In andere Welten tauchen

  26.02.2021 Bünzen

Im letzten Sommer veröffentlichte die Bünzer Autorin Khe Rubin ihren ersten Roman

Schreiben ist ihre grosse Leidenschaft. Diese lebt Khe Rubin als Hobby aus. Im Sommer erschien ihr erster Roman «Leviathans letzter Tanz im Zureichsee». Im Zentrum steht dabei eine aztekische Urschokolade. Die Geschichte ist fiktiv, die Themen aber breit, von jüdischer Mystik bis zum Kapitalismus.

Annemarie Keusch

Khe Rubin heisst nicht wirklich Khe Rubin. Sie publiziert nur unter diesem Synonym. «Mit meinem Beruf lässt sich das Schreiben von Kurzgeschichten und Romanen nicht gut verbinden», sagt die 55-Jährige. Sie ist seit rund sechs Jahren im Asylwesen tätig. «Für mich war von Anfang an klar, dass ich deswegen nicht unter meinem richtigen Namen publiziere», sagt sie. Die berufliche und die literarische Seite ihres Lebens will sie so gut es geht voneinander trennen. Wie sie auf Khe Rubin gekommen ist. «Ein scherzhaftes Wortspiel mit dem Begriff Kerubim für Engel.»

Kurzgeschichten, sie sind das Paradegebiet der Autorin. Seit Jahren schreibt sie ganz viele davon. Einige publizierte sie in Anthologien wie «Friseurgeschichten». Mit «Leviathans letzter Tanz im Zureichsee» hat sie vor einigen Monaten ihren ersten Roman publiziert. «Dank den Kurzgeschichten kam ich in Kontakt mit Verlagen und konnte mir so diesen Traum erfüllen.» Auch der Roman war anfänglich eine Kurzgeschichte, die sie über Monate und Jahre zu einem gut 200 Seiten zählenden Buch ausgearbeitet hat.

Rund um die aztekische Urschokolade

Das Schreiben ist seit Kindsbeinen an die Leidenschaft von Khe Rubin. Als Teenagerin schon begann sie, Tagebuch zu schreiben. «Das mache ich immer noch – mittlerweile mit meinem Mann», sagt sie. Die Idee, einen Roman zu veröffentlichen, trug sie schon vor zehn Jahren in sich. Warum die Publikation erst im letzten Sommer folgte? «Es kam eben immer wieder etwas dazwischen.» Beispielsweise eine berufliche Weiterbildung. Die studierte Psychologin absolvierte ein Zweitstudium mit Bachelor in Kulturwissenschaften sowie Master in Judaistik und Geschichte. Auch der Hauskauf und -umbau brauchte Zeit. «Um richtig zu schreiben, muss ich eine fixe Struktur haben, mindestens einen halben Tag pro Woche dafür reservieren können», sagt Khe Rubin.

Diese Zeit genommen hat sie sich im letzten Jahr immer wieder. Ideen für die Geschichten findet sie überall. «Man muss sich nur darauf einlassen, dann fliegen sie einem zu», sagt die Autorin. Die Idee der aztekischen Urschokolade, um die sich ihr Erstlingswerk dreht, kam ursprünglich von ihrem Mann. Diese Urschokolade wird im Buch von der jungen Leona Teoti im Museum gestohlen, weil sie nicht länger bereit ist, ihre Existenz in einer von brachialer Gewalt und kapitalistischen Ungerechtigkeiten beherrschten Welt zu akzeptieren. Durch den Verzehr der Schokolade erhofft sie sich, Zutritt zu einer vom Bösen befreiten, mystischen Welt zu erlangen. Nur, just als sie die Schokolade verzehren will, taucht ihr Feind, der Vizepräsident der Nationalistischen Partei der Schweiz, auf.

Zürich – zu reich

Ob jüdische Mystik oder Kapitalismuskritik. Wenn die Geschichte auch rein fiktiv ist, will Khe Rubin damit Botschaften transportieren. Was schon beim Blick auf den Buchdeckel auffällt: Sie schreibt Zureich und nicht Zürich. «Nein, kein Druckfehler», sagt sie und lacht. Vielmehr ist es als Wortspiel zu verstehen, das auf die Wohlgrot-Jugendbewegung zurückgeht. «Zureich» war die legendäre Überschrift damals. «Ich war nicht Teil dieser Jugendbewegung, gar nicht, aber der Begriff passt bestens zum Thema Kapitalismus.»

Aber kritisch gegenüber der Stadt, in der Khe Rubin, die an der Zürcher Goldküste aufwuchs, zwanzig Jahre lang lebte, ist sie durchaus. «Zu reich passt. Alles wird immer schicker, moderner, steriler.»

Per Zufall nach Bünzen

Ob ihr Buch ankommt oder nicht, kann Khe Rubin nur schwer abschätzen. «Die Verkaufszahlen sind sekundär. Ich gehe davon aus, dass meine Literatur nicht massentauglich ist, und ich suche damit kein breites Publikum.» Weiterschreiben will sie auf alle Fälle. «Ich mache das einfach unglaublich gerne. Ich liebe den Umgang mit der Sprache. Zu schreiben ist für mich ein wahres Vergnügen.» Mit Worten etwas zu kreieren, empfinde sie als sehr kreativ. «Man hat die totale Freiheit, vor allem im Vergleich zur wissenschaftlichen Literatur, wo alles belegt sein muss.»

Dass die 55-Jährige mit ihrem Mann seit zehn Jahren in Bünzen lebt, sei Zufall. «Es gefiel uns in Zürich nicht mehr. Es war zu hektisch, überall hatte es so viele Menschen.» Aufs Land, das machte damals den Reiz aus, nur der Anschluss an die öffentlichen Verkehrsmittel war ein Kriterium. Gelandet sind sie in Bünzen und hier haben sie ihr Glück gefunden, seit Sommer im eigenen Haus. «In zwei Minuten auf offenem Feld zu sein, ist unglaubliche Lebensqualität.» Und sie schätzt auch das Unspektakuläre an der Region, «das heimlich Schöne».

Stricken und Trompete spielen, und, und, und

Das Schreiben ist Khe Rubins grosse Leidenschaft. Die grösste? «Ich will mich nicht entscheiden», sagt sie. Denn sie strickt fürs Leben gern. Jacken, Pullover, ihr halber Schrank sei voll damit. «Wenn ich will, dann stricke ich in jeder freien Minute, als ob es kein Halten mehr gibt.» Ob sie lieber strickt oder schreibt? «Am liebsten beides gleichzeitig.» Und als wärs nicht genug, nennt Khe Rubin auch das Trompetenspielen als ihr Hobby. Und Tanzen. Und Joggen. Und Yoga. Und Fremdsprachen. «Ich würde gerne noch mehr Neugriechisch und Hebräisch lernen. Wenn ich Zeit hätte.»

Zudem hat sie ein neues Schreibprojekt in petto. Sie will einen kleinen Teil ihrer vielen Kurzgeschichten in einem eigenen Kurzgeschichtenband veröffentlichen. «Nein, langweilig wird es mir ganz sicher nicht.»


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