Den Graben möglichst kitten
01.03.2024 Boswil, Region OberfreiamtGemeinsam am Lagerfeuer
Offener Austausch zur aktuellen Situation im Pastoralraum Muri und Umgebung
Mit offenen Augen und Ohren wollen die Verantwortlichen des Pastoralraums den Menschen und ihren Bedürfnissen begegnen. Der Anlass in Boswil ...
Gemeinsam am Lagerfeuer
Offener Austausch zur aktuellen Situation im Pastoralraum Muri und Umgebung
Mit offenen Augen und Ohren wollen die Verantwortlichen des Pastoralraums den Menschen und ihren Bedürfnissen begegnen. Der Anlass in Boswil ist erst der Anfang.
Annemarie Keusch
Die einen wollen mehr Eucharistiefeiern, drängen förmlich auf einen zweiten Priester im Pastoralraum. Andere sehnen sich nach noch mehr Öffnung, nach weiteren Ideen, wie die Kirche wachsen kann. Es sind ganz unterschiedliche Bedürfnisse, die aufeinandertrafen.
Hans Hildbrand, Präsident des Kirchgemeindeverbands, betonte: «Alle sind dabei gleich wichtig.» Dass ein Miteinander möglich ist, das sei das oberste Ziel. Und das will man mit dieser ersten öffentlichen und offenen Fragerunde anregen. Pastoralraumleiter Karl Scholz vergleicht die Kirche mit einem Lagerfeuer. «Es gibt jene, die immer da sind, die Holz nachlegen, das Feuer hüten. Und es gibt jene, die nur kurz vorbeikommen, um sich zu wärmen, und nachher wieder gehen.» Beide seien wichtig, für beide soll das Feuer respektive die Kirche da sein.
Im Herbst folgt ein Konzil
Es wird Klartext gesprochen an diesem Abend im Boswiler Pfarrsaal. Es wird auch zwischendurch laut. Ebenfalls gibt es Applaus für einzelne Voten. Vor allem aber ist der erste Schritt gemacht, in dem die verschiedenen Gruppierungen einander zuhören. «Ihr alle seid Kirche, mit euren unterschiedlichsten Bedürfnissen», betonte Karl Scholz. Diese offene Fragerunde soll erst der Anfang sein. Geplant sei ab Herbst ein sogenanntes Pastoralraum-Konzil, um herauszufinden, was die unterschiedlichsten Leute von der Kirche erwarten. Scholz und Hildbrand versprechen: «Wir halten die Augen und Ohren offen.»
Öffentliche Fragerunde des Pastoralraums Muri und Umgebung stiess auf reges Interesse
Die einen schreien nach einem zweiten Priester und mehr Eucharistiefeiern. Andere wollen den Fokus lieber darauf legen, mehr Leute für die Kirche begeistern zu können. «Ich habe Angst, dass wir nicht endlich alle zusammenkommen», sagte eine Frau und traf den Grund der Fragerunde auf den Kopf.
Annemarie Keusch
Sie redet sich fast schon in Rage. Immer wieder ist im Saal ein Nicken zu sehen. Am Schluss gibts Applaus. Ein Lächeln in ihrem Gesicht. Die Frau hat sich getraut, das zu sagen, was scheinbar viele denken. «Klar, Eucharistiefeiern sind wichtig, sie stehen ganz zuoberst in unserem Glauben. Aber müssen wir nicht viel weiter unten anfangen, um etwas zu ändern?» Es gehe doch darum, die Diakonie, das Wort Gottes, das Miteinander zu leben. «Dabei ist die Eucharistie längst nicht das Einzige. Ich weiss, für uns Ältere ist das nicht immer verständlich und ja, es ist eine Entwicklung, die vielleicht auch schmerzt. Aber sind wir die Zukunft des Pastoralraums?» Man müsse sich doch viel mehr überlegen, was die Bedürfnisse der jungen Leute sind. «Sie brauchen den Herrgott genauso wie wir Alten auch.»
Die Eucharistiefeier war tatsächlich einer der zentralen Diskussionspunkte dieses Abends. Und das nicht überraschend, wird vor allem in Muri in einigen Kreisen schon länger nach einem zweiten Priester geschrien. Schnell kam dieses Thema bei der öffentlichen Fragerunde aufs Parkett. «Der fehlende zweite Priester und die Gottesdienstordnung sind die wahren Probleme in unserem Pastoralraum», monierte ein Teilnehmer. Er wolle wissen, was die Verantwortlichen unternehmen, um diesen Priester zu finden. «Ich sehe nirgends eine Stellenausschreibung. Ich habe das Gefühl, ihr unternehmt überhaupt nichts.»
Gespräche mit Bistum laufen
Das liessen Hans Hildbrand, Präsident des Kirchgemeindeverbandes, und Karl Scholz, Pastoralraumleiter, so nicht auf sich sitzen. Und auch Elisabeth Naumann, Personalverantwortliche Kirchgemeindeverband Muri und Umgebung, betonte: «Um zu hören, dass wir nichts machen, sitze ich in zu vielen Sitzungen, wo es genau darum und auch um die Stellenbesetzungen der neuen Vakanzen geht.» Sie seien in Besprechungen mit dem Bistum. «Dort haben wir unser Anliegen platziert. Mehr können wir nicht tun. Es liegt nicht an uns, ein Inserat zu schalten, das macht das Personalamt des Bistums, wenn dies dort so bewilligt wird. Wir sind nicht die Einzigen, die einen Priester wollen, andere Pastoralräume haben keinen einzigen», betonte Hildbrand. Er spricht von einem schwierigen Prozedere, von sorgfältigen Abklärungen, von Abläufen, die eingehalten werden müssen.
Karl Scholz ging auf eine zweite Forderung desselben Kreises, nach mindestens einer Eucharistiefeier pro Wochenende in Muri, ein. «Das können wir zu 95 Prozent einhalten, solange Julius Dsouza leitender Priester ist. Er ist bereit, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Aber da steckt viel mehr dahinter, als eine Stunde lang eine Messe zu lesen. Noch mehr kann er nicht leisten.» Dsouza selber sass auch im Publikum, meldete sich entsprechend zu Wort. «Muri ist vielleicht katholischer als andere Gemeinden. Ich bin damit einverstanden, dass hier mehr Eucharistiefeiern stattfinden. Aber es geht eben nicht, dass wir alle Bedürfnisse gleich gut erfüllen. Ich kann Ihnen sagen, wir versuchen unser Bestes.» Für Scholz ist klar, dass das ständige Nachfragen beim Bistum eine Möglichkeit sei, um allenfalls einen zweiten Priester zu erhalten. «Vielleicht wäre es auch sinnvoll, ein attraktives Umfeld zu bieten, ein wohlwollendes, ein unterstützendes. So kommen Priester gerne und eher zu uns.» Er sei dankbar für die Beharrlichkeit, mit der ein zweiter Priester gewünscht werde. «Aber ich bitte darum, unsere Kirche nicht nur auf die Eucharistie zu verkürzen.»
«Hat Jesus uns das so mitgegeben?»
Der von den einen gewünschte zweite Priester löste viele Voten aus. Etwa die Frage einer angehenden Katechetin, die von vielen Berufskolleginnen weiss, dass es in ihren Pastoralräumen keinen einzigen Priester gibt. «Ich frage euch: Ist es nicht egoistisch, wenn wir einen zweiten fordern, während andere keinen haben? Sind wir denn mehr wert? Hat Jesus uns das so mitgegeben?» Eine Antwort erhielt sie in der direkten Replik keine, dafür am Schluss des Abends von Hans Hildbrand: «Es hilft, genug demütig zu sein, auch um andere Bedürfnisse anzuhören, anzuerkennen. Wenn wir das so einordnen können, dann sind wir gut unterwegs miteinander.»
Eucharistiefeiern seien nicht das einzig selig machende. So formulierte es eine Anwesende. Die Anlässe ausserhalb der Gottesdienste, das Miteinander, das sei doch genauso wichtig. Die Kirche zurück ins Dorf bringen, so nennt es Karl Scholz. «Die Verankerung stärken. Das ist mit der Bildung des Pastoralraums etwas verloren gegangen, überall», sagt Scholz.
Bedürfnisse abholen
Die anderen Bedürfnisse verstehen, sie überhaupt kennen, darum organisierten Hildbrand und Scholz diese Fragerunde. «Ein Austausch ist nötig, besonders auch nach den zwei angekündigten Abgängen von Nicole Macchia und Stefan Heinzmann», ist Hildbrand überzeugt. Dass rund 50 Personen Fragen stellten, freute die beiden. «Wir wollen uns entwickeln, miteinander unterwegs sein, die verschiedensten Bedürfnisse bündeln, hören, was Ihnen wichtig ist», betonte Scholz. An diesem Abend, aber auch am Pastoralraum-Konzil, das im Herbst stattfinden soll. Die Bedürfnisse kennen sei Voraussetzung, um sich erfolgreich zu entwickeln. «Die Bedürfnisse jener, die am Wochenende in Gottesdiensten sitzen, aber genauso die Bedürfnisse jener, die Kirchensteuern zahlen, aber sonst für uns unsichtbar sind.»
Kommunikation gegen aussen, Werbung für die Anlässe, allenfalls ein WhatsApp-Kanal – es wurde auch über ganz konkrete Lösungen gesprochen. Etwa über Fahrdienste, damit jenen, denen ein Besuch einer Eucharistiefeier besonders wichtig ist, in die anderen Dörfer des Pastoralraums gelangen können. Und es gab auch Worte des Danks, von den Anwesenden an das Seelsorgeteam, aber auch vonseiten des Pastoralraums an all jene, die sich für die Entwicklung der Kirche starkmachen. «Das gibt mir die Zuversicht, dass es ein Miteinander geben kann», sagte Hans Hildbrand.