Auf dem ganzen Erdball
11.08.2023 Merenschwand, Region OberfreiamtSommerserie «Freiämter Produkte»: Paletten und Kisten aus Merenschwand
Seit rund 100 Jahren werden in Merenschwand Kisten produziert. 1994 übernahmen Peter Birrer und seine Frau Marlen Pratter den Traditionsbetrieb. Sie produzieren Kisten nach Bedarf ...
Sommerserie «Freiämter Produkte»: Paletten und Kisten aus Merenschwand
Seit rund 100 Jahren werden in Merenschwand Kisten produziert. 1994 übernahmen Peter Birrer und seine Frau Marlen Pratter den Traditionsbetrieb. Sie produzieren Kisten nach Bedarf und Paletten nach Mass. So können hochsensible Güter sicher verpackt auf allen erdenklichen Wegen um den Erdball transportiert werden.
Susanne Schild
Wenn man die Halle in Merenschwand betritt, steigt einem der Duft von Holz sofort in die Nase. Meterhoch sind Holzpaletten und Kisten gestapelt. In einigen Kisten am Boden sind Tausende von Nägeln gelagert. Es ist laut. Und das, obwohl gerade die meisten Mitarbeiter in den Ferien sind. Pro Tag werden in der Kistenfabrik AG rund 70 Kilogramm Nägel und pro Jahr 5500 Kubikmeter geschnittenes Massivholz verarbeitet. «Das Holz von Fichten und Tannen ist der zentrale Werkstoff für den Bau unserer Kisten und Paletten, ergänzt zu einem kleinen Teil mit Sperrholz», erklärt Peter Birrer. Zusammen mit seiner Frau Marlen Pratter führt er die Kistenfabrik AG in zweiter Generation seit Oktober 1994 als reines Familienunternehmen.
Zeichen der Zeit erkennen
Gegründet wurde das Unternehmen vor über 100 Jahren als Küfereibetrieb. «Damals wurden Most- und Weinfässer hergestellt, später dann Kisten für Obst und Mineralwasserflaschen und sogar Kisten für Bananen. In den Sechzigerjahren wurden die Kisten dann mehr und mehr durch Plastikharassen ersetzt.» 1957 wurde die Fabrik dann von Peter Birrers Eltern, Josef und Emma Birrer, übernommen und in den folgenden Jahren am heutigen Standort laufend ausgebaut.
Heute werden weder Obst noch Mineralwasserf laschen mehr in den Kisten transportiert, sondern unter anderem Maschinenanlagen, die in die ganze Welt exportiert werden. Die Kisten wurden grösser und an den Bedarf angepasst. «Das schwerste Maschinenteil, das je in unsere Kisten verpackt wurde, wog 55 Tonnen. Das ist natürlich eine Ausnahme, aber dass ein Teil bis zu zehn Tonnen wiegt, kommt des Öfteren vor», sagt er.
Man müsse die Zeichen der Zeit erkennen und nutzen, sich gleichzeitig aber auch der Tradition und Nachhaltigkeit verpf lichten, ist Peter Birrer überzeugt. Basierend auf diesen Erfolgsfaktoren entwickelte sich die Kistenfabrik AG über die Jahrzehnte vom Harassen- und Kisten-Fabrikanten zum bedeutenden Verpackungshersteller mit innovativen Verpackungslösungen. Es wird intern und extern beim Kunden verpackt.
Kein Schweizer Käfer verlässt das Land
«Das Fichten- und Tannenholz beziehen wir von langjährigen Lieferanten, Sägereien in der Innerschweiz, dem Aargau sowie dem Berner Oberland, bei Bedarf ergänzt durch kleine Materialbezüge aus dem grenznahen Ausland.» Die Aufteilung auf verschiedene Lieferbetriebe gewährleiste eine hohe Versorgungssicherheit und eine schnelle Lieferung auch bei Spezialdimensionen. «Durch die guten und langjährigen Beziehungen zu den diversen Schweizer Sägereien spürten wir nie die Holzknappheit während der Coronazeit. All unsere Partner sind in der Lage, das für Exportverpackungen vorgeschriebene wärmebehandelte Holz nach ISPM15 zu liefern, und wir selber sind ein vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) zugelassener ISPM-15-Herstellerbetrieb.» Das sei wichtig, denn nur wenn das Holz wärmebehandelt ist, könne sichergestellt werden, dass kein Kleintier, das sich im Holz befindet, über die Landesgrenze transportiert wird.
Innovativ unterwegs
Mit modernen, zum Teil robotergestützten Anlagen und einer grosszügigen Infrastruktur sorgt ein Team von 18 motivierten und bestens qualifizierten Mitarbeitern dafür, dass selbst hochsensible Güter sicher verpackt auf allen erdenklichen Wegen um den Erdball transportiert werden können. Auch Lehrlinge werden in der Kistenfabrik AG ausgebildet. «Leider konnten wir in diesem Jahr die Lehrstelle nicht besetzen», sagt Birrer.
Momentan arbeitet man zusammen mit dem Hightech Zentrum Aargau und Innosuisse, der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung, an einem neuen Projekt. «Ziel ist es hier, die grösseren Paletten in Einzelstücken automatisiert zu fertigen», erklärt Birrer.
Pufferlager sorgt für Flexibilität
Zwischen den Maschinen immer wieder bergeweise Holz. Plötzlich ein Hupen. Ein Gabelstapler, beladen mit Holzbalken, fährt in die Halle. «Draussen haben wir ein grosses Pufferlager. Darin sind alle geläufigen Dimensionen und Qualitäten gelagert. So sind wir jederzeit in der Lage, kurzfristig auf dringende Verpackungsaufträge zu reagieren und unsere Kunden bei Bedarf innerhalb von 24Stunden zu bedienen.»
Wärme für Merenschwand
«Restholz und Schnittabfälle sind bei der Kistenfabrik Merenschwand kein Abfall. Wir verwerten dieses wie auch zurückgenommenes Holz von den Verpackungen unserer Kunden sowie Holzschnitzel aus dem Forstbetrieb Reuss Lindenberg in unserer hauseigenen Heizzentrale zur Erzeugung von Fernwärme für die Gemeinde Merenschwand», sagt Peter Birrer. So werde beispielsweise die Schulanlage oder die Kirche mit der Anlage geheizt. Durch die Erzeugung von Wärmeenergie für das lokale Fernwärmenetz werde der Kreislauf geschlossen und ein sinnvoller Beitrag zu einer effizienten und umweltschonenden Materialverwertung geleistet. «Damit können wir rund 400 000 Liter Heizöl CO¥-neutral substituieren.»
Ausserdem werde in der kommenden Woche eine Photovoltaikanlage auf dem Dach der Fabrik installiert. «So können wir zukünftig auch unseren eigenen Strom produzieren und sind dann zu 100Prozent klimaneutral mit unserer Heizung.»
Nicht nur auf der ganzen Welt sind Kisten aus Merenschwand zu finden. Auch die Kulisse des Freilichttheaters «Amerika» in Muri, das aktuell aufgeführt wird, besteht aus 80 von der Kistenfabrik AG gesponserten Kisten. «Man kann also wirklich sagen, dass wir für jeden die passende Kiste haben», sagt Peter Birrer.