Den richtigen Dreh gefunden
15.09.2020 WohlenClaudia Beck leistete an der ETH einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Fische
Fische schwimmen lussabwärts gerne mit der Strömung. In Kraftwerken wird ihnen das leicht zum Verhängnis. Dank der Forschung von Claudia Beck soll es gelingen, die Tiere an den Turbinen vorbeizuleiten. Dafür gab es jetzt den Doktor-Titel.
Chregi Hansen
Kürzlich hat Claudia Beck ihre Arbeit abgeschlossen und öffentlich präsentiert. «Es war schon ein komisches Gefühl. Einerseits war es schön, Freunden und Familien zu zeigen, woran ich die letzten dreieinhalb Jahre geforscht habe. Andererseits war es auch etwas traurig, dass diese Phase jetzt zu Ende geht. So arbeitsintensiv es war, so spannend war die Zeit auch», sagt sie.
Viele Stunden, Tage, Wochen, ja Jahre hat sie an einer Lösung gefeilt. An einer Lösung, wie Fische auf dem Weg flussabwärts an den Turbinen der Wasserkraftwerke vorbeikommen. Diese stellen heute für manche Tiere ein fast unüberwindbares Hindernis dar. Und weil die Schweiz ganz viel Strom durch Wasserkraft gewinnt, stehen an entsprechend vielen Schweizer Flüssen solche Hindernisse. Zwar gibt es jeweils Durchgänge für die Fische. Aber wie bringt man sie dazu, diese auch zu nutzen? Flussabwärts folgen sie im Normalfall der Strömung. Und die führt oft direkt in den Tod.
Balance finden
Heute setzen erst wenige Kraftwerke sogenannte Leitrechen ein. «Bei dem neu entwickelten Leitrechen sind es nicht nur die Stäbe des Rechens selbst, welche den Fisch vom falschen Weg abhalten, sondern vor allem die durch sie erzeugten Strömungsunterschiede», erklärt die Wohlerin. Denn Fische haben immer die Tendenz, der Hauptströmung zu folgen, und reagieren dabei sensibel auf Strömungssignaturen wie zum Beispiel Druckunterschiede oder Turbulenzen. Dank der schräg zur Strömung angeordneten Rechen werden sie an die Seiten geführt und gelangen durch einen störungsfreien Durchgang, den sogenannten Bypass, am Kraftwerk vorbei.
Doch was im ersten Moment so simpel klingt, erweist sich in der Praxis als schwierig. Denn die Stababstände dürfen nicht zu klein sein, sonst verstopfen sich die Rechen mit Schwemmholz und Ähnlichem, zudem vermindern die so erzeugten Energieverluste die Leistung der Turbinen. Sind die Stababstände zu gross, schlüpfen die Fische hindurch. Die Balance zu finden zwischen den Bedürfnissen der Kraftwerkbetreiber und dem Wohl der Fische, dies ist die grosse Schwierigkeit.
Nicht mehr gerade, sondern krumm
Darum experimentieren Forscher europaweit an verschiedenen Leitrechen. Dabei spielen Länge, Eintauchwinkel und Stababstände eine grosse Rolle. Beck hat nun eine weitere Variable zugefügt. «Wir haben angefangen, die Stäbe leicht zu krümmen. Durch diese Biegung erzielen wir bessere Ergebnisse, das heisst kleinere Energieverluste und einen höheren Fischschutz», erklärt sie. Die erzielten Resultate stimmen sehr positiv und sollen nun in einem Praxistest an einem Kraftwerk an der Thur erprobt werden. «Auch wenn wir im Labor die verschiedensten Faktoren imitieren können, in der echten Natur ist es immer anders», weiss die Umweltingenieurin. Sie selber wird an den weiteren Tests nicht mehr beteiligt sein – Ende Monat verlässt sie die ETH und wechselt – als frischgebackene Frau Doktor – in ein Ingenieurbüro in Bern. «Das Büro ist spezialisiert auf Wasserbau und Revitalisierung von Gewässern, von daher bleibe ich dem Thema treu», lacht sie.
Viele 14-Stunden-Tage
Für die 32-Jährige geht jetzt ein spannendes Kapitel zu Ende. Stundenlang sass sie neben dem Versuchskanal und hat die Bewegungen der Fische verfolgt. Sie half auch mit, wenn diese Tiere am Montag gefangen und am Freitag wieder freigelassen wurden. «Das waren sehr interessante Ausflüge in die Natur, ich habe viel gelernt und staune, wie viele Fische selbst in kleinsten Gewässern zu finden sind», sagt sie. Beim Einfangen wie auch beim Testen im Labor habe man versucht, die Tiere möglichst wenig Stress auszusetzen. «Es gab auch Momente, in denen sie nicht durch den Kanal schwimmen wollten, dann wurden sie eben in den Tank zurückgebracht.»
Spannend fand sie auch die internationale Zusammenarbeit in diesem Fachgebiet. «Fische machen nicht an der Grenze halt. Es lohnt sich also, das Thema gemeinsam anzugehen», erklärt sie. Aber auch die Zusammenarbeit im Team der ETH findet sie bereichernd. Da störte es auch nicht, dass sie an manchen Tagen bis zu 14 Stunden in der Versuchsanstalt verbrachte.
Dass sie dereinst Fischen helfen würde, ihren Weg an den Kraftwerken vorbei zu finden, das hätte sie sich früher nicht vorstellen können. «Ich hatte schon früh Interesse an Mathematik und Naturwissenschaften. Darum habe ich Umweltwissenschaften studiert. Daran gefiel mir die Breite des Spektrums und der Praxisbezug», erklärt die passionierte Tennisspielerin, die noch regelmässig auf den Plätzen in den Niedermatten anzutreffen ist, wenn es die Arbeit zulässt. Auch wenn sie schon einige Zeit in Zürich selber lebt. «Der Kontakt ins Freiamt ist immer geblieben», berichtet sie.
An ihrer Doktorarbeit gefiel ihr, dass sie Praxis und Theorie wunderbar kombinieren konnte und erst noch in engem Austausch mit anderen Wissenschaftlern war, etwa mit Biologen. Jetzt aber sei es Zeit, die ETH zu verlassen und in die Praxis einzusteigen. «Ich werde es vermissen, so tief forschen zu können», sagt Beck, «dafür freue ich mich auf geregeltere Arbeitszeiten.» Und was mit den von ihr entwickelten Stäben passiert, das wird sie sicherlich weiter verfolgen. «Das Thema ist noch sehr wenig erforscht, daher ist spannend, was noch alles folgt.»