«Anpassung an die Realität»
27.06.2025 Wohlen, EinwohnerratAlle fünf beantragten Stellenerhöhungen wurden genehmigt
Wohlens Verwaltung, Schule und Polizei braucht mehr Arbeitskräfte. Das sieht auch das Dorfparlament so. Einzig die SVP schlug kritische Töne an. Und die SP-Präsidentin verlangt, dass ...
Alle fünf beantragten Stellenerhöhungen wurden genehmigt
Wohlens Verwaltung, Schule und Polizei braucht mehr Arbeitskräfte. Das sieht auch das Dorfparlament so. Einzig die SVP schlug kritische Töne an. Und die SP-Präsidentin verlangt, dass künftig wichtige Fragen gestellt werden.
Daniel Marti
Das Regionale Zivilstandsamt (50 Prozent), die Schulsozialarbeit (80 Prozent), die Regionalpolizei (200 Prozent), die Verwaltung der Musikschule (55 Prozent) und die Fachstelle Umwelt und Energie (60 Prozent) können sich auf Verstärkung freuen. Der Einwohnerrat genehmigte sämtliche vom Gemeinderat beantragten Stellenerhöhungen. Einzig bei der Musikschule und bei der Fachstelle Umwelt und Energie gab es Diskussionen. Die restlichen Pensen wurden einstimmig durchgewinkt.
Anforderungen steigen
Die Debatte selbst verlief weitgehend in geordneten Bahnen. Dies war bei Stellenerhöhungen auch schon anders. Die beantragten Stellen seien eben ein Resultat des Bevölkerungswachstums, sagte Patrick Schmid für die Finanzund Geschäftsprüfungskommission. Und alle Anträge sind gut begründet. Beim Regionalen Zivilstandsamt falle speziell viel Arbeit an, bei der Schulsozialarbeit sei Wohlen nach wie vor unter der kantonalen Empfehlung, «die Regionalpolizei ist unterbesetzt, hier geht es um die Gewährleistung der Sicherheit», die Musikschule geniesse ein hohes Ansehen und die Verwaltung sei seit Bestehen der Schule nie gestärkt worden, und bei der Fachstelle Umwelt und Energie fallen halt mehr Verwaltungsaufgaben an, so die Begründung durch Schmid. Bei der Schulsozialarbeit müsste eigentlich eine noch grössere Stellenerhöhung in Betracht gezogen werden.
«Wohlen wächst», betonte Gemeindeammann Arsène Perroud, «damit steigen die Anforderungen an die Verwaltung und die Ansprüche an die Qualität.» Die Anträge seien sachlich begründet, zwingend und verantwortbar, so Perroud weiter. «Die Aufstockungen sind eine Anpassung an die Realität.»
Perroud nahm auch Stellung zu den einzelnen Erhöhungen. «Die Fälle der Schulsozialarbeit werden immer anspruchsvoller.» Und die Schule Wohlen zählt inzwischen 2400 Schülerinnen und Schüler. Die Erhöhung um 80 Prozent sei moderat. Und die Regionalpolizei sei völlig ausgelastet und müsse vielschichtige Aufgaben meistern. «Der Gemeinderat beantragt alle Stellenerhöhungen mit Augenmass.»
Obwohl letztlich alle Stellenerhöhungen wie beantragt genehmigt wurden, gab es auch Kritik. Die SVP zielte dabei auf die Musikschule, «da reicht eine Erhöhung um 25 Prozent», sagte Roland Büchi, der Rest seien Pensen auf Vorrat. Und die Stellenerhöhung bei der Fachstelle Umwelt und Energie sei ideologisch bedingt. «Wohlen kann sich das alles gar nicht leisten», so Büchi, und der Einwohnerrat könne hier ein Zeichen setzen.
Gegen den Vorwurf der Ideologie wehrte sich Gemeindeammann Arsène Perroud entschieden. Die Fachstelle habe schlichtweg mehr Aufgaben zu leisten. Von Ideologie keine Spur. «Die Abteilung erfüllt gesetzliche Aufgaben.»
Finanzhaushalt: Vom Gewitter zum Orkan
Aber die SVP war weiter auf Oppositionskurs. Wenigstens teilweise. «Alle hier drin sagen, wir müssen sparen», so Peter Christen, «nur wo wollt ihr endlich damit anfangen?» Was die Finanzen angehen, zeichnete er sein eigenes Bild: «Die Gewitterwolken sind längst zu einem Orkan geworden.» Darum sei es längst an der Zeit, in einen Sparkurs einzulenken, auch bei den Stellen der Verwaltung. «Darum gilt hier: Mut zur Lücke.» So einfach sei das nicht, konterte Gemeindeammann Perroud. «Eine Gemeinde muss den politischen Auftrag erfüllen. Wir müssen mehr ausgeben, um unsere Aufgaben zu bewältigen.» Der Gemeinderat kenne die finanzielle Situation sehr wohl. «Darum beantragen wir nur das, was finanziell machbar ist. Zudem steht hier eine langfristige Planung dahinter.»
Und dieser Haltung konnten sich alle Parteien anschliessen, die Volkspartei eben mit Ausnahmen. Bei SP, GLP, Grüne, Mitte waren alle Stellen unbestritten. Die FDP meldete ihre Bedenken erst bei der Musikschule an. Die SP gab wie der FGPK-Sprecher zu bedenken, dass es bei der Schulsozialarbeit auch mehr als die 80 Prozent sein dürfen.
Deutlicher wurde hier Pia Sieroka von den Grünen: Wenn sie die Situation bei der Schulsozialarbeit betrachtet, dann bekomme sie Bauchschmerzen. «Rund ein Drittel der Stellen sind nicht mal besetzt.»
Schulsozialarbeit: Im Moment reicht es
Betreffend Schulsozialarbeit könne man die Eltern besser in die Pflicht nehmen, erklärte Mika Heinsalo für die FDP / Dorfteil Anglikon. Die Situation der Schulsozialarbeit sei mit der Schule besprochen worden, klärte Gemeinderat Roland Vogt auf. «Und im Moment genügen die beantragten 80 Prozent.»
Bei der Musikschule könnte allenfalls der Elternbeitrag erhöht werden, meinte Mika Heinsalo. Konkret wurde da die SVP mit ihrem Änderungsantrag. Sie beantragte eine Kürzung des Pensums von 55 auf 25 Prozent – und war chancenlos mit nur zehn Befürwortern. Gemeinderätin Ariane Gregor gab zu bedenken, dass es seit 2013 keine Stellenerhöhung bei der Schulverwaltung der Musikschule gegeben habe. Und die Belegung hat sich in dieser Zeitspanne nahezu verdoppelt. «Diese Stellenerhöhung ist nicht überflüssig, sondern notwendig», sagte Gregor ganz entschieden.
«Alle Stellenerhöhungen sind ausführlich begründet», sagte Sonja Isler-Rüttimann für die Mitte. «Wäre die Gemeinde auf Rosen gebettet, könnte die Arbeitslast auf der Verwaltung gerne gerechter verteilt werden.» Das ist allerdings nur ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Kurz und bündig argumentierte Matthias Angst für die GLP: «Wir unterstützen alle fünf Bereiche. Die Stellenerhöhungen sind ausgewiesen und personell umsetzbar.» Die Anträge des Gemeinderates seien zudem vernünftig.
«So lösen wir das Problem nicht»
SP warnt: Stellenerhöhungen dürfen nicht zum Automatismus werden
Dann gab es bei der Stellendebatte eine Seltenheit: eine kritische Anmerkung der SP, gerichtet an den SP-Gemeindeammann. SP-Präsidentin Laura Pascolin verwies darauf, «dass es fast jedes Jahr heisst: mehr Aufgaben, mehr Personal». Die Vorlage sei sachlich geschrieben, «aber so lösen wir das Problem der strukturellen Überlastung in der Gemeindeverwaltung nicht», kritisierte sie. Es werde vieles einfach ins nächste Jahr verschoben.
Wichtige Fragen stellen
Mit solchen Fragen beschäftige sie sich beruflich seit drei Jahren. «Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Gemeinden schauen wir uns an, wie zunehmende Belastungen nicht nur operativ, sondern vor allem strategisch bewältigt werden können.» Die Lösung sei nicht immer einfach «mehr Personal». Es geht laut Pascolin um wichtige Fragen: «Was wurde konkret unternommen, um den Personalbedarf überhaupt zu senken? Wurden Abläufe vereinfacht? Hat die Digitalisierung etwas gebracht? Wurden die Aufgaben kritisch hinterfragt – oder einfach übernommen?» Es dürfe nicht sein, «dass Stellenerhöhungen zum Automatismus werden. Das ist auf Dauer weder finanziell noch organisatorisch tragbar.» Ein gutes Beispiel sei die Schulsozialarbeit. Wo sei hier das Konzept, «wie es in den nächsten Jahren weitergehen soll»? Darum soll der Gemeinderat in Zukunft Alternativen analysieren. Und er soll prüfen, «wie wir die Verwaltung zielgerichtet und effizient weiterentwickeln können – statt sie Jahr für Jahr einfach wachsen zu lassen».
Der Einwohnerrat muss laut Laura Pascolin mitgestalten und steuern. «Das Problem müssen wir an der Wurzel anpacken und nicht nur Symptombekämpfung betreiben.»
Vieles davon werde bereits berücksichtigt, versicherte Gemeindeammann Arsène Perroud. «Wir planen nicht ins Blaue hinaus.» Alles sei langfristig ausgerichtet. --dm