«De Bünze» geht mit einem Spruch in den Freitod

  24.07.2020 Bünzen

Kurt Blaser ist von dieser Welt gegangen

Er erreicht schon zu Lebzeiten Legendenstatus. Durch seine selbstspielenden Instrumente wird Kurt Blaser aus Bünzen gar weltberühmt. Vor wenigen Tagen ist er gestorben.

Es war der letzte Termin seines Lebens. Am Dienstag, 14. Juli, sind seine Geschwister und der Wohler Marcel Weber dabei, als Kurt Blaser mit Exit von dieser Welt geht. «De Bünze», wie er genannt wird, wählte den Freitod. Die Krebserkrankung bereitete ihm zu viele Schmerzen. Der Freiämter, der die letzten Jahrzehnte in Kloten lebte und mit seinen selbstspielenden Instrumenten weltberühmt wurde, verliess diese Welt mit einem Spruch. «In der riesigen Traurigkeit schenkte er uns mit seiner besonderen Art viel Trost», erzählt Marcel Weber. --spr


Besonderer Mensch, besonderer Tod

Der Bünzer Kurt Blaser ist verstorben – er ging, wie er lebte: Mit einem Spruch

Kurt Blaser oder «de Bünze», wie man ihn nannte. Er ist mit 66 Jahren gestorben. Er wurde bekannt durch seine selbstspielenden Handörgeli. Man kannte ihn auch wegen seiner liebevollen und witzigen Art. Seine letzten Worte an die Dame von Exit waren: «Wenn Sie diesen Job nicht gut machen, werde ich persönlich dafür sorgen, dass Sie morgen entlassen werden.»

Stefan Sprenger

Montagabend, 13. Juli. Kurt Blaser sitzt in seiner Stammkneipe in Kloten. Viele Gäste sind da. «De Bünze» wie er genannt wird, geniesst noch einmal das, was er liebt: gesellig sein, Sprüche klopfen, Spass haben. Er trinkt ein letztes Glas Wein und drückt zum letzten Mal eine Zigarette im Aschenbecher aus. Was nur eine Handvoll Menschen wissen: Kurt Blaser wird nicht mehr wiederkommen.

Am Dienstagmorgen, 14. Juli, 8.59 Uhr, hat er den letzten Termin seines Lebens. Ein wichtiger Termin, meint Kurt. «Da darf ich nicht zu spät kommen.» Kurt Blaser verlässt diese Welt mit Exit. «Es ist mir nun gelungen, ab dem 14. Juli endlich mit dem Rauchen aufzuhören», sagt er auf dem Sterbebett. Blaser, ein lebenslustiger Freiämter, ein Musikliebhaber, ein Unikum, er wollte diese Welt nicht verlassen. Aber seine Krankheit und die Schmerzen zwangen ihn dazu.

Mit dem Moped in die Dorfmusik – dafür gabs zwei Ohrfeigen

Das Leben von Kurt Blaser ist geprägt von Besonderheiten und lustigen Geschichten. Aufgewachsen mit sechs Geschwistern im Quartier Winkel in Bünzen. Fasnacht, Dorftheater, Feste und Vereine – überall war er dabei. Verbunden ist er vor allem mit dem Turnverein.

Man kennt ihn heute noch in der 1000-Seelen-Gemeinde im Oberfreiamt. Einer Legende nach ist er verantwortlich dafür, dass die Dorfmusik auch heute noch bei ihren Konzerten immer um sich blickt, ob Kurt Blaser in der Nähe ist. Was steckt dahinter? Ende der 60er-Jahre: Kurt Blaser, gerade mal 14 Jahre alt, fährt mit seinem Moped mitten in das Konzert der Musikgesellschaft Bünzen. Ungewollt. Passiert ist niemandem etwas. Alle blieben unverletzt. Doch er kassiert noch auf dem Dorfplatz zwei Ohrfeigen für seine Unachtsamkeit.

Von Israel nach Kloten

Blaser lernt Maschinenzeichner, bricht die Lehre im dritten Jahr ab und geht in den Kibbuz nach Israel. Von Israel aus geht es nicht mehr zurück nach Bünzen. Er zieht mit seiner Freundin aus Johannesburg zusammen nach Kloten. Auch wenn die Liebe nach kurzer Zeit weg war, so blieb er Kloten treu. Er wollte nicht mehr nach Bünzen. «Ein Schlafdorf», meint er in einem Interview mit dieser Zeitung im Jahr 2016. «Es ist nur selten etwas los in Bünzen. Ich will aber, dass etwas läuft, dort, wo ich wohne, wie hier in Kloten.» Zu grossen Festen oder Klassenzusammenkünften zieht es ihn zurück in die Freiämter Heimat. Er besitzt auch lange Zeit noch das Elternhaus in Bünzen.

Blaser arbeitet als Liftmonteur und später in der Werbebranche. Als Inserateverkäufer kommt er weit herum, kennt jeden Handwerker, jeden Wirt und jeden Gemeindepräsidenten der Region rund um Kloten. Sein Verkaufstalent ist legendär, genauso wie seine Fähigkeit, viele Menschen auf einem Haufen zu unterhalten. Immer positiv, immer lustig – er nimmt sich selbst dabei nie wirklich ernst. Über sich selbst zu lachen, ist eine seiner herausragendsten Eigenschaften.

Dies schafft er bis zu seinem letzten Atemzug. Es ist Dienstag, 14. Juli, 9 Uhr. In seinem Zuhause in Kloten begleitet ihn Exit in den Freitod. Nur seine Geschwister und sein Freund, der Wohler Marcel Weber, sind auf seinen Wunsch hin anwesend. Marcel Weber, der Bruder von Peach Weber, der selbst eine Karriere als Teilzeit-Comedian führt, erzählt: «Selbst in seinen letzten Minuten machte er noch Sprüche.» Er verabschiedete sich von dieser Welt mit einem Rat an die Dame von Exit: «Wenn Sie diese Arbeit nicht gut erledigen, werde ich mich morgen persönlich über Sie beschweren.» Die lockere Art habe seinen Hinterbliebenen in der grossen Trauer auch grossen Trost gespendet.

Er wurde weltberühmt

Kurt Blaser war ein Unikum. Er erreichte mit einer Geschäftsidee nationalen Bekanntheitsgrad. Ja, man kann sagen, er wurde weltberühmt. 36 Jahre ist es her, dass er seine Idee der selbstspielenden Instrumente umsetzt. Ein «Walkman» wurde in ein leeres Handörgeli eingebaut. Er geht damit in die Beiz, spielt, sorgt für gute Laune. «Nachher wollte es der Wirt abkaufen. Also bauten wir ein neues.» So nimmt das Ganze seinen Lauf. Aus einer Fasnachts-Spassidee wird ein Erfolg. Erst nebenberuflich, später mit eigenem Geschäft. Blaser hat zeitweise mehrere Mitarbeiter. Und weitere Instrumente kommen dazu: Selbstspielende Alphörner, Geigen, Gitarren, Saxofone. Nächtelang ist er in den Beizen – vor allem in Skigebieten – unterwegs und bereitet den Menschen eine Freude. Sein Plan geht auf. Zeitungen porträtieren ihn, TV-Shows berichten über ihn und er verkauft oder vermietet Tausende Instrumente im Laufe der letzten 36 Jahre.

Vor seinem Tod alles organisiert

Und das nicht nur im deutschsprachigen Raum. «Einmal haben wir auch 30 Örgeli auf einmal nach Kanada geliefert», erzählt Blaser im Jahr 2016 stolz. Auch berühmte Persönlichkeiten kaufen ihm ein selbstspielendes Instrument ab. Der amerikanische Schauspieler Larry Hagmann kauft 1991 eine lange Trompete. Er meinte damit ein Alphorn. In Kitzbühel kauft der frühere Skistar Marc Girardelli gleich fünf Handörgeli ab. So einfach, wie es klingt, war sein Geschäft nicht. «Die Herausforderung, immer die neusten Lieder auf den Instrumenten zu haben, sei gross gewesen. Und der Kater am Morgen danach war auch nicht immer angenehm», meinte Blaser.

Auftrag an Weber erteilt

Der Wohler Marcel Weber kennt Kurt Blaser schon mehrere Jahrzehnte. Auch Weber lebte in Kloten – und so fanden sich die beiden Freiämter. «De Bünze», wie er in der Flughafenstadt genannt wurde, hat Weber damit beauftragt, nach seinem Tod alles zu organisieren. Jeder einzelne Beitrag, die Todesanzeigen, die Videos auf Facebook, die Sprüche, die Fotos, das Fest, der Wein, das Essen, die Texte, das Lied über ihn – und so weiter, «das alles hat Kurt zu Lebzeiten bei mir in Auftrag gegeben, gesehen und genehmigt», erzählt Weber, der in den Wochen vor dem Tod von Kurt Blaser jeden Tag mit ihm lange Gespräche führte. «Ich gebe mir Mühe, sein Erbe weiterzutragen.» Weber beschreibt ihn als legendär, als gern gesehenen Menschen, als Person, mit der man gerne Zeit verbrachte und mit der es immer lustig war. «Für mich gehört Kurt Blaser in die Reihe der legendären Schweizer Originale, wie ein Dällebach Kari», so Weber.

Der Würfel-Grossmeister ist nicht mehr

Dienstag, 14. Juli, 9.01 Uhr. Kurt Blaser verlässt diese Welt. Sein Wunsch war es, dass die Menschen nicht trauern um ihn. Sondern dass man Geschichten erzählt über «de Bünze» und lacht. Kurt Blaser, ein Örgeli-Pionier, ein geselliger Mensch, der im Leben stets das Positive sah und der so viel Glück im Spiel hatte, dass man ihn den «Würfel-Grossmeister» nannte, er wählt den Freitod mit Exit. Der Krebs kommt vor 15 Jahren erstmals. Er scheint den Kampf zu gewinnen, doch die Krankheit kommt zurück. Er kämpft lange, doch am Ende sind die Schmerzen zu gross. Kurt Blaser bringt viele Menschen in seinem Leben zum Lachen und sorgt für legendäre Geschichten, die noch jahrzehntelang in Kloten und im Freiamt erzählt werden. Selbst in seinen letzten Minuten klopft er Sprüche und sorgt so für ein bisschen Spass, wo eigentlich der Tod ist. «De Bünze» meint dazu: «Wenn es jemand nicht versteht, dann hat er mich auch nicht gekannt.»


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