «Es stellen sich bei mir immer wieder die Haare auf, wenn ich die Bilder sehe», meint der Fotograf, was die zahlreichen Anwesenden im Schlössli nachvollziehen konnten.
Bruno Hufschmid geht nach wie vor in die Schweizer Berge und möchte die restlichen drei 4000er noch besteigen. Erst dann ist seine Sammlung komplett.