Alles bereit zum Abheben
19.07.2024 WohlenIm Winterquartier des Monti laufen die Probearbeiten auf Hochtouren
Das Jubiläum «40 Jahre Circus Monti» wird mit einem Fest in der Manege zelebriert. Bevor am 9. August dann alles glänzt und gelingt, gibt es im Vorfeld viel Arbeit. Dabei sind alle ...
Im Winterquartier des Monti laufen die Probearbeiten auf Hochtouren
Das Jubiläum «40 Jahre Circus Monti» wird mit einem Fest in der Manege zelebriert. Bevor am 9. August dann alles glänzt und gelingt, gibt es im Vorfeld viel Arbeit. Dabei sind alle gefordert – von den Artisten bis zur Köchin.
Chregi Hansen
Er ist der ruhende Pol in diesem riesigen Ameisenhaufen. Stefan Gfeller, seit sage und schreibe 22 Jahren für die Kommunikation des Wohler Zirkus verantwortlich, führt den Journalisten zu den Orten des Geschehens. Organisiert Gesprächspartner. Verrät spannende Neuigkeiten. Plaudert mit den Artisten. Packt sogar beim Versorgen der Requisiten mit an. Und führt dazwischen wichtige Telefonate.
Nicht zuletzt gelingt es ihm, Direktor Johannes Muntwyler kurz in den Proberaum zu holen. Das ist gar nicht so einfach, denn dieser hat zurzeit viel um die Ohren. «So kurz vor der Premiere gibt es ganz viel zu organisieren. Normalerweise habe ich dafür genug Zeit. Aber weil ich dieses Jahr wieder selbst in der Manage stehe, wird es eben ganz schön stressig», erzählt er. Doch jammern mag er nicht. «Es ist schön, für dieses Jubiläum nochmals zurückzukehren und gemeinsam mit meinen Söhnen Tobias und Mario aufzutreten», schaut er voraus. «Vermutlich ist es das letzte Mal für mich», fügt er lachend an.
Merkur-Areal in einem sehr schlechten Zustand
Es ist spürbar, die kommende Tour ist auch für ihn etwas Besonderes. 40 Jahre Circus Monti – das hätte zur Anfangszeit wohl niemand für möglich gehalten. Doch das Familienunternehmen hat alle Krisen und Schwierigkeiten überwunden und sich zu einer festen Grösse entwickelt. Das liegt auch daran, dass sich die Verantwortlichen nie auf den Lorbeeren ausgeruht haben, sondern sich immer steigern wollen. «Auch dieses Jahr gibt es viele Neuerungen, gerade im technischen Bereich», berichtet der Direktor.
Der Monti investiert viel, damit der Besuch für das Publikum ein besonderes Erlebnis wird. Die eigenen Herausforderungen hat Muntwyler im Griff. Hingegen kämpft er mit Problemen, gegen die er nichts ausrichten kann. Der Boden auf dem Merkur-Areal ist in einem derart schlechten Zustand, dass nur ein Teil der Fläche genutzt werden kann. Die Wohnwagen der Artisten und des Leitungsteams müssen auf dem Isler-Areal platziert werden. «Das ist trotz der Nähe alles andere als optimal», ärgert sich Muntwyler.
Mit Musik Emotionen schaffen
Plötzlich dringen laute Bassakkorde in den Proberaum. Die Band, am Tag zuvor erst aus Polen angereist, hat mit den Proben begonnen. Sehr zur Freude von Komponist Thierry Epiney. Er ist bereits seit mehreren Wochen in Wohlen an der Arbeit, hat insgesamt 36 Stücke komponiert, nun wird die Musik zu einem Ganzen zusammengefügt. «Ich schaue mir die Nummern der Artisten immer ohne Ton an, um nicht beeinflusst zu werden, und schaffe dann meine eigene Klangwelt», berichtet er von seiner Arbeitsweise.
Ziel sei es, einerseits Emotionen zu wecken, aber auch die erzählte Geschichte zu unterstützen. Seine Kompositionen seien anspruchsvoll, gibt er zu, «es reizt mich, an die Grenzen und darüber hinaus zu gehen». Stilistisch will er sich nicht einengen lassen, es gebe verschiedene Handlungsstränge im Programm, die er mit verschiedenen Soundmustern unterstützt. «Ich habe die Musik im Kopf, aber nicht immer funktioniert es so, wie ich es mir vorstelle», sagt der Walliser. Aber es sei spannend, was in diesen zwei Monaten entstehe, er schätzt den Austausch mit den künstlerischen Leitern, den Artisten und den Musikern. Und er freut sich auf die Premiere, wenn seine Arbeit abgeschlossen ist. «Ich werde sicher auch später die eine oder andere Vorstellung besuchen. Aber nicht zur Kontrolle, sondern nur für den Genuss», sagt Epiney.
