Alle Sinne ansprechen

  02.10.2020 Mutschellen

Nach 16 Jahren gibt Evelyne Brader die Leitung des Jugendtheaters ab

Die Proben haben begonnen, Kostüme und Bühnenbild sind in Arbeit – doch «Der Zauberlehrling» wird nicht aufgeführt im kommenden November. Somit endet das Engagement von Regisseurin Evelyne Brader nach 16 Jahren ohne Schlussapplaus.

Erika Obrist

«Wer den Theatervirus einmal in sich trägt, der wird ihn nicht mehr los», weiss Evelyne Brader aus eigener Erfahrung. Bei ihr wurde er schon während der Schulzeit eingepflanzt. Sie hätten jeweils Geschichten schreiben müssen, die auch ein Theater sein könnten, blickt sie zurück. Die beste Geschichte wurde ausgewählt und mit dem Lehrer zusammen für die Bühne umgeschrieben. «Ich habe immer gewonnen.» Das Stück sei jeweils am Samstagmorgen einstudiert worden.

Auch in ihrer Zeit bei Jungwacht und Blauring hat Evelyne Brader Theater gespielt. Vor 16 Jahren ist sie dann zum Jugendtheater Widen gestossen. «Stücke für Kindertheater sind hauptrollenlastig», weiss sie. Zwei bis drei Kinder spielen die Handlung, die anderen verkörpern Blumen, Tiere oder Bäume. Das hat ihr nicht zugesagt, sollen doch im Theater alle Kinder ihre Fähigkeiten einbringen können. Also hat sie die Stücke so umgeschrieben, dass möglichst viele Kinder das Stück mitgestalten und mittragen. «So lässt sich die Last auf viele Schultern verteilen.»

Ein visueller Mensch

Jedes Jahr bringt das im Jahr 1992 gegründete Jugendtheater ein Stück auf die Bühne. «Ich habe immer lizenzfreie Werke gesucht und sie für die dreissig Kinder und Jugendlichen umgeschrieben», erklärt die Leiterin. Sie müsse eine Geschichte nur einmal lesen «und schon entwickeln sich Bilder dazu in meinem Kopf». Bilder für die mögliche Umsetzung, Bühnenbild, Kostüme. «Ich bin ein visueller Mensch», sagt die erfolgreiche Künstlerin und Galeristin. Sie möchte mit ihren Inszenierungen alle Sinne ansprechen. «Am liebsten würde ich auch Gerüche einsetzen.» Zum Beispiel der Geruch nach Kerosin, wenn das Flugzeug des «kleinen Prinzen» abhebt.

Mit der Übernahme der Leitung des Jugendtheaters hat sich Evelyne Brader vertieft mit der Regie und dem Theater auseinandergesetzt. Die Protagonisten vorstellen, die Geschichte erzählen und am liebsten mit einem Happy End abschliessen. Tönt einfach. Die Umsetzung ist eine Kunst.

Risiko zu gross

Mit Kindern ein Stück einzustudieren sei einfacher als mit Erwachsenen, so Evelyne Brader, die auch am Theater Bünzen als Regisseurin erfolgreich war. «Kinder vergessen den Text nicht.» Trotzdem sei die Erarbeitung eines Stücks jedes Jahr eine Bergtour. «Wir wollen miteinander auf den Gipfel, doch unterwegs stehen einige Hindernisse im Weg, die es zu überwinden gilt.» Umso schöner seien dann die Aufführungen mit dem Applaus des Publikums.

Kommenden November wollte das Jugendtheater den «Zauberlehrling» von Johann Wolfgang von Goethe aufführen. Die Rollen wurden verteilt, die Proben in Angriff genommen. Bühnenbild und Kostüme sind in Arbeit. Dann der Entscheid: Absage der Aufführungen wegen Corona. Nicht zu verantworten. Damit entfällt auch eine spezielle Geburtsfeier: Evelyne Brader hätte ihren 50. Geburtstag an der Aufführung feiern können – und ihren Abschied vom Jugendtheater mit einer sicherlich erneut glanzvollen Inszenierung. Als Ersatz soll es eine kleine Aufführung für die Eltern geben. Nicht der geplante «Zauberlehrling», sondern etwas, bei dem die kleineren und grösseren Kinder ihr Talent zeigen können.

«Ein tolles Team»

Sie habe bereits vor einem Jahr bekannt gegeben, dass sie kommenden November aufhören wird. Ihre Nachfolgerin Denise Dünki hat beim «Zauberlehrling» bereits mitgewirkt. Eine unglaublich schöne Zeit sei es gewesen, so Evelyne Brader. Tolle Erlebnisse, die ihr zu Herzen gegangen sind. Viele kleine Geschichten, die Freude machten. «Ich hatte ein tolles Team», lobt sie alle, die mitgeholfen haben, das Jugendtheater so erfolgreich zu machen. Gefreut hat sie besonders, dass viele Ehemalige dem Theater in irgendeiner Weise treu geblieben sind. An Laien- und Profibühnen. Sei es in der Technik, der Maske, dem Bühnenbild oder als Schauspielerinnen und Schauspieler.

Auf die Kunst setzen

Im November also ist Schluss mit der Leitung des Jugendtheaters. Evelyne Brader wird dann vermehrt auf die Kunst setzen. Sie führt eine Galerie in Widen und in St. Moritz. Ihre Werke sind in diversen Ländern auf der halben Welt ausgestellt und in wichtigen Galerien zu sehen. «Nun bin ich zeitlich so flexibel, um das anzunehmen, was kommt.»


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