Dr. Aussenverteidiger
03.06.2020 FussballRobert Huber, Ex-Fussballer und Wissenschaftler
Er war einer aus dem Freiamt, der es geschafft hat. Robert Huber vom FC Muri gelingt 1995 der Sprung in die Nationalliga A. Nach vier Jahren beim FC Zürich beginnt er ein Studium. Heute hat er einen Doktortitel und doziert an der ETH Zürich.
Der Buttwiler Robert Huber absolvierte 126 Spiele für den FC Zürich. Danach war er sechs Jahre lang beim FC Winterthur in der Nationalliga B unterwegs und wurde sogar Captain der Winterthurer. Nach einem kurzen Comeback beim FC Muri beendete er 2007 seine fussballerische Karriere.
Doch Robert Huber ist nach wie vor eine grosse Nummer. Bloss in einem anderen Feld. Heute ist der ehemalige Fussballprof Doktor für Agrarwissenschaften und doziert an der ETH. Den Fussball hat der ehemalige rechte Aussenverteidiger aber nie ganz aufgeben können. Er trainiert die D-Junioren des FC Unterstrass. Seine Motivation ist dieselbe wie an der ETH. «Ich arbeite gerne mit jungen Menschen», erzählt der Freiämter. --jl
Vom Rasen in den Vorlesungssaal
«Unsere Regionalfussball-Stars von früher»: Robert Huber, Spieler beim FC Muri, FC Zürich und Winterthur
Früher Fussballprof, heute Dozent an der ETH. Der Weg des Buttwilers Robert Huber ist unkonventionell. Er erklärt, was ihm seine Freiämter Wurzeln und der Fussball in der akademischen Welt genutzt haben und wie er sich ein Stück Heimat bewahrt hat.
Josip Lasic
Die ETH Zürich. Eine der renommiertesten Hochschulen der Schweiz. Von ihrer Homepage lacht einem das Bild eines sympathischen Mannes mit blonden Haaren, blauen Augen und einer Brille entgegen. Denkt man sich die Sehhilfe weg und die Haare länger, sieht man ihn vor sich. Den 20-jährigen Robert Huber aus Buttwil, vom FC Muri in die Nationalliga A wechselte, von 1995 bis 1999 beim FC Zürich spielte und einen von Autogrammkarten ähnlich sympathisch anlächelte. Oder wie Huber es sagt: «Der Typ, der nicht wusste, dass man vor einem solchen Fotoshooting zum Coiffeur geht.»
Der ETH-Dozent ist aktuell sehr beschäftigt. Die Studenten der ETH Zürich dürfen wegen der Coronakrise ihre Prüfungen von zu Hause aus schreiben. Der Freiämter bereitet den Stoff seiner Vorlesungen dementsprechend auf. Es klingt nicht nach einer Tätigkeit, die man von einem ehemaligen rechten Aussenverteidiger des FC Zürich erwarten würde. Wer an das Klischee glaubt, dass Fussballer nichts im Kopf haben, kommt bei Robert Huber, oder besser gesagt Dr. Robert Huber, in Erklärungsnot. 126 Partien absolvierte er für die Zürcher in der Nationalliga A. Seit 2008 trägt er den Doktortitel in Agrarwissenschaften. Der ehemalige Fussballer erklärt vereinfacht, worum es in seiner Dissertation geht: «Die Landwirtschaft in der Schweiz besteht nicht nur aus der Produktion von Nahrungsmitteln. Sie erbringt weitere Leistungen wie die Pfege der Kulturlandschaft oder der Biodiversität. Teil meiner Arbeit war aufzuzeigen, dass es ökonomisch sinnvoll ist, diese Leistungen mit Direktzahlungen an die Bauern zu fnanzieren.»
Gegensätze ziehen sich an
Zahlreiche Fussballprofs werden nach der Karriere häufg Trainer oder TV-Experten. Sie bleiben dem Fussball in irgendeiner Form erhalten. Huber hält Vorlesungen, leitet Forschungsprojekte und veröffentlicht Artikel in Fachjournals. Das scheint auf den ersten Blick nicht zu passen. Es wirkt wie zwei Welten, die miteinander nichts zu tun haben. Der Buttwiler beweist das Gegenteil. Die grösste Freude bei seiner Tätigkeit an der ETH bereitet ihm die Arbeit mit jungen Menschen. Dieselbe Freude verspürt er als D-Juniorentrainer beim FC Unterstrass. Obwohl die jungen Menschen in diesem Fall noch jünger sind.
Dass der Buttwiler jetzt in Zürich lebt, wirkt wie ein weiterer Widerspruch. Der Buttwiler zeigt, dass sein Leben nicht aus Widersprüchen besteht. Denn den Wissenschaftler aus Zürich hätte es ohne den Fussballer aus Buttwil vielleicht nie gegeben.
Ländliche Bescheidenheit in der Grossstadt
Optisch wirkt Huber nach wie vor wie jemand, der ohne Probleme einen Marathon bestreiten kann. Auf dem Fussballplatz wusste er zu rennen und zu kämpfen. Es ist ein schöner Kontrast, wenn sich der Buttwiler mit ruhiger und sanfter Stimme vorstellt: «Ich bin der Röbi.» Ein kurzer Satz, der verhindert, dass man vor Ehrfurcht erstarrt. Schliesslich hat der Mann in seinem Leben so viel erreicht. Viele Menschen setzen sich «nur» eine Karriere als Fussballprof oder «nur» einen akademischen Grad zum Ziel – ein grosser Teil scheitert. Robert Huber kann in beiden Feldern grosse Erfolge vorweisen. Doch egal, ob die Rede von ihm als Fussballer oder als Wissenschaftler ist. Auf seine Erfolge angesprochen, entgegnet er: «Ich bilde mir darauf nichts ein.»
