Fall «Zigiholz» bleibt ungeklärt
23.11.2021 SarmenstorfSarmenstorf: Podiumsdiskussion «Grabologische Spurensuche» zum Themenjahr «Grabenstorf»
Der deutsche Star-Archäologe Hans Reinerth leitete 1927 die Ausgrabungen im Zigiholz in Sarmenstorf. Er interpretierte den Fundort als germanische Grabstätte, was später angezweifelt wird. Deshalb hat die Kantonsarchäologie die bedeutende Fundstelle im Jahr 2020 wieder zudecken lassen.
Nadine Lang
«Uns fehlen Originaldokumente zu diesen Ausgrabungen», sagt Georg Matter, der bis im Frühling 2020 Aargauer Kantonsarchäologe war. «Es gibt nur die Publikationen von Reinerth selber, und diese weichen doch sehr stark von den Interpretationen ab, wie wir sie heute machen würden. Seine Deutungen sind nicht nachvollziehbar.»
Bedeutende Fundstätte
Grund des Anstosses ist, dass Reinerth das Zigiholz als germanische Grabstätte interpretierte. Er behauptete, die Fundstätte in Sarmenstorf sei ein prähistorischer Beweis für die Überlegenheit der germanischen Kultur, die über die Schweiz hinweg bis nach Italien und weiter bis Griechenland ausgestrahlt habe. «Reinerths Aufgabe als Hauptarchäologe Deutschlands bestand darin, Kulturgut nach Deutschland zu holen», erklärt Pitsch Schmid, Mitglied der historischen Vereinigung Seetal und begeisterter Archäologie-Fan. So erstaunt es nicht, dass Reinerth aufgrund von ein paar gefundenen hölzernen Überresten im Zigiholz davon überzeugt war, dass hier ein germanisches Totenhaus gestanden habe. Dieses liess er 1970 gar rekonstruieren.
Reinerth war überzeugter Nazi
Da aber zwischenzeitlich bekannt wurde, dass Reinerth nicht nur ein kompetenter Prähistoriker, sondern auch ein überzeugter Nazi gewesen war, liess man die Grabstätten, die laut Kantonsarchäologie ideologisch von ihm missbraucht wurden, im Jahr 2020 wieder zudecken.
Verschiedenen Fragen nachgegangen
In der Diskussion, die von Jörg Meier, Grabologe, Journalist und Autor, geleitet wurde, ging man unter anderem der Frage nach, wie Reinerth denn in Sarmenstorf so ungestört wirken konnte. Dazu Pitsch Schmid: «Es gab nur vereinzelt kritische Stimmen. Alle anderen haben ihm geglaubt. Denn 1927 waren die Nazis noch nicht an der Macht.» Man habe damals mit völkerischem Gedankengut um die Identität gerungen. Dies sei zu jener Zeit «normal» und nicht verwerflich gewesen. Die menschenverachtenden Ideologien und Missbräuche durch Nazis seien erst später entlarvt worden.
Weiter wollte Meier von den Experten wissen, wie verhindert werden kann, dass archäologische Forschung für ideologische