Immer wieder Neues bieten
Nachdem die Artisten zuvor einzeln, jeder für sich, trainiert haben, wird nun alles vorbereitet für eine erste Nummer. Dazu muss das Gestell für die Russian Cradle weg. «Das ist eine Disziplin, die man nur selten im Zirkus sieht und die es im Monti noch nie gab», strahlt Andreas Muntwyler, der zusammen mit Ulla Tikka und Gerardo Tetilla die künstlerische Leitung hat. Man wolle dem Publikum zum Jubiläum etwas ganz Besonderes bieten. «Viele kommen jedes Jahr wieder. Sie freuen sich, wenn sie Neues sehen können», weiss der jüngere Bruders des Direktors.
Das Programm mit dem poetischen Titel «Weil wir fliegen können!» fügt sich in diesen Wochen zusammen. «Auf den Titel sind wir etwas stolz, den haben wir zu dritt nach langen Brainstormings entwickelt», erzählt Muntwyler. Abheben soll der Monti nach dem Willen der Regie-Teams. Natürlich ist das Jubiläum ein Thema und werden verschiedene Feste in der Manage gefeiert. «Wir beschäftigen uns seit rund einem Jahr mit dem Programm. Es ist schön, jetzt langsam das Resultat zu sehen», so Muntwyler weiter. Doch es gibt noch viel zu tun. Die einzelnen Nummern müssen jetzt zusammengefügt und mit der Musik und dem Licht kombiniert werden. «Wir arbeiten fast rund um die Uhr. Auch am Wochenende, wenn die Artisten frei haben. Es ist eine sehr intensive Zeit. Aber wir haben ein tolles Team und kommen gut voran», freut sich Ulla Tikka.
Massgeschneiderte Kostüme
Tatsächlich wird derzeit an allen Ecken und Enden gearbeitet. So wird diese Woche das Zelt aufgestellt und ab Montag eingerichtet. Das Küchenteam konnte diese Woche einen neuen Küchenwagen in Empfang nehmen. Dafür wurde einer der grossen Zeltanhänger komplett umgebaut und mit einer modernen Gastroküche ausgestattet. Und ganz zuoberst im Winterquartier rattern aktuell die Nähmaschinen, hier entstehen die Kostüme für die Artisten. Auch in diesem Jahr wurden diese von Olivia Grandy entworfen und von ihr und einem fleissigen Näherinnenteam geschneidert.
«Es sind alles Eigenkreationen und massgeschneidert», erklärt Grandy stolz. Wobei es nicht ohne Kompromisse geht. Das Aussehen ist das eine, aber es geht auch um die Beweglichkeit und Sicherheit der Artisten. «Wenn mir einer sagt, er könne nur mit kurzen Hosen auftreten, so kriegt er auch kurze Hosen», erklärt sie. Und es reicht nicht, für alle Beteiligten ein Kostüm zu nähen. «Alle erhalten zwei Exemplare für die eigene Nummer und ein drittes für die Zwischensequenzen», so die Kostümbildnerin. Nun aber muss sie los – die Kleidung der Musiker passt nicht. «Sie haben sich selbst ausgemessen und mir die Angaben geschickt. Aber sie waren offenbar nicht ganz genau beim Messen», erklärt sie lachend.
Selber aktiv bleiben
Inzwischen wird unten eine Clown-Nummer geprobt. Dabei zeigt sich der Vorteil des Dreierteams in der künstlerischen Leitung. Für jeden der drei Artisten gibt es nach dem Durchlauf individuelle Anweisungen. «Es ist schön, so arbeiten zu können», betonen Ulla Tikka und Andreas Muntwyler. Für sie, die sonst in eher kleinen Ensembles unterwegs sind, ist es eine Herausforderung. «Es sind viel mehr Beteiligte als sonst, die wir koordinieren müssen. Das ist sehr anspruchsvoll, aber macht auch Spass», sagt Ulla Tikka.
Trotz der vielen Arbeiten achte man darauf, jeden Morgen selbst etwas zu trainieren. Schliesslich sind die drei selber Artisten und treten mit dem eigenen Programm im September am Atoll-Festival in Karlsruhe auf. «Zudem tut es gut, auch körperlich etwas zu leisten. Ich bin es mir nicht gewohnt, den ganzen Tag zu sitzen», sagt Tikka. Doch jetzt ist erst einmal Mittagspause. Und kehrt für einige Minuten Ruhe ein im Winterquartier.
Noch bleiben drei Wochen, um das Programm zu perfektionieren. Dann erfolgt der Start zur Jubiläumssaison. «Man spürt schon, dass es etwas Besonderes ist», sagt Stefan Gfeller bei der Verabschiedung. Es ist das leise Kribbeln wie vor dem Start eines Flugzeugs. Und schon bald geht es in die Luft, soll «Weil wir fliegen können!» so richtig abheben. Und dass der Circus Monti bereit ist für neue Höhenflüge, daran zweifelt niemand. Den gelungenen Start kann vermutlich nicht mal der schlechte Boden auf dem Merkur-Areal verhindern.
Die Premiere in Wohlen findet am Freitag, 9. August, 20 Uhr, statt. Weitere Vorstellen: Samstag, 10. August, 15 und 20 Uhr. Sonntag, 11. August, 14 Uhr. Infos und Vorverkauf unter www.circus-monti.ch.