Botschafter der Musik
25.04.2025 WohlenPianist Nicolas Streichenberg hat seine EU/UK-Tour abgeschlossen und ein neues Album eingespielt
Er spielte letztes Jahr etwa in Mexiko, Schweden, Island, Deutschland und Italien. War für mehrere Woche in Finnland. Es folgten Auftritte in Edinburgh und Berlin. ...
Pianist Nicolas Streichenberg hat seine EU/UK-Tour abgeschlossen und ein neues Album eingespielt
Er spielte letztes Jahr etwa in Mexiko, Schweden, Island, Deutschland und Italien. War für mehrere Woche in Finnland. Es folgten Auftritte in Edinburgh und Berlin. Nicolas Streichenberg alias «Yes It’s Ananias» hat ein aufregendes Jahr hinter sich. «Es hat mich enorm nach vorne gebracht», ist er überzeugt.
Chregi Hansen
Nun ist er also zurück. In Wohlen. Da, wo er seit einigen Jahren lebt. Im Park des Strohmuseums nippt er an seinem Kaffee. Genau hier wird er in Zukunft am Wochenende arbeiten. Nicolas Streichenberg schaut sich um, fühlt sich wohl. «Nach den vielen Reisen bin ich jetzt daran, wieder anzukommen. Mich zu erden. Die Arbeit hier hilft mir dabei», sagt er.
Mit dem Freiämter Strohhandwerk fühlt er eine gewisse Verbundenheit. Es ist filigrane Kunst – ähnlich seiner Musik. Und es gibt noch eine Parallele. Wie die Arbeiter der Strohindustrie wird auch er mit seiner Musik nicht reich. Die Aufnahmen für das neue Album sind zwar gemacht, es fehlt das Geld für die Produktion. Darum wird er nun an den Wochenenden im Team des Strohmuseums arbeiten. Und auch im Risa-Hutladen in Hägglingen. «Es ist schön, dass ich diese Möglichkeit habe», sagt der 35-Jährige, der stets selber einen Hut trägt. Ihn zu einem Markenzeichen gemacht hat.
49 Konzerte in ganz vielen unterschiedlichen Ländern
Dass er nicht von seiner Musik leben kann – das ist einfach so. «Es ist ein Privileg, als Musiker reisen und vor anderen Leuten spielen zu dürfen», sagt er. 17-mal ist er in den vergangenen Monaten zu Auftritten geflogen, dazu kamen Tausende von Kilometern im Zug oder Auto. 49 Auftritte hat er insgesamt gegeben. Er hat neue Länder kennengelernt, neue Menschen. Skandinavien im Sommer wie auch im Winter erlebt. Hat Aufnahmen in Mexiko gemacht und als Vinyl-Album in einer limitierten und inzwischen ausverkaufen Ausgabe veröffentlicht. Ein weiteres Album in Finnland eingespielt und abgemischt, die Veröffentlichung ist für Anfang 2026 geplant. «Das wird komplett anders, weil die Umgebung ganz anders ist», schaut er voraus.
Unter seinem Künstlernamen «Yes It’s Ananias» verarbeitet Streichenberg seine Eindrücke und Erlebnisse in Melodien. Dokumentiert sein Leben audiophil, wie er selber sagt. In Finnland war er auf Einladung von Musiker und Produzent Valtteri Väänänen, der bekannt ist für seine Zusammenarbeit mit Regisseur Aki Kaurismäki. In eisiger Umgebung entstanden die neuen Songs in einem zum Studio umgebauten ehemaligen Stall. Dazwischen trat Streichenberg als Support Act des finnischen Komponisten Teemu Halmkrona auf. Sich mit solchen Künstlern austauschen zu können, das ist für den Wohler extrem wertvoll. So baut er sich ein Netzwerk auf, welches oft zu weiteren Einladungen führt.
Gourmetmenü in der Botschaft
Während seiner Zeit in Finnland kam es auch zu einem Besuch in der Schweizer Botschaft in Helsinki. «Ein Freund hat mir geraten, mich dort zu melden. Die würden gerne Schweizer Künstler unterstützen, wenn sie in Finnland unterwegs sind», erzählt Streichenberg. Tatsächlich empfing ihn Daniel Rüger, Stv. Missionschef in Helsinki, zum Mittagessen in der Botschaft. «Am Tisch auf der Insel Kulosaari in Helsinki zusammen mit den Schweizer Diplomaten von einem französischen Sternekoch umsorgt zu werden, das war ein herrliches Gefühl. Es bestärkte mich und meinen Weg, Musiker zu sein und künstlerische Arbeit zu vollziehen. Rüger war zudem sehr interessiert an mir und meiner Arbeit», so der Musiker. Im kommenden Jahr feiern die Schweiz und Finnland 100 Jahre diplomatische Beziehungen. «Gut möglich, dass ich in diesem Rahmen wieder nach Finnland reise und auftreten kann», schaut Streichenberg voraus.
Finnland war aber nicht der Schlusspunkt seiner Tour. Es folgten weitere Konzerte an besonderen Orten. So spielte der Wohler am International Piano Day im Pianodrome im schottischen Edinburgh, aber auch am Saturday’s Sanctum of Sound im MaHalla in Berlin. Beide Orte haben grossen Eindruck auf ihn gemacht. Im Pianodrome sind die Bühne und die Tribünen aus dem Holz von alten Pianos gebaut. Und in Berlin hat Streichenberg nicht nur musiziert, sondern auch gelesen. «Es war ein zwölfstündiges Festival. Und weil ein Slot leer blieb, baten sie mich, zwei statt nur eine Stunde zu spielen.
Das war mir zu viel, darum habe ich in der zweiten Stunde aus einem Buch gelesen, das ich dabei hatte.» Es war «Our Broken Land» des isländischen Musikers Hákon Aðalsteinsson, den Streichenberg auf seiner Skandinavientour kennengelernt hat. «Und wer kam mitten in der Lesung hereinspaziert? Hákon!», erzählt der Wohler Künstler lachend.
Rückkehr in die Vergangenheit
Die Zeit in England nutzte er auch für eine Trip an die englische Südküste, nach Eastbourne. Dort besuchte er seine Gastfamilie aus Jugendzeit. «Hier hat eigentlich alles angefangen», erinnert sich Streichenberg. «Hier habe ich im Laden eine CD gekauft und mir gedacht, wie schön es wäre, wenn in diesem Laden einmal meine Musik verkauft würde.»
Einige Tage verbrachte er auch in London, wo er in den Pubs auf mehrere ältere Rockmusiker traf. Und von ihnen erfuhr, was es heisst, als Musiker alt zu werden. «Man muss bereit sein, Opfer zu bringen für seine Karriere», hat Streichenberg erfahren. Müsse sich stets neuen Herausforderungen stellen. «Man muss raus, sich zeigen. Und auf seine Chance warten. Aber nur wenn man rausgeht, hat man die Chance, einen Brocken Gold zu finden.»
Vorerst keine Konzerte geplant
Gold hat er noch keines gefunden. Dafür viel Inspiration. Und die Überzeugung, dass Kunst wichtig ist für die Menschen. Gerade in den heutigen, schwierigen Zeiten, hier kann Kultur Trost und Ablenkung bringen. Reich wird er mit seiner Musik sicher nicht, das ist ihm bewusst. «Ich werde nie ein normales bürgerliches Leben führen. Aber ich habe mich für diesen Weg entschieden», sagt er. Er investiert viel Zeit, Energie und auch Geld in seine Kunst. Der Applaus und das Feedback der Zuhörer sind sein Lohn. Darauf muss er vorerst verzichten – in den kommenden Monaten sind keine Konzerte geplant. Er muss sich erst wieder erden. Und das Geld organisieren für die Plattenproduktion. «Ich habe keinen Agenten, der das für mich erledigt. Ich muss aller selber machen», sagt er. Und trotzdem, er möchte kein anderes Leben. «Unterwegs sein und spielen zu können, das ist mein Ding», wiederholt Nicolas Streichenberg zum Schluss. Und wohin die Reisen ihn noch führen, das lässt er sich bewusst offen.