Die «Sonne» strahlt wieder
08.12.2023 Waltenschwil, Region OberfreiamtIn neuem Glanz
Das «Haus zur Sonne» im Büelisacker blickt auf eine lange Geschichte zurück. Auf grosse Feste, auf gesellige Abende. Dann wurde es mit der Schliessung des Restaurants 2003 ruhig im Haus. Nun, knapp 20 Jahre später, ändert sich ...
In neuem Glanz
Das «Haus zur Sonne» im Büelisacker blickt auf eine lange Geschichte zurück. Auf grosse Feste, auf gesellige Abende. Dann wurde es mit der Schliessung des Restaurants 2003 ruhig im Haus. Nun, knapp 20 Jahre später, ändert sich das: In der altehrwürdigen «Sonne» sind neue Wohnungen entstanden, weitere Wohnkomplexe wurden an sie angebaut. Damit ist praktisch ein neues Quartier im Büelisacker entstanden. --red
Das historische Gebäude und ehemalige Restaurant in Büelisacker wurde umgebaut
Einst war es eine Taverne, später fanden hier «bei Sophie» legendäre Maskenbälle und Metzgete statt. Die letzten Jahre stand die «Sonne» in Büelisacker leer. Nun haben die Bella Casa AG und Schaufelbühl Architekten GmbH daraus ein Bijou gemacht. «Eine Hommage an vergangene Zeiten», so Architekt Roger Rüegsegger.
Annemarie Keusch
In der «Sonne» findet wieder Leben statt. Vor der einen Wohnung steht ein Kinderwagen, bei einer anderen sind es noch Zügelkartons. «Es sind nur noch zwei Viereinhalb-Zimmer-Wohnungen zu haben», sagt Bauherr Hanspeter Strebel von der Bella Casa AG. Sechs Wohnungen fanden im altehrwürdigen «Sonne»-Gebäude Platz. Dort wo früher gekocht und getanzt wurde, wird jetzt gelebt. Hinzu kommen ein Doppel-Einfamilienhaus, ein Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen und eine Maisonettewohnung in der Grösse eines Einfamilienhauses, dort, wo früher der Pferdestall angebaut war. «Sophie heisst diese Wohnung, in Erinnerung an die Geschichte des Hauses», sagt Hanspeter Strebel. Büelisacker hat quasi ein neues Quartier erhalten, mit der «Sonne» im Zentrum, wie im heliozentrischen Weltbild.
Annemarie Kuhn strahlt, wenn sie durch die zwei noch nicht verkauften Wohnungen geht. «Wie schön das geworden ist», sagt sie. Kuhn kennt die Geschichte des Hauses wie kaum jemand sonst. Sie ist hier aufgewachsen, lebte zuletzt ganz alleine im riesigen Gebäude. 1836 sei es gewesen, als der damalige Gemeindeschreiber und Grossrat Leonz Kuhn den Neubau der heutigen «Sonne» errichten liess. «Obwohl wir den gleichen Nachnamen tragen, sind wir nicht verwandt», betont Annemarie Kuhn. Als Baumeister habe damals Johann Keusch aus Boswil gewirkt. Kuhn weiss: «Anfangs wirtete Leonz Kuhn selber, nachher gab es viele Wechsel. Das zeigt ein Blick in die Bücher des Klosters Muri, wo die Zehnten-Abgaben notiert wurden.»
Für sie war Wirten keine Option
1903 übernahm ihr Grossvater die «Sonne». Zwei seiner Tanten wirteten schon vorher hier. «Er war es, der den Saal und die Bühne ausbaute.» Annemarie Kuhn weiss, dass gerade nicht mehr ganz junge Leute aus Waltenschwil und Büttikon Erinnerungen haben an legendäre Maskenbälle und Theater. «An solchen Abenden gingen wir gar nicht erst zu Bett. Es war so laut im ganzen Haus», erinnert sie sich. Bis 2003 wirtete ihre Mutter Anna, viele Jahre zusammen mit ihrer Tante Sophie. «Viele sagten nicht, dass sie in die ‹Sonne› gehen, sondern dass sie zu Sophie gehen.»
