Ein böses Erwachen
18.11.2022 Büttikon, Region UnterfreiamtAn der «Gmeind» in Büttikon wurde klar, dass der Strompreis massiv ansteigt
In der Broschüre deutete nichts darauf hin. Doch an der «Gmeind» musste Gemeinderat Christian Camenisch einräumen, dass ein Fehler unterlaufen ist. Die Elektra ...
An der «Gmeind» in Büttikon wurde klar, dass der Strompreis massiv ansteigt
In der Broschüre deutete nichts darauf hin. Doch an der «Gmeind» musste Gemeinderat Christian Camenisch einräumen, dass ein Fehler unterlaufen ist. Die Elektra wird im nächsten Jahr ein Minus von 1,6 Millionen Franken einfahren. Fragen gab es auch zu anderen Traktanden.
Annemarie Keusch
Damit hätte niemand gerechnet. Und irgendwie wussten die Büttikerinnen und Büttiker gar nicht, wie sie reagieren sollen. «Können wir nicht einfach das Budget zurückweisen?» war eine der Fragen. Ob denn der Strom nicht längerfristig eingekauft werden könne, eine andere. Die meisten aber reagierten nicht und nahmen das hin, was Vizeammann Silvia Koch und Gemeinderat Christian Camenisch erklärten. «Uns ist ein Fehler unterlaufen. Die Zahlen im Budget der Elektra sind falsch», sagte Koch. Der Strompreisschock gehe nicht an der Gemeinde vorbei. Sie betonte aber, dass die Anpassung an die richtigen Zahlen keine Folgen für die Bürgerinnen und Bürger hätten. Vorerst zumindest nicht.
Lange ging der Gemeinderat davon aus, dass die Strompreise in Büttikon nur leicht steigen. «Wir dachten, mit einem blauen Auge davonzukommen», sagte Gemeinderat Christian Camenisch. Doch die Zahlen stellten sich als falsch heraus. Gemerkt hat das der Gemeinderat erst, als die Broschüre für die Einwohnergemeindeversammlung schon gedruckt war. Laut überarbeitetem Budget fährt die Elektra im nächsten Jahr ein Minus von 1,6 Millionen Franken ein. Ein böses Erwachen. Zumal die Strompreise für das kommende Jahr nach Ende August nicht mehr angepasst werden dürfen. «Es ist so, wir werden den Strompreis ab 2024 deutlich erhöhen müssen», sagte Camenisch an der «Gmeind». Verdoppeln sei realistisch, die Befürchtung, gar verdreifachen zu müssen, werde hoffentlich nicht wahr.
Tranchenweise einkaufen
Gemeinderat Camenisch erläuterte der Versammlung, wie jeweils der Strom eingekauft wird. «Wir treffen uns immer Anfang Jahr mit Vertretern des AEW und entscheiden jeweils im April oder Mai. Das machten wir in diesem Jahr genau gleich.» Mit dem Unterschied, dass die Preise laufend in die Höhe schossen. Also entschied sich die Elektra, den Strom tranchenweise einzukaufen, weil damit das Risiko sinken würde. «Es klappte nicht. Die Preise jagten extrem schnell in die Höhe.» Doch davon, den Strom auch künftig tranchenweise einzukaufen, ist Camenisch überzeugt. «Wir sind schon daran, für 2024 einzukaufen – in 18 Tranchen. Es zeigt sich, dass so Preisspitzen gebrochen werden können. Wir erleben kein solches Desaster mehr wie jetzt.»
Nur, ändern lasse sich die Situation für nächstes Jahr nicht mehr. 1,6 Millionen Franken wird das Defizit der Elektra betragen. Das Eigenkapital des Eigenwirtschaftsbetriebs von rund eine Million wird schmelzen, die Elektra verschuldet sich bei der Einwohnergemeinde. «Dieses Geld müssen wir mit höheren Strompreisen wieder einholen», sagt Camenisch. Ob das einzig über den Verbrauch oder auch über die Netznutzung geschehen wird, konnte Camenisch noch nicht sagen. Immerhin hat der Gemeinderat noch fast ein Jahr Zeit, dies zu erarbeiten. Dem Gemeinderat sei es wichtig, die Bevölkerung transparent zu informieren, auch über Fehler, die passiert sind. «Darum wollten wir die Zahlen heute zeigen und nicht erst später das grosse Defizit in der Rechnung präsentieren», betonte Camenisch.
In Zukunft Partner auf Augenhöhe
Es war dicke Post, die die Büttiker Stimmberechtigten schon am Anfang der «Gmeind» entgegennehmen mussten. Die weiteren Traktanden blieben frei von Überraschungen, aber nicht von Fragen und Diskussionen. Die geplante Erhöhung des Pensums für das Hauswart- und Bauamtsteam war unbestritten, zumal damit eine Stellvertreterregelung möglich wird. Eine Büttikerin meinte gar, die beantragten zusätzlichen 40 Prozent seien zu wenig. «Es gibt verschiedene Arbeiten, die im Dorf vergeben sind und in dieses Team integriert werden könnten, vom Putzen des Kindergartens bis zum Brunnenmeister. Mit 40 Prozent kommen wir nirgends hin», sagte sie und stellte einen entsprechenden Rückweisungsantrag. Dieser wurde mit nur zwei Ja- und 55 Nein-Stimmen abgelehnt, die Pensumerhöhung um 40 Prozent fand eine deutliche Mehrheit.
Fragen gab es an diesem Abend auch zum traktandierten Austritt der Gemeinde aus der KESD Bezirk Bremgarten. Einerseits erläuterte Vizeammann Silvia Koch die Ausgangslage. Vor allem aber berichtete Kurt Jenni, der den Aufbau der KESD in Villmergen eng begleitet hat. Er sagte Sätze wie: «Rein rechnerisch ist es nicht teurer mit einem eigenen Verband.» Oder er hielt fest, dass es wichtig sei, zu den Leuten zu gehen. «Aufsuchende Sozialarbeit ist das Stichwort. So sehen die Beistände, wie Leute leben, welches Umfeld sie haben.» Und so erhalten Privatbeistände einen qualitativ höheren Wert. Ein fünf köpfiges Team habe die Arbeit in Villmergen aufgenommen. «Alles qualifizierte Fachkräfte», betont Jenni.
Wie sich der Wechsel von der KESD Bezirk Bremgarten zur KESD Villmergen finanziell auswirken wird, wollten einige Büttiker an diesem Abend wissen. Dies könne man noch nicht genau sagen. «Das hängt von der Menge und der Komplexität der Fälle ab», sagt Jenni. Zwei bis fünf Fälle betreut die KESD durchschnittlich pro Jahr aus Büttikon, weiss Vizeammann Silvia Koch. Und sie ist zuversichtlich: «Teurer wird es sicher nicht.» Mit der KESD Villmergen hätten sie aber einen Partner auf Augenhöhe. Schliesslich waren fast alle überzeugt von der neuen Lösung. Dem Austritt stimmten 58 Stimmberechtigte zu. Per Ende 2024 wird dieser erfolgen, sofern die Abgeordnetenversammlung der KESD Bezirk Bremgarten diesem auch noch zustimmt. Dies allerdings dürfte nur eine Formsache sein.
Die Beschlüsse
Von den 712 Stimmberechtigten nahmen deren 60 an der Einwohnergemeindeversammlung teil. Sie sagten einstimmig Ja zum Protokoll und genehmigten auch das Budget, das nach Erläuterung aus dem Gemeinderat geändert wurde, mit nur drei Gegenstimmen. Mit 54 Ja-Stimmen genehmigten sie die 80 000 Franken für die Anschaffung und Installation von Elektrozählern (Smart Meter). 57 Stimmberechtigte sagten Ja zur Pensumerhöhung des Schulsekretariats. Bei zwei Gegenstimmen fand auch die Pensumerhöhung im Hauswart- und Bauamtsteam eine klare Mehrheit. Dem Austritt aus dem Gemeindeverband KESD Bezirk Bremgarten stimmten 58 Stimmberechtigte zu.
KESD bedauert den Austritt
Mit Büttikon ist bereits die dritte Gemeinde aus dem Gemeindeverband Kindes- und Erwachsenenschutzdienst Bezirk Bremgarten ausgetreten. Was sagt dessen Präsident, Arsène Perroud, zu diesem Entscheid? Der Vorstand des KESD bedauert den Entscheid der Gemeinde Büttikon, erklärt er. «Die Leistungen des KESD sind qualitativ gut, die Kosten konnten in den vergangenen Jahren gesenkt werden», so Perroud.
Keine Nachteile für Gemeinden entstanden
Der Entscheid komme überraschend. Seitens der Gemeinde Büttikon sei keine Kritik an der Dienstleistung an den Vorstand herangetragen worden. Im Gespräch zwischen dem Gemeinderat Büttikon und dem Vorstand des KESD hätte sich gezeigt, dass die Gründe bei der Trennung vom damaligen Geschäftsführer vor mittlerweile vier Jahren liegen. «Obwohl dadurch keine Nachteile für die Gemeinden entstanden sind und der operative Betrieb seither stabil und ruhig läuft, hat sich der Gemeinderat Büttikon zum Austritt entschieden», stellt der Präsident fest. Aber es liege im Verantwortungsbereich der Gemeinden, wie sie die qualitative Führung der Mandate im Kindes- und Erwachsenenschutz sicherstellen. Er selber ist überzeugt: Aufgrund der vielfältigen Fragestellungen im Kindes- und Erwachsenenschutzdienst ist dafür eine gewisse Organisationsgrösse notwendig, die mit einem regionalen Verbund sichergestellt ist.
Auswirkungen auf den Verband seien durch den Austritt nicht zu befürchten. «Der KESD führt für die Gemeinde Büttikon nur sechs Mandate. Bei gesamthaft rund tausend geführten Mandaten hat der Wegfall dieser Mandate keine Auswirkungen auf den Betrieb», erklärt Perroud. Und: «Weitere Absichten von Gemeinden, den KESD zu verlassen, sind dem Vorstand nicht bekannt.» --chh