Es schwingt ländliche Bescheidenheit mit, wenn der ehemalige FC-Zürich-Spieler das sagt. Die Bescheidenheit, die man mitbekommt, wenn man als eines von sechs Kindern auf einem Bauernhof in Buttwil aufgewachsen ist. Die Kindheit auf dem Bauernhof ist es, die den Freiämter später für Agrarwissenschaften als Studienfach begeistern soll.
Zuerst aber ging Robert Huber den Weg als Fussballer. Er fng mit zehn Jahren bei den E-Junioren des FC Muri an. Obwohl er in seiner Bescheidenheit sagt, dass er später in der Nationalliga A immer an seinem obersten Limit gespielt hat, ist Potenzial sichtbar. Er ist 16 Jahre alt, als ihn der damalige Muri-Trainer Salvatore Andracchio in die 1. Mannschaft holt. Mit dem Fanionteam der Murianer steigt der kampfstarke Abwehrspieler von der 2. in die 1. Liga auf. Diese ist damals die dritthöchste Spielklasse der Schweiz. Huber schafft aus Muri den Sprung in die Schweizer U18- und U19-Nationalmannschaft. Dort wird Raimondo Ponte auf ihn aufmerksam und holt den damals 20-Jährigen zum FC Zürich in die Nationalliga A.
Als Spieler und als Mensch gewachsen
«Fussballerisch konnte ich mich rasch anpassen», so Huber. «Mental war der Sprung aber riesig. Es dauerte eine Weile, bis ich den Wechsel in die NLA verarbeiten konnte.» Ponte ist aber überzeugt von Huber. Dieses Vertrauen ist für Huber wichtig. «Ohne Salvatore Andracchio und Raimondo Ponte wäre ich nie Prof geworden.» Vier Jahre lang bleibt Huber beim FCZ in der NLA. Mit Zürich trifft er im Uefa-Cup auf grosse Teams, wie den AS Rom mit der italienischen Fussballlegende Francesco Totti.
Im Club spielt er an der Seite von zahlreichen Fussballgrössen. «Es gab viele Spieler, dank denen ich gewachsen bin», erzählt Huber. «Vom Brasilianer Francisco Lima konnte sich jeder eine Scheibe abschneiden. Niemand lief so viel wie er. Und der langjährige FCZ-Captain Urs Fischer oder René Weiler sind Personen, neben denen ich als Fussballer und Mensch gereift bin.» Ausserdem – sagt er – hat er als Prof gelernt, seinen Alltag zu strukturieren, was ihm später im Studium helfen sollte.
Die «Verwandlung»
Huber hat seinen Platz beim FC Zürich und in der NLA gefunden. Trotzdem ist ihm klar, dass er nicht ewig in der Welt des Proffussballs bleiben wird. Nach vier Jahren beim FC Zürich wechselt er 2000 zum FC Winterthur in die Nationalliga B. Er beginnt mit dem Studium der Agrarwissenschaften. «Mich hat die Vielseitigkeit dieses Studiengangs angesprochen. Biologie ist ein wichtiger Teil davon. Ebenso wie Politik und Wirtschaft.» In Winterthur macht einen weiteren Schritt nach vorne, wächst in eine Führungsrolle hinein und wird Captain. Und weil er beim NLB-Club «nur» noch ein Halbprof ist, kann er sich sein Studium fnanzieren, hat neben dem Fussball aber auch genug Zeit dafür. Sechs Jahre spielt Robert Huber in Winterthur. Dann wechselt er zu «seinem» FC Muri zurück. Zwei Jahre lang spielt er gemeinsam mit seinem Bruder Ueli für die Klosterdörfer in der 2. Liga interregional. Doch die Heimkehr ist unvollendet. Huber arbeitet in dieser Zeit gerade an seiner Dissertation, bleibt in Zürich wohnen und pendelt nach Muri. Sein Lebensmittelpunkt hat sich in die Grossstadt verschoben. Nach dem Karriereende 2007 wirkt es so, als hätte er sich vom Fussball und dem Freiamt verabschiedet.
Fussball und Freiamt im Herzen
Huber lebt in Zürich. Seine Frau ist Historikerin und arbeitet im Zürcher Stadtarchiv. Er selbst ist an der ETH angestellt und forscht im Bereich der Agrarökonomie und Agrarpolitik.
Das Freiamt und den Fussball hat er aber nie hinter sich gelassen. Seine Mutter, vier seiner fünf Geschwister und sein bester Freund leben alle noch im Freiamt. Mit ihnen hält er Kontakt und informiert sich über seine Heimatregion. Sein zwölfjähriger Sohn spielt unter ihm beim FC Unterstrass. Der jüngere, neunjährige Sohn, ist ebenfalls Mitglied im Verein. Die beiden kommen auch regelmässig mit an die Spiele des FC Zürich, für den Huber noch eine Saisonkarte hat. Den FC Muri kann er nicht mehr so gut verfolgen. Mit dem FC Unterstrass hat er aber eine Verbindung zu seiner Heimat geschaffen. «Was ich am FC Unterstrass besonders schätze, ist die familiäre Atmosphäre», so der Akademiker. «Der kleine Zürcher Quartierclub, er erinnert mich an meinen FC Muri.»