84-jährig war ihre Mutter, als sie das Wirten aufgab. «Nein, für mich kam es nie infrage, das weiterzuführen. Man hätte zu viel investieren müssen», sagt Annemarie Kuhn. Aber sie blieb weiterhin im Gebäude wohnen, die letzten Jahre ganz allein. «Das war manchmal etwas einsam und auch anstrengend, weil das Haus nur mit einem Holzofen beheizt werden konnte», erinnert sie sich. Als sie 2018 in Kontakt mit Hanspeter Strebel von der Bella Casa AG kam, erwähnte sie, dass die «Sonne» in Büelisacker zu verkaufen sei. Es war der Anfang jener Geschichte, die nun in neuem Glanz erstrahlt.
Kannten sich vom «Bauernhof» in Oberlunkhofen
Emotional sei es durchaus gewesen, das Haus und das Land darumherum zu verkaufen. «Es hängen viele schöne Erinnerungen daran, etwa wie wir an den Metzgete schon als junge Frauen aushalfen und unzählige Male die Treppen von der Küche im Obergeschoss ins Restaurant im Erdgeschoss stiegen.»
Erinnerungen hat auch Roger Rüegsegger. «In den 80er- und 90er-Jahren war ich ab und zu hier. Schon als Lehrling wurde mir ‹Kafi GT› bestellt.» Eine Art «Schümlipf lümli». Rüegsegger kennt die Räumlichkeiten also. Und er kennt den Baumeister. Als Architekt hatte er die Federführung beim Umbau des Gasthauses zum Bauernhof in Oberlunkhofen, das ebenfalls von Baumeister Johann Keusch erbaut wurde. Diese Tatsache gab Hanspeter Strebel den Mut, das Projekt in der «Sonne» anzupacken. «Es ist ein Risiko, ein solches Gebäude anzugehen, vor allem, wenn man ihm auch wirklich gerecht werden will», sagt Strebel und spricht von einer Verantwortung gegenüber dem Gebäude und dessen Geschichte. «Dem wollten wir Rechnung tragen.»
So sieht es auch Architekt Rüegsegger. «Was hier entstanden ist, wurde mit Liebe und Mut gemacht.» Alles sei selber entwickelt und gezeichnet worden, vom Grundkonzept bis zu den Badezimmer-Möbeln. «Damit es eine wirkliche Hommage an die damaligen Zeiten wird.»
Architekt kaufte die Gewölbekeller
Entstanden sind in den Obergeschossen der ehemaligen «Sonne» sechs Eigentumswohnungen im Stile des Herrenhauses. Und im Erdgeschoss? Die zwei Gewölbekeller sind geblieben, natürlich restauriert. «Es gab viele Ideen, was hier entstehen soll», weiss Roger Rüegsegger. «Über Nacht fällte ich den Entscheid, die Räume im Erdgeschoss als Gewerberaum zu kaufen. Diese sind einmalig und sollten gewürdigt und erhalten werden», betont er. Ideen habe er, Verhandlungen laufen, spruchreif sei aber noch nichts. «Ich kann mir vorstellen, dieses Haus auch kulturell wieder zu beleben, so wie es damals war. Über Jahre fand hier das Dorfleben von Büttikon und Waltenschwil statt», führt Rüegsegger aus. Bis Ende Jahr will er diesbezüglich einen Schritt weiter sein.
Ein früheres Bijou wieder hervorheben, ins 21. Jahrhundert überbringen. Das war das Ziel aller Beteiligten. «Das haben wir geschafft. Ich freue mich besonders, dass Annemarie Kuhn Freude am Resultat hat», sagt Roger Rüegsegger. «Viele solche Gebäude werden abgebrochen, wir haben es geschafft, ihm eine würdige Zukunft zu geben.»