Bucher der Starkommentator

  24.11.2020 Ringen

Ringen, Nationalliga A, Halbfinal-Rückkampf: RS Freiamt – RR Einsiedeln 24:16 (12:8)

Die RS Freiamt gewinnt einen unspektakulären Rückkampf gegen Einsiedeln und zieht delnitiv in den Final gegen Willisau ein. Vom Abend bleiben in erster Linie die ungewöhnliche Atmosphäre und Reto Bucher als Live-Kommentator in Erinnerung.

Josip Lasic

Reto Bucher wirkt wie die Coolness in Person. Er sitzt ruhig und konzentriert am Speakerpult in der Bachmattenhalle. So wie er es schon unzählige Male getan hat. Wie bei jedem Heimkampf der RS Freiamt ist er auch im Halbfinalrückkampf seines Teams gegen Einsiedeln der Hallenspeaker. An diesem Abend rückt er aber speziell in den Fokus. Der 38-Jährige ist Live-Kommentator beim Livestream des Kampfes. Mit den Technikern, die für die Übertragung zuständig sind, sieht er sich alles noch einmal an. Es soll alles reibungslos verlaufen.

Wie der Olympiateilnehmer von 2004 in Athen verrät, war er nicht so cool, wie er nach aussen schien, sondern durchaus etwas nervös. «Es war extrem komisch zu kommentieren. Total etwas anderes», erzählt er. Coronabedingt sind keine Zuschauer vor Ort zugelassen. Die treuen Fans lassen die RS Freiamt aber nicht im Stich. Für 10 Franken kann man sich im Internet zuschalten. Der Erlös kommt den Freiämtern zugute, denen die Eintrittspreise und die Beizeinnahmen ohne Zuschauer entgehen. Rund 200 Computer und Fernsehgeräte waren zugeschaltet.

An all diesen Geräten schauen die Leute den Kampf und hören Bucher zu. Die 67 Anwesenden in der Bachmattenhalle bemerken nichts von seiner Zusatzaufgabe. Sie hören seine gewohnten Ansagen in der Halle. Was man vor Ort nicht hört: Bucher switcht jeweils zu einem zweiten Mikrofon und kommentiert dort das Geschehen. Sieht man sich die Wiederholung des Kampfes an, stellt man fest, dass der Olympionike einen guten Job macht. Er kommentiert spannend, fachlich kompetent und verliert nie den Faden. «Mein Problem war gar nicht der Live-Kommentar oder der Wechsel zwischen den Mikros. Es ist eigenartig, wenn man kein Feedback der Zuschauer hat, wenn die Emotionen fehlen.»

«Skurrilster Halbfinal»

Diese Meinung hat der Olympionike nicht exklusiv. «Seltsam.» «Komisch.» Egal, wen man zum Halbfinalrückkampf zwischen Freiamt und Einsiedeln befragt – diese Adjektive werden am häufigsten zur Beschreibung des Abends verwendet. Einsiedeln-Präsident Werner Schönbächler spricht auf der Club-Homepage sogar vom «skurrilsten Play-off-Halbfinal der Schweizer Mannschaftsmeisterschaft». Neben den fehlenden Zuschauern hat der 27:8-Sieg der Freiämter aus dem Hinkampf dafür gesorgt, dass es quasi um nichts mehr geht. Ein Finaleinzug der Schwyzer wäre einem Wunder gleichgekommen.

Dementsprechend gehen die Teams zu Werk. Bei der RS Freiamt werden Nino Leutert, Michael Bucher und Magomed Ayshkanov geschont. Bei Einsiedeln fehlen Yves, Kay und Sven Neyer sowie Michel Schönbächler, Adrian Mazan und Beni Rebholz. Beide Teams geben ihren Talenten eine Chance. Alle zahlen Lehrgeld. Es ist ein Abend der Davids, die von den Goliaths durch Schultersiege und technische Überlegenheit am laufenden Band mit einem 4:0 von der Matte befördert werden. Nur das Duell zwischen Saya Brunner und Oleksandr Golin geht über die komplette Kampfdauer. Routinier Golin bezwingt das Freiämter Talent mit 3:0. Nils Leutert gewinnt sein Duell mit 4:1. Alle anderen Kämpfe enden 4:0. Roman Zurfluh, Christian Zemp, Marc Weber, Pascal Strebel und Joel Meier sind die Freiämter, die mit diesem Ergebnis gewinnen. Colin Brunner und Randy Vock verlieren mit 0:4. Kimi Käppeli kann verletzungsbedingt nicht antreten und verliert ebenfalls forfait mit 0:4.

Vocks überraschende Niederlage, Bucher im Stil eines Profis

Der sportlich herausstechendste Kampf des Abends ist das Duell zwischen Randy Vock und Lars Neyer. Vock führt mit 14:0 und ist auf dem Weg zum 4:0-Sieg durch technische Überlegenheit. Ein Angriff des Freiämters, ein Konter des Einsiedlers und Vock liegt auf dem Rücken. Schultersieg Neyer. Reto Bucher reagiert blitzschnell. «Eine Überraschung bis 70 kg Freistil. Lars Neyer kontert Randy Vock und legt ihn auf den Rücken. Eine Überraschung, wenn nicht die Überraschung des Abends.» Der gesamte Kampf liefert nicht viel Spannung, aber Olympionike Bucher holt heraus, was er kann, wirkt wie ein Profi am Mikro. «Eigentlich war das heute in erster Linie ein Test für uns, wie das Ganze mit dem Streaming läuft», sagt er bescheiden.

Der Abend ist schnell vorbei. 12:8 zur Halbzeit. 24:16 am Schluss. Kampfstart 19 Uhr, Ende um 20.20 Uhr. Um 21 Uhr ist in der Bachmattenhalle nichts mehr davon zu sehen, dass irgendwann ein Ringkampf stattgefunden hat. Alles ist zusammengeräumt. Nur ein paar wenige verbliebene Mitglieder der RS Freiamt unterhalten sich noch. «Ich hätte gerne etwas länger zusammengeräumt», sagt Nicola Küng, Präsident der RS Freiamt. «Ich bin froh, konnten wir diesen ‹Testlauf› machen», sagt Reto Bucher. «Nächste Woche wird es etwas anderes. Gegen Willisau geht es sportlich um etwas. Da werden vermutlich auch mehr Menschen den Livestream verfolgen.» Bucher hat jedenfalls bewiesen, dass er dafür bereit ist.

Freiamt im Final zuerst zu Hause

Am kommenden Samstag findet bereits der erste Finalkampf zwischen den Freiämtern und Willisau statt.

Erneut tritt die RS Freiamt um 19 Uhr in der Bachmattenhalle in Muri an. Eine Woche später, am Samstag, 5. Dezember, hat Titelverteidiger Willisau das Heimrecht. Sollte es zu einem dritten Kampf kommen, hätte das Team Heimrecht, das das bessere Ergebnis in den ersten zwei Kämpfen erzielt hat. Der Ringerverband warnt auf seiner Homepage vor allfälligen Terminverschiebungen: «Wir bitten darum, die Homepage oder Facebook von SwissWrestling hierzu häufiger zu besuchen, da es durch die Corona-Einflüsse noch zu Terminverschiebungen kommen kann!»


TELEGRAMM

Freiamt – Einsiedeln 24:16 (12:8)

Bachmatten, Muri. – 0 Zuschauer. – KR: Jean-Claude Zimmermann. 57 kg Greco: Nils Leutert – Dany Kälin 4:1. 61 kg Freistil: Saya Brunner – Oleksandr Golin 0:3. 65 kg Greco: Colin Brunner – Lorenz Schönbächler 0:4. 70 kg Freistil: Randy Vock – Lars Neyer 0:4. 75 kg Greco: Pascal Strebel – Lukas Schönbächler 4:0. 75 kg Freistil: Joel Meier – Jan Walker 4:0. 80 kg Greco: Marc Weber – Matthias Käser 4:0. 86 kg Freistil: Kimi Käppeli – Andreas Burkard 0:4. 97 kg Greco: Christian Zemp – Sascha Schmid 4:0. 130 kg Freistil: Roman Zurfluh – Martin Grab 4:0.


«Vielleicht ein Vorteil»

Die Freiämter sind froh um die Erfahrung gegen Einsiedeln

Reto Bucher und Präsident Nicola Küng sind froh, dass die RS Freiamt gegen Einsiedeln ringen durfte. Sie betrachten den Kampf als Testlauf, um zu sehen, wie es ist, ohne Zuschauer zu kämpfen und den Kampf per Livestream zu übertragen. Als Testlauf betrachtet es auch Trainer Marcel Leutert. «Die Kämpfer haben jetzt gesehen, wie es ohne Zuschauer ist. Willisau hatte diese Erfahrung nicht. Vielleicht ist das ein kleiner taktischer Vorteil. In einem engen Final kann jede Kleinigkeit entscheiden.»

Er kommentiert die Leistungen seiner Kämpfer. «Nils darf eigentlich keinen Punkt abgeben. Auch sonst hat man trotz den überlegenen Ergebnissen gesehen, dass noch nicht alle Abläufe stimmen. Gegen Willisau müssen wir noch zwei Schippen drauflegen.» Auch den Lucky Punch, den Lars Neyer gegen Randy Vock landet, analysiert Leutert und zieht seine Lehren für den Final daraus. «Ich weiss nicht, ob sich Randy hätte auskontern lassen, wenn wir Zuschauer gehabt hätten und es noch um etwas gegangen wäre. Er war eine Sekunde unachtsam», sagt Leutert. «Das zeigt, dass der Kampf gegen Einsiedeln für uns eine wichtige Erfahrung war. Wir wissen, dass wir auch bei so einer Kulisse den Fokus keine Sekunde verlieren dürfen.» --jl


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