«Bleibe einfach der Franz»
22.07.2022 HägglingenSeit Anfang Jahr ist Franz Schaad neuer Gemeindeammann von Hägglingen – er zieht eine positive Bilanz
Er ist eine Stufe aufgestiegen – vom Vizeammann zum «Amme». Sein Leben hat sich aber nicht komplett verändert. «Es ist in einem Dorf wie Hägglingen wichtig, möglichst alle einzubeziehen», sagt er. Auch wenn man nicht nur immer Lob erhalte.
Chregi Hansen
«Ich glaube, an diesem Abend habe ich meine Feuerprobe bestanden», sagt Franz Schaad und schmunzelt. An der «Gmeind» Ende Juni gingen die Wogen ziemlich hoch. Die vorgesehene Sanierung der Geissmann-Ackermann-Strasse, sie wurde emotional diskutiert. «Wir hatten in den letzten Jahren nur wenige Versammlungen, an welchen es so intensiv zu und her ging», schaut der neue Gemeindeammann zurück.
Für den Unternehmer war es die Premiere als Versammlungsleiter. Nervös war er deswegen nicht. «Ich war gut vorbereitet, wusste, was mich erwartet», sagt er. Denn das Thema wurde im Vorfeld schon mit Leserbriefen beeinf lusst. Darum konnte er auch auf die verschiedenen Anträge reagieren. Und war bereit, die Diskussionen auch mal abzuklemmen. «Ich finde es wichtig, dass man seine Meinung sagen kann. Aber irgendwann sind die Standpunkte klar, dann muss man auch entscheiden», meint er dazu.
Alle Seiten anhören
Gleichzeitig zeigt die Diskussion für ihn ein Problem der heutigen Zeit. «Jeder sieht nur seine Seite», so der gebürtige Solothurner. Er verstehe, dass die Anwohner keine Freude haben, dass sie für das Projekt Land abtreten müssen. Für die Sicherheit gerade für die Betagten und Schulkinder sei es aber nötig, ein Trottoir zu bauen. «Wir als Gemeinderat müssen für das ganze Dorf schauen, wir müssen die Interessen aller im Blick haben», sagt er. Ihm sei es ein Anliegen, alle Seiten anzuhören und zu prüfen. Allen recht machen könne man es aber selten. «Man muss auch akzeptieren, wenn man mal in der Minderheit ist.»
Man muss nicht jedes Mail lesen
Die Leitung der «Gmeind» war für den früheren Kranzschwinger etwas Neues. Ansonsten war er bestens vorbereitet auf das neue Amt. Sein Vorgänger, Urs Bosisio, hat ihn in den letzten zwei Jahren immer wieder miteinbezogen bei seinen Überlegungen und Entscheidungen. Ohne zu wissen, dass Franz Schaad dereinst sein Nachfolger wird. «Wir haben immer sehr gut zusammengearbeitet, davon profitiere ich jetzt», kann Schaad feststellen. Die grösste Veränderung sei, dass er jetzt über alle Ressorts vertieft Bescheid wissen muss, nicht nur über die eigenen. «Auch wenn es mich nicht direkt betrifft, so habe ich am Schluss dennoch die Verantwortung», sagt er.
Damit hat auch die Belastung zugenommen. Der gelernte Schreiner und Betriebsökonom, der seit zwanzig Jahren seine eigene Fensterbaufabrik führt, schätzt das Pensum auf rund 30 Prozent. Aber das sei dank den modernen Kommunikationsmitteln machbar. Vieles lasse sich von unterwegs und telefonisch erledigen. Wobei diese modernen Mittel auch ihre Tücken haben. Es sei enorm, wie viele Mails und Nachrichten er täglich erhalte, berichtet er. Da gelte es auszusieben, sich auf die wichtigen zu konzentrieren. «Alles, was ich nur zur Kenntnisnahme erhalte, lösche ich gleich wieder. Wenn ich nichts zu sagen habe dazu, muss ich es auch nicht lesen», lacht er. Das halte er aber auch im Beruf so. «Man muss seinen Leuten vertrauen können», so Schaad. Und in Hägglingen habe man gute Leute in der Verwaltung, ob - wohl die meisten Teilzeit arbeiten. «Manchmal werden wir belächelt, dass wir zwei Gemeindeschreiberinnen im Job-Sharing haben. Aber wir machen gute Erfahrungen damit. Wir haben weniger Klumpenrisiko, das ist für uns die ideale Lösung.»
Amt nicht gesucht
Franz Schaad ist, das wird im Gespräch deutlich, in seinem neuen Amt angekommen. Das wurde auch dadurch erleichtert, dass es trotz der in Hägglingen unüblichen Kampfwahl zu keiner Missstimmung im Gemeinderat kam. «Peter Wyss hat seine Wahlniederlage mit Grösse akzeptiert, wir arbeiten gut zusammen», sagt er. Und ja, er werde jetzt im Dorf etwas mehr angesprochen, aber es sei nicht so, dass es lästig wird. «Ich arbeite auswärts und bin auch sonst viel unterwegs. Bis man mich persönlich trifft, ist das Problem oft schon gelöst», lacht er. Natürlich müsse er jetzt die Gemeinde repräsentieren, zieht er eher den Anzug an als die kurzen Hosen. «Aber für die meisten im Dorf bin ich einfach der Franz geblieben. Mich kannte man schon vorher, da hat sich nichts verändert.»
Auch wenn er das Amt als Gemeinderat und später als Ammann nicht unbedingt gesucht hat, so setzt er sich gerne für die Gemeinde ein. Franz Schaad lebt seit 28 Jahren in Hägglingen. «Früher dachte ich immer, ich ziehe wieder zurück in meine alte Heimat. Heute muss ich sagen: Hägglingen ist meine Heimat.» Das Amt sei für ihn eine Möglichkeit, dem Dorf etwas zurückzugeben. Den dazu nötigen Aufwand nimmt er gerne auf sich. Und hat dafür sein Engagement an anderen Orten etwas runtergeschraubt. Etwa im Schwingerverband oder im Berufsverband, für die er zuvor sehr aktiv war. Auch im eigenen Geschäft setzt er die Prioritäten heute anders. «Für mich ist das Amt eine Bereicherung. Und der Grossteil der Bevölkerung schätzt unseren Einsatz», sagt er.
Klar sei aber auch, dass er weniger lang Ammann sein wird als sein Vorgänger. Urs Bosisio war 24 Jahre im Gemeinderat, davon 16 an der Spitze. «Ich werde dieses Jahr 60 Jahre alt. Ich bleibe sicher nicht bis 76 im Amt», schmunzelt er. Aber Stand jetzt werde er in drei Jahren nochmals antreten. Nur eine Amtsperiode zu machen, das würde nicht seinem Naturell entsprechen. Überhaupt, die Zeit vergehe so schnell – seit 9 Jahren arbeitet Schaad im Gemeinderat mit. «Als ich damals wegen einer möglichen Kandidatur angefragt wurde, habe ich lange gezögert. Aber ich habe es nie bereut, dass ich zugesagt habe», erklärt er. Auch darum, weil es in diesem Amt um die Sache geht und nicht um Parteipolitik. «Wir sind nicht immer gleicher Meinung im Rat. Und manchmal fliegen auch die Fetzen, das gehört zu einer gesunden Streitkultur. Aber wir können nach jeder Sitzung zusammen ins Restaurant. Wenn das nicht mehr möglich wäre, müsste ich mir mein Engagement überlegen.»
Hägglingen vor grossen Herausforderungen
Und wo liegen die Herausforderungen für das Dorf? Schaad nennt zuerst die Sanierung der Mehrzweckhalle. «Wir bauen im schlechtesten Moment. Wegen des Baubooms haben wir wenig Interessenten für unsere Ausschreibungen und dazu kommen steigende Materialpreise», sagt er. Als Präsident der Baukommission ist er in diesem Projekt sehr gefordert. Daneben steht der Aufbau eines internen Kontrollsystems an. «Es geht darum, das vorhandene Know-how zu bewahren, gewisse Abläufe und Kontrollmechanismen zu dokumentieren. Sonst ist vieles verloren, wenn uns gewisse Angestellte verlassen.» Auch für die Führung der Wasserversorgung und des Wärmeverbundes seien neue Organisationen gefragt. Überhaupt beschäftigt das Problem des Wassers. «Wir müssen in Kürze eines unserer Pumpwerke abschalten. Es laufen jetzt Pumpversuche an einer anderen Stelle. Ob die Vorkommen ergiebig genug sind, muss sich zeigen», erklärt der Gemeindeammann. Und natürlich wolle man den Steuerfuss halten können. Auch das eine ständige Herausforderung.
Franz Schaad gefällt sein Amt. Er mag den Kontakt mit den Menschen in Hägglingen. «Ich bin zwar nicht in einem Verein, aber ich bin an jedem grösseren Anlass mit dabei», sagt er. Auch die Tradition der Sprechstunden hat er von seinem Vorgänger übernommen. Gleichzeitig sei die Arbeit für ihn eine wunderbare Herausforderung. «Wo hat man schon die Möglichkeit, in meinem Alter nochmals etwas Neues zu lernen», sagt er. Alles in allem empfindet er seine Aufgabe als Gemeindeammann als Ehrenamt. Welches er mit grosser Freude und grossem Engagement ausübt. «Weil ich dazu beitragen kann, dass unser Dorf so schön bleibt, wie es ist.»