Das Schiff ist auf Kurs

  06.11.2020 Hermetschwil-Staffeln

Thematsich reich befrachtete Generalversammlung von Verein und Betrieb Kinderheim St. Benedikt Hermetschwil

2019 war ein ereignisreiches Jahr für das Sonderschulheim: Strategieanpassung, Aufbau von zusätzlichen Angeboten, die Aufarbeitung von Übergriffen und die Suche nach einem neuen Gesamtleiter.

André Widmer

Bewusst wollte Regula Jäggi, die Präsidentin des Verein Kinderheim St. Benedikt Hermetschwil, an der Generalversammlung nicht auch noch auf das coronabelastete laufende Jahr eingehen. Denn schliesslich hatte sich die vom Frühjahr auf den November verschobene GV unter anderem mit dem vergangenen Vereinsund Betriebsjahr 2019 zu befassen. Ein reich befrachtetes Jahr war 2019, das wurde an der Versammlung schnell klar.

Auch Mädchen betreuen

In ihrem Jahresbericht wies Regula Jäggi auf den Strategieprozess hin, der die Verantwortlichen des St. Benedikt stark forderte. Dass das Departement für Bildung, Schule und Kultur BKS des Kantons Aargau das Credo «ambulant vor stationär» mantramässig predige, liess sie nicht unerwähnt. Hier hat sich das St. Benedikt auf den Weg gemacht: «In Zukunft braucht es das stationäre Setting weiter, aber die Strukturen müssen durchlässiger werden», erklärte Jäggi. Das heisst, dass es neben der ständigen Betreuung im Heim eben auch möglich sein muss, dass die Klienten zum Beispiel nur hier zur Schule kommen, aber in der Familie wohnen bleiben können oder umgekehrt – in die Regelschule gehen, aber im St. Benedikt wohnen.

Die Öffnung hin auch zum Teilstationären sei die Zukunft. Und: Künftig ist es denkbar, dass auch Mädchen im St. Benedikt betreut werden. Denn: «Die ‹Monokultur› ist etwas lebensfremd», so die Präsidentin. Auch die Kooperation mit anderen Institutionen und Einrichtungen ist für die Zukunft wünschenswert. So beispielsweise im Bereich Tierpädagogik oder bei anderen Dienstleistungen. Der Strategieprozess des St. Benedikt ist beim BKS vorgestellt worden und die Reaktion dort war positiv – auch wenn der Kanton keine konkreten Zusagen machte.

Zusatzangebot in Bremgarten

Wichtig dabei auch die Einführung des Angebotes Familienarbeit Leaving Care 3+. Dabei handelt es sich um ein dreijähriges Pilotprojekt, das im Januar dieses Jahres starten konnte. Ein ambulantes Angebot. Dabei soll den Familien bedürfnisgerecht und individuell begegnet werden, aber auch Austretenden beziehungsweise Ausgetretenen Hilfe ausserhalb der Heimmauern angeboten werden. Nicht zuletzt auch darum befinden sich die Räumlichkeiten nicht in Hermetschwil, sondern an der Adresse Augraben 10, einer neuen Wohnüberbauung bei der Bremgarter Unterstadt.

Ebenfalls Erwähnung fand im Jahresbericht auch die Aufarbeitung der etliche Jahre zurückliegenden Übergriffe durch den mittlerweile verstorbenen Pfarrer Thomas Hardegger im St. Benedikt und weiterer Vorfälle. Der Untersuchungsbericht wurde im März vorgelegt. Regula Jäggi verteidigte nochmals das Vorgehen, dass man einen öffentlichen Aufruf gemacht hat, damit sich Betroffene freiwillig melden konnten und nicht, dass man diese direkt angegangen ist. Dies, um nicht alte Wunden bei denjenigen aufzureissen, die damit vielleicht abgeschlossen hätten. «Das wäre undenkbar und falsch gewesen», so Jäggi. Gut sei, dass keine Meldung betreffend der letzten zehn Jahre gemacht wurden. St. Benedikt sieht sich in der Prävention auf dem richtigen Weg. «Das Bewusstsein für die Verletzlichkeit ist gestiegen.»

Neuen Gesamtleiter gefunden

Im letzten Berichtsjahr nahm die Suche nach einer neuen Gesamtleitung die Verantwortlichen ebenfalls in Anspruch. Denn die Pensionierung von Pia Iff, die die letzten sieben Jahre als Gesamtleiterin umsichtig waltete, stand an. Seit diesem August ist nun Philipp Zimmermann in der Pflicht. Mit ihm scheint St. Benedikt die ideale Person gefunden zu haben, führt er doch die unter Iff angestossene Strategie weiter und dürfte eigene Ansätze einbringen. Er verfügt über rund 25 Jahre Erfahrung in diesem Bereich. Unter anderem arbeitete der in Sursee wohnhafte Fachmann im Jugenddorf Knutwil und dem Kinderheim Mariazell. Der neue Gesamtleiter Philipp Zimmermann stellte sich denn auch an der GV persönlich vor. «Ich bin gut eingestiegen, habe ein ganz gutes Team kennengelernt», sagte er. «Schiff ahoi, St. Benedikt ist auf Kurs» ist das Jahresmotto, das man sich gegeben hat. «Wir wollen mit dem Kindern dorthin fahren, wo sie hin wollen», so Zimmermann. «Alles, was wir machen, muss für diese Kinder sein. Die Kinder sind im Fokus», betont er weiter. Allerdings wies er auch auf den Spagat bezüglich des Spardruckes hin.

Doris Stöckli neu im Vorstand

In den Vorstand gewählt wurde Doris Stöckli. Sie ist in Hermetschwil-Staffeln selber wohnhaft und Vizeammann der Stadt Bremgarten. Stöckli ersetzt die zurückgetretene Christina Schifferle. Beschlossen wurde der Kauf der benachbarten Liegenschaft Klostergasse 1 für 980 000 Franken. Diese ergänze das bestehende Areal und lässt dem St. Benedikt gewisse Optionen offen.

Per Ende 2019 zählte das St. Benedikt 60 Angestellte (45,8 Vollzeitäquivalente). Die Anzahl Nächte/Schultage nahm wenig auf 14 322 zu. Die Belegung lag über den gesamten Betrieb gesehen bei 105,7 Prozent. Bei einem Betriebsertrag von 6,59 Millionen Franken und einem Aufwand von 6,32 Millionen Franken betrug das Ergebnis 271 713 Franken. Bei der Rechnung des Vereins wurde unter anderem auf die 169 760 Franken an Spenden und Legaten hingewiesen. Ein Jahr zuvor lag der Betrag um einiges höher, dieses mal gab es weniger Gelder aus Legaten.


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