Eine Mogelpackung

  07.04.2021 Mühlau

Interpellation von Ralf Bucher, Die Mitte, Mühlau

Aus ihrer Sicht verspreche die Trinkwasserinitiative etwas, das so nicht eintreffen werde. Das schreiben Ralf Bucher, Mühlau, Colette Basler, SP, Zeihen, Christoph Hagenbuch, SVP, Oberlunkhofen, und Beat Käser, FDP, Stein, in ihrer Interpellation. Sie wollen verschiedene Punkte der Initiative vom Regierungsrat beurteilt.

Annemarie Keusch

Am 13. Juni stimmt die nationale Bevölkerung über die Trinkwasserinitiative ab. Eine Annahme hätte fatale Auswirkungen, so schreiben es die Interpellanten. «Einerseits auf die schweizerische Land- und Ernährungswirtschaft, andererseits auf den Kanton Aargau als einer der führenden Agrarkantone und damit wichtiger Versorger der Schweizer Bevölkerung mit Lebensmitteln.» Die eidgenössische Forschungsanstalt Agroscope habe die Auswirkungen der Trinkwasserinitiative untersucht und komme zum Schluss, dass bei Annahme die Bruttokalorienproduktion (Nahrungsmittel) um bis zu 38 Prozent – je nach Szenario –, jedoch im Schnitt um rund 25 Prozent sinken werde.

Genug Hebel für noch nachhaltigere Landwirtschaft

In ihrer Interpellation halten die vier Politiker von vier verschiedenen Parteien fest, dass dadurch auch der Bedarf an Dienstleistungen für die im Aargau ansässigen Landwirtschaftsbetriebe sinken würde. In den vorgelagerten Betrieben, etwa im Bereich der Landmaschinen, Futtermittel, Hilfsstoffe oder Energie, würden seitens der Landwirtschaftsbetriebe weniger Produktionsfaktoren nachgefragt. Die im Aargau besonders stark vertretenen nachgelagerten Betriebe, etwa Mühlen, Bäckereien, Metzger, Käsereien, Milchverarbeiter oder Detailhändler, würden viel weniger landwirtschaftliche Produkte verarbeiten können. «Dies würde zur akuten Gefährdung unzähliger Arbeitsplätze führen», halten sie fest. Durch die verminderte inländische Produktion würden sowohl der Selbstversorgungsgrad als auch die Ernährungssicherheit sinken. «Eine Erhöhung der Lebensmittelpreise sowie eine bedeutende Zunahme der Importe wären weitere Folgen.» Die Forderungen der Initianten bezeichnen Sprecher Ralf Bucher und die Mitunterzeichnenden als völlig unverhältnismässig. «Sie schiessen massiv über das Ziel hinaus.» Die Schweiz nehme bezüglich Ökologie und Tierwohl bereits heute eine weltweite Spitzenposition ein und habe in den letzten Jahren massiv in das Thema Nachhaltigkeit investiert. «Die Unverhältnismässigkeit zeigt sich auch mit der Forderung nach einem Tierbestand, der mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden soll und somit jeglichen Futtertransfer zwischen Betrieben in der Schweiz ausschliesst.»

Die Landwirtschaft nehme die von der Initiative angesprochenen Themen ernst. Sie befinde sich in einem stetigen Verbesserungsprozess. Der Aktionsplan Pflanzenschutzmittel, die Strategie und der Aktionsplan Biodiversität, die Strategie der Antibiotikaresistenzen, die Branchenstrategie für eine nachhaltige Schweizer Futtermittelversorgung oder die parlamentarische Initiative «Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» – «es liegen nicht nur konkrete Massnahmen, sondern auch verbindliche Ziele und Fristen vor.» Die Umsetzung bei allen Themen laufe. «Mit der konsequenten Um- und Durchsetzung aller bestehenden Instrumente gibt es ausreichend Hebel, um die einheimische Landwirtschaft noch nachhaltiger zu machen und die aktuellen Herausforderungen anzugehen», sind die Interpellanten überzeugt.

Die Initiative sei eine Mogelpackung, verspreche etwas, das so nicht eintreffen werde. Deshalb fragen die Interpellanten nach der Beurteilung des Regierungsrates. Sie fragen, wie viele der rund 2500 direktzahlungsberechtigten Betriebe im Aargau aufgrund des Pestizidverbotes zukünftig nicht mehr direktzahlungsberechtigt wären. Betroffen seien davon ja auch die Biobetriebe.

Folgen auf die Arbeitsplätze

Sie wollen wissen, wie viele der rund 2500 direktzahlungsberechtigten Betriebe heute Futter zukaufen und demnach in Zukunft von den Direktzahlungen ausgeschlossen werden, auch wenn sie auf den Einsatz von Pestiziden verzichten würden. Sie fragen, wie der Regierungsrat die extreme Forderung nach betriebseigenem Futter beurteile. «Bei der Annahme der Initiative kann nicht einmal mehr Heu von einem anderen Betrieb, etwa dem Nachbarsbetrieb, zugekauft werden.» Ob der Regierungsrat die Einschätzung der Agroscope teile, wonach die Bruttokalorienproduktion um rund 25 Prozent zurückgehen wird, ist eine weitere Frage.

Sie wollen auch wissen, wie der Regierungsrat die Folgen des Rückgangs der Bruttokalorienproduktion auf die inländischen Landwirtschaftsbetriebe bezüglich der vorund nachgelagerten Branchen beurteile. «Wie schätzt er die Folgen auf die Arbeitsplätze in diesen Branchen ein?» Sie betonen zudem, dass der Rückgang der Produktion eine Verteuerung der Schweizer Nahrungsmittel zur Folge habe. «Mit welchen zusätzlichen Kosten für einen Vier-Personen-Haushalt ist jährlich für den Nahrungsmitteleinkauf zu rechnen, wenn dabei weiterhin auf Schweizer Qualität geachtet werden soll?» Zudem hätte ein Produktionsrückgang einen gesteigerten Import zur Folge. «Wie beurteilt der Regierungsrat die Nachhaltigkeit dieser Importe?» Eine der Fragen lautet zudem, wie der Regierungsrat die wirtschaftlichen Studien einschätze, dass die Trinkwasserinitiative gesamthaft einen negativen Effekt auf die Umwelt hätte. Und sie fragen, um wie viel Prozent die Biodiversitätsflächen im Aargau abnehmen würden, wenn die jetzigen ÖLN-Betriebe von den Direktzahlungen ausgeschlossen werden oder bewusst darauf verzichten und ihre Flächen wieder intensiver nutzen. Mitunterschrieben ist die Interpellation von 23 Mitgliedern des Grossen Rates.


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