Den Kindern eine Perspektive geben

  10.07.2020 Meisterschwanden

Meisterschwander Hans Haller hilft mit seiner Stiftung Kindern und Müttern in Brasilien

Hans Haller verlor mit 59 Jahren seinen Job. Anstatt sich frühpensionieren zu lassen, entschloss er sich, nach Brasilien zu ziehen und dort eine Stiftung zu gründen. Er weiss: «Ohne die Stiftung wären die meisten Kinder, die wir betreuen, tot.»

Chantal Gisler

Gewalt gehört in Brasilien zum Alltag. Besonders in den ärmeren und ländlicheren Gebieten. Frauen werden vergewaltigt oder zur Prostitution gezwungen, Kinder sexuell misshandelt oder dazu gebracht, für Drogenbanden zu arbeiten. Die Schere zwischen Armen und Reichen ist gross.

Etwas zu verändern ist sehr schwierig. Dennoch gibt Hans Haller nicht auf. Seit 1992 betreibt er die Stiftung in Brasilien, die sich für Kinder und die Umwelt einsetzt. Damals reiste er jedes Jahr nach Brasilien und lebte dort eine Zeit lang mit seiner Frau, um den Kindern zu helfen. Die Hans-Haller-Stiftung brachte beispielsweise Brillen und Hörgeräte für Kinder aus der Schweiz nach Brasilien. Die Stiftung finanziert sich aus Spenden, die so schnell und so direkt wie möglich in Brasilien eingesetzt werden. Doch immer wieder stösst er an. Das System kann er nicht ändern. «Besonders anfangs hatte ich Mühe. Mittlerweile kennt man mich und weiss, was ich mit meiner Stiftung erreichen will», erklärt Haller. Er ist zu Besuch in der Schweiz, in seiner Heimat Meisterschwanden. Doch es zieht ihn zurück nach Brasilien, nächste Woche fliegt er zurück. «Die Kinder brauchen mich.»

Ersatzmütter kümmern sich um die Kinder

Seit 2013 lebt Hans Haller in Brasilien. Vor neun Jahren lancierte er das Projekt «Glückliche Jugend». «Die Idee war, eine Art SOS-Kinderdorf zu errichten», so der 65-Jährige. Doch dazu fehlen die Möglichkeiten. Stattdessen kümmern sich heute brasilianische Ersatzmütter um die Kinder. Aktuell werden 47 Kinder im Alter von 1 bis 17 Jahren bei 16 brasilianischen Ersatzmüttern betreut. Pro Kind zahlt ihnen die Stiftung 100 Franken pro Monat. Dafür erhalten die Kinder ein Zuhause, Essen und Liebe der Ersatzmütter. «Zusätzlich finanzieren wir teure Medikamente, Gesundheitskosten, Kleider und Schulmaterial. Sehr guten, fortgeschrittenen Schülern ermöglichen wir den Besuch einer angesehenen Privatschule, um ihre Zukunftschancen zu erhöhen. Im Moment profitieren drei Mädchen und drei Jungs von dieser Spezialbildung.»

Er erinnert sich noch genau an die ersten Kinder, die sie in das Projekt «Glückliche Jugend» aufgenommen haben: drei Geschwister, zwei Mädchen und ein Junge. Die Kinder waren alle noch keine zehn Jahre alt. «Die Mutter war an Aids gestorben, die Grossmutter war zu krank, um sich um sie zu kümmern.» Die Kinder hatten niemanden. «Nach etwa einem Jahr meldete sich der leibliche Vater der Ältesten, Victoria, bei uns. Er wollte sie in seine neue Familie aufnehmen.» Die Stiftung musste dem Wunsch nachkommen. Die beiden Jüngeren, Gabriela und Woshinton, blieben bei der Ersatzmutter. Sein Gesicht wird ernst. «Wir haben lange nichts mehr von Victoria gehört. Aber wir wissen, dass sie mit älteren Männern ausgegangen ist. Sie prostituiert sich.» Die Geschwister haben noch selten Kontakt zu ihr. Zu gross ist die Angst, dass Victoria ihre Schwester in das Millieu ziehen könnte. Die jüngeren zwei sind erfolgreich in der Schule. Das will man nicht aufs Spiel setzen.

Von der Copacabana war er enttäuscht

Geschichten wie diese hat Haller in all den Jahren oft erlebt. Ein grosses Problem ist die Familienplanung. Frauen werden ungewollt schwanger, sie können nicht für noch mehr Kinder sorgen. «Es gibt Fälle, da gibt die Mutter ihre Kinder bei den Nachbarn ab und sagt, dass sie kurz verreisen müsse. Sie kehrt nicht mehr zurück. Die Nachbarn können sich irgendwann auch nicht mehr um die Kinder kümmern und geben sie weiter oder sie landen auf der Strasse.» Das Schicksal der Kinder berührte ihn schon bei seinen ersten Reisen nach Brasilien. Damals, vor 36 Jahren, wollte er die Welt entdecken. Er besuchte die klassischen Touristenorte, die Jesus-Statue und den Zuckerhut. Nur von der weltberühmten Copacabana war er enttäuscht. «Das Wasser war kalt und der Strand nicht besonders schön», erinnert er sich und lacht. Immer wieder reist er zurück nach Brasilien, erkundet neue Orte. In der Schweiz lernt er Portugiesisch. «Bei meiner dritten Reise lernte ich meine Frau kennen», erinnert er sich. «Fünf Abende in der Migros-Clubschule reichten, um ihr einen Antrag zu machen.» Er holt sie in die Schweiz, sie bekommen Kinder. Doch es zieht die Familie immer wieder nach Brasilien. Die Armut und das Elend der Strassenkinder gehen Hans Haller nicht mehr aus dem Kopf. Er will helfen – und gründet seine eigene Stiftung. Immer wieder reist er nach Brasilien, um das gesammelte Geld zu investieren. Bis er 2013 seinen Job verliert und beschliesst, ganz nach Brasilien zu ziehen.

Er kontrolliert das Wohlergehen der Kinder

Haller kennt alle Kinder und Ersatzmütter persönlich. Er lebt in Brasilien. Als Freiwilliger kontrolliert er das Wohlergehen und den Mitteleinsatz regelmässig. Allfällige Korrekturen nimmt er in Zusammenarbeit mit der Koordinatorin umgehend vor. Er weiss: «Jedes unserer Kinder hat eine Geschichte. Ohne uns wären viele gestorben oder auf dem Weg in die Kriminalität.»


Spenden werden verdoppelt

Die Hans-Haller-Stiftung engagiert sich seit 1992 in Brasilien für den Umweltschutz und Kinder ohne Eltern. Für das Projekt «Glückliche Jugend» hat die Eurosanto-Stiftung ihre Unterstützung zugesagt, indem sie jede Spende bis zu einem Betrag von 2500 und bis zu einem Maximum von 50 000 Franken verdoppeln wird. Mit seinem Einsatz erzielt der Spender damit doppelte Wirkung, um mehr Kindern in Brasilien eine Perspektive zu bieten.

Weitere Informationen unter www.haller-stiftung.ch.


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