Die Jubel-Faust im Gesicht

  27.10.2020 Fussball

Fussball, 1. Liga classic: Wohlen – Zug 3:1 (1:1)

Trotz vieler Absenzen zeigt der FC Wohlen eine grösstenteils abgeklärte Leistung. Auch, weil er zwei Traumtore erzielt und der Gegner in der Schlussphase in Unterzahl agieren muss. Goalie Olivier Joos muss nach seinem Torjubel mit blutender Nase verarztet werden.

Stefan Sprenger

Gestern Montagmorgen war die Stimmung im Büro der Zürich-Versicherungen in Regensdorf grossartig. Dort arbeiten Thomas Schiavano, FC-Wohlen-Stürmer, und Gianluca Calbucci, FC-Wohlen-Aussenverteidiger. Beiden haben im Spiel gegen Zug ein Tor geschossen.

Schiavano trifft in der 7. Minute zur frühen und enorm wichtigen Führung. Calbucci schiesst in der 80. Minute das 2:1. Er trifft via Freistoss. Doch: Wollte er vom Strafraumeck wirklich schiessen oder war der Torerfolg eine verunglückte Flanke? Der 23-jährige Calbucci lacht: «Ich wollte zu 100 Prozent schiessen und den Goalie so überraschen.» Das gelingt. Der Freistoss wird leicht abgefälscht von einem gegnerischen Kopf. Der Ball segelt ins Tor. Zug-Keeper Mario Pastore macht dabei keine gute Figur.

Das Tor ist eine Erlösung. Und eine Belohnung für willige Wohler. Für die Zuger wäre vielleicht mehr dringelegen. Aber Aussenverteidiger Kristian Luburic wird in der 41. und 67. Minute jeweils verwarnt und muss frühzeitig unter die Dusche. Mit einem Mann mehr drücken die Wohler auf den Sieg, doch sie tun sich lange Zeit schwer.

«Wir haben den Schiedsrichter in Ruhe gelassen»

Calbuccis 2:1 wirkt wie ein Ventil. Der Jubel ist gross. So gross, dass FCW-Goalie Olivier Joos aus seinem Kasten stürmt und mit dem Team feiert. «Die Emotionen waren riesig, ich rannte zur Mannschaft und wollte mitfeiern», beschreibt er die Szene. Im Getümmel passiert Kurioses: Joos kassiert eine Jubel-Faust ins Gesicht und muss danach mit blutender Nase verarztet werden. «Nächstes Mal lasse ich es vielleicht mit dem Jubeln und lasse das Team alleine feiern», sagt er lachend. Joos hatte ansonsten eher wenig zu tun. «Es war ein gemütlicher Nachmittag», sagt der 23-Jährige. Blöd für ihn: Der erste, und einer der ganz wenigen Abschlüsse der Zuger, landet gleich im Tor. 23. Minute: Alexander Srdic lässt Florian Weber stehen. 1:1. Weber, der erst zum zweiten Mal in der 1. Liga classic zum Einsatz kommt, zeigt mit Ausnahme dieser Szene ein starkes Spiel.

Auf das eigene Spiel fokussiert

So wie ganz viele andere Wohler. Gegen Zug läuft es rund. Die Dinge entwickeln sich oft für die Freiämter. Dabei sei auch erwähnt, dass der Schiedsrichter eine souveräne Partie zeigt. «Wir haben unser Spiel gemacht und den Schiedsrichter in Ruhe gelassen», meint 1:0-Torschütze Thomas Schiavano – und sieht auch darin einen Schlüssel zum Erfolg. «In anderen Spielen konnten wir oft nicht aufs Maul sitzen und haben uns selber geschadet.» Diesmal nicht.

Dass der FC Wohlen diese Partie am Ende souverän und abgeklärt gewinnt, liegt auch zu einem Teil am harmlosen Gegner, der offensiv nur wenig Argumente hat. Erwähnenswert: Die Wohler müssen auf gestandene Spieler wie Ronny Minkwitz, Nikola Bozic oder Nicolas Künzli verzichten – und treten trotzdem stark auf. Das Kollektiv überzeugt. Vielleicht, weil angesichts dieser gesperrten Hochkaräter jeder Spieler ein bisschen mehr Verantwortung übernimmt.

Goalie Joos findet: «Wir konnten befreit spielen und haben uns nicht verkrampft. Das frühe Tor hat da geholfen.» Man habe es erstmals seit Langem geschafft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. 2:1-Torschütze Gianluca Calbucci meint: «Wir haben uns für eine gute Leistung belohnt.» Zu erwähnen ist noch das 3:1 durch Momo Seferi. Ein sehenswerter Kracher aus der Distanz.

Es bleiben noch vier Spiele für . Das nächste am Sonntag (15 Uhr) auswärts in Langenthal (das gleich viele Punkte hat wie Wohlen). «Das Ziel für diese vier Spiele vor der Winterpause ist klar und eindeutig: Wir wollen zwölf Punkte», so Calbucci. «Mit der Qualität, die wir besitzen, wollen wir bis zur Winterpause wieder ganz oben mitmischen.» Fraglich bleibt, ob diese Partien überhaupt ausgetragen werden – oder Corona dem FCW einen Strich durch die aufsteigende Form macht.


Gespräche führen zu Reaktion

In der vergangenen Woche führte die Vereinsführung des FC Wohlen Gespräche mit dem Staff und der Mannschaft. Sportchef Alessio Passerini und der sportliche Leiter Adrian Meyer reflektierten die Situation und legten das weitere Vorgehen fest. Einige Spieler machten sich zu viel Druck, konnten so die Leistung zwar im Training zeigen – aber nicht auf dem Platz. «Durch die durchzogenen Resultate hatte sich auch schleichend ein gewisser Frust aufgebaut. Dies führte vereinzelt zu unglücklichen Reaktionen und gab nach aussen ein Bild ab, wie wir es uns im Verwaltungsrat nicht wünschen», erklärt der sportliche Leiter Adrian Meyer. Damit meint er beispielsweise die häufigen Roten Karten in den letzten Spielen. «Aber besteht eben aus Emotionen. Und wenn wir diese wie gegen Zug in positive Energie umwandeln, dann ist die Mannschaft sehr stark», so Meyer.

Gegen Zug klappte dies bestens. «Es war eine geschlossene Mannschaftsleistung gegen einen soliden Gegner. Unter den Voraussetzungen mit Gesperrten und Verletzen verdient dies Respekt und nach den Gesprächen im Staff und in der Mannschaft unter der Woche war dies eine erfreuliche Reaktion», so Meyer. Es war ein Schritt in die richtige Richtung. «Ich hoffe, dass nun alle realisiert haben, dass wir uns nur selber helfen können und Hadern uns nicht weiterbringt.» --spr


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