Apfel vom Mountainbikeprofi

  10.11.2020 Jonen

Urs Huber erreicht nicht nur auf der Rennstrecke Höchstleistungen

Perfektes Apfelwetter: 2020 wird als überdurchschnittliches Jahr in die Geschichte eingehen. Mountainbikeprofi und Landwirt Urs Huber hat zudem mit geschickter Vorauslese eine sehr hohe Qualität herausgeholt. «Die Ernte ist hervorragend», sagt er. «Das unterirdische Jahr 2017 ist damit vergessen.»

Roger Wetli

Es ist ein kühler Morgen im Spätherbst. Kalt hat Urs Huber deshalb nicht. Als Landwirt und Mountainbikeprofi tritt er jeder Witterung robust entgegen. Stolz steht der athletische Mann in seiner Apfelkultur, die fest verwurzelt aus den gegebenen Umständen das Beste macht. Huber und die Apfelbäume scheinen zu verschmelzen. Die starken Stämme mit ihren nach dem Licht ausgerichteten Ästen und den jetzt abfallenden filigranen Blättern strahlen gleichzeitig Härte und Feinheit aus. Sie sind Sinnbild für einen Sportler, der keine Herausforderung scheut und jeweils besonnen alles gibt.

Wie ein Schachspieler

Für den letzten Kick hilft Urs Huber nach. Er, der einfache Bauernsohn, der mit seinem Talent auf dem Bike aus dem beschaulichen Jonen in die weite und hart umkämpfte Sportwelt hinauszog, um sich zu behaupten. Durchgesetzt haben sich auch seine Bäume. In den letzten zwei Monaten lieferten sie nicht nur 6 Tonnen Tafelund 1,5 Tonnen Mostäpfel ab, sondern dies noch in einer aussergewöhnlichen Qualität. «Die Ernte ist abgeschlossen. Ich bin mit ihr sehr zufrieden», strahlt Huber. «Die Menge ist über dem Durchschnitt, die Süsse die Beste seit drei Jahren.» Er trägt dieses Ergebnis mit Demut. Als Sportler weiss er, dass über Glück und Unglück, Sieg und Niederlage manchmal nur wenige Momente entscheiden.

So war es auch 2017. «Damals haben wir im April in nur zwei Frostnächten drei Viertel der Ernte verloren», erinnert er sich. «Die Apfelblüten sind erfroren.» Als Sportler wie auch Landwirt denkt er aber langfristig. «Man muss den Apfelertrag über mehrere Jahre betrachten, dann liegt auch mal so ein Tiefschlag drin.» Niederlagen wegstecken, sich aufrichten und weitermachen gehört bei ihm zum Leben. Gerade auch dann, wenn er die Rahmenbedingungen nicht mehr beeinflussen kann. «Ich habe gelernt, in solchen Situationen gelassen zu bleiben. Zieht zum Beispiel ein Gewitter mit Hagel auf, kann ich sowieso nichts machen, um meine Apfelkultur zu schützen.» Wie ein Schachspieler bringt er aber in beiden Leben sein Tun in eine ideale Ausgangslage.

Unabhängig bleiben

Urs Huber bewirtschaftet auf 0,5 Hektaren 16 Apfel- und 5 Birnensorten. Der gelernte Landwirt verdient einen Teil seines Einkommens als Marathon-Mountainbike-Profi beim deutschen BULLS-Team. Er ist nicht nur seit über einem Jahrzehnt ein Seriensieger und in seiner Sportart ein Spitzenfahrer, sondern auch mit dem Obst ein Profi. Die Obstplantage auf dem elterlichen Hof ist optimal auf sein «anderes» Leben abgestimmt. «Die Grösse der Apfelplantage ist ideal für mich. So kann ich noch alles selber machen und bin nur bei der Ernte auf die Hilfe meiner Familie angewiesen», erklärt er. Auf dem Rest des Hofes haben seine Eltern Milchkühe sowie Hochstammobstbäume und betreiben Ackerbau. Huber möchte seine Plantage auch nicht vergrössern. «Ich verkaufe meine Äpfel im Hofladen und im Volg Jonen. Dadurch bin ich nicht den Launen eines Grosshändlers oder Grossverteilers ausgesetzt. Ich bleibe also unabhängig», gibt er Einblick in seine Geschäftsstrategie.

Gelagert werden die Äpfel ebenfalls im Hof. Werden die Früchte sonst zum Teil mit Kohlendioxid eingelagert, damit sie länger haltbar sind, reicht Urs Huber ein einfaches Kühllager. «Die lang lagerfähigen Sorten bleiben so bis im Mai frisch», erklärt er. «Das schätzen unsere Stammkunden, um die wir sehr dankbar sind.»

Auf gute Äpfel konzentrieren

Die grosse und gute Apfelernte 2020 verdankt Huber einerseits dem Wetterglück, aber auch seiner eigenen Arbeit. «Im Juni findet das ‹Ausdünnen› statt. Das heisst, dass ich jeden Apfel anschaue, beurteile und ihn ablese, wenn er nicht dem Wunschbild entspricht. Anschliessend konzentrieren sich die Bäume auf das Wachstum der übrig gebliebenen Früchte.» Ist die Witterung nicht ideal, nützt diese Massnahme aber nichts.

Diesbezüglich war heuer ein gutes Jahr. «Wir hatten weder Frost noch Hagel und mussten nicht mal bewässern», freut sich Huber. Der Klimawandel mit höheren Temperaturen und vermehrten Stürmen sei für die Apfelkulturen der Schweiz ein Risiko. «Die Bäume blühen immer früher. Damit steigt das Risiko, dass die Blüten im April erfrieren. Zudem ist es für uns ein neues Phänomen, dass wir in einigen Jahren im Sommer Wasser zuführen müssen», so Huber. Wenn es zu heiss wird, stelle der Baum zudem sein Wachstum ein und die Früchte könnten Sonnenbrand kriegen. Für den Winter wünscht sich der Landwirt zwei Wochen Frost. «Das würde die Schädlinge ein wenig dezimieren. Aber ein Apfeljahr ist wie ein Rennen: Es ist planbar und doch voller Überraschungen.»

Risiken minimieren

Um all diese Risiken zu minimieren und die Kundschaft fast das ganze Jahr mit Äpfeln zu bedienen, setzt Urs Huber auf seine 16 Apfelsorten. Darunter sind Früh-, Herbst- und Lageräpfel. Jeder Sorte hat dabei andere Eigenschaften, was Krankheitsanfälligkeit und Geschmack betrifft. Bei Letzterem richtet sich der Landwirt nach seiner Kundschaft. «Ob süss, säuerlich, gelb, rot, klein oder gross; die Vielfalt der Apfelsorten ist vielfältig wie die Wünsche der Konsumenten. Deshalb versuchen wir jedem etwas zu bieten und neue Trends frühzeitig zu spüren», erklärt er.

Denn einfach schnell eine Sorte wechseln, ist selbst für den durchtrainierten und kräftigen Athleten nicht möglich. «Es dauert rund fünf Jahre, bis ich nach dem Setzen der Bäume nennenswerte Erträge erzielen kann.» Aktuell ersetzt Huber rund einen Fünftel seines Baumbestandes. «Das ist für meine Verhältnisse sehr viel.» Vor 20 Jahren sei «Golden» noch die Lieblingssorte der Kundschaft gewesen. «Heute verkaufe ich davon aber nur noch einen Bruchteil. Es ist ein Randprodukt geworden», so Huber. Die Bäume seien aber noch gesund und ertragreich gewesen. «Es schmerzt deshalb schon ein bisschen.»

Damit in seinem Lager keine Äpfel verfaulen, sind im Hofladen jeweils diejenigen Sorten ausgestellt, die gerade ideal zum Essen sind. Will man sie trotzdem noch ein wenig zu Hause lagern, gibt Urs Huber folgende Tipps: «Man kann sie im Winter draussen lichtgeschützt auf dem Balkon oder im Naturkeller lagern. Zwei bis drei Tage vor dem Verzehr sollte man sie aber in die Wohnung nehmen, damit sich das Aroma durch die Wärme entwickeln kann.» Huber wünscht sich, dass auch seine Kunden das Optimum aus seinen Früchten holen. Man merkt, dass er die Apfelkultur mit derselben Leidenschaft betreibt wie seinen geliebten Mountainbike-Sport. Beides braucht Durchhaltewillen und das Gespür, im richtigen Moment das Entscheidende zu tun. Apfel und Bike verschmelzen bei Urs Huber zu einer Einheit. «Und in beiden Sparten kann ich ernten, was ich zuvor gesät habe», ist er überzeugt.


Preise entwickeln sich erst

Über den ganzen Kanton gesehen war die Apfelernte 2020 auf ähnlich hohem Niveau wie im letzten Jahr. «Die Qualität und die Menge sind grundsätzlich gut», erklärt Daniel Schnegg, zuständig für den Obstbau im Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg. «Im Aargau hatten wir im Vergleich zu anderen Kantonen nur wenige Ausfälle durch Frost.» Auf rund 140 Hektaren werden hier Äpfel produziert. Zu kämpfen hatten einige Sorten mit «Frostzungen», also strichförmigen braunen Verfärbungen, welche die Früchte für die Konsumenten unattraktiv machen. Zudem benötigen die Äpfel länger, um rote Farbe anzunehmen. «Diese Verfärbung wird durch grössere Schwankungen zwischen Tagesund Nachttemperaturen ausgelöst. Diese waren im September aber nur sehr klein», so Schnegg.

Welche Auswirkungen die guten Aargauer Ernten auf den Marktpreis haben, ist für Daniel Schnegg noch nicht ersichtlich. «Die Nachfrage hinkt in der Regel der Ernte nach», erklärt er. «Wenn in privaten Gärten ebenfalls grosse Mengen anfallen, werden diese zuerst selbst konsumiert und an Verwandte und Nachbarn verteilt. Wenn diese Vorräte aufgebraucht sind, steigt die Nachfrage nach Äpfeln merklich an.» Erst dann könne abgeschätzt werden, wie sich die Preise im Grosshandel entwickeln würden. «So weit sind wir aber noch nicht.» --rwi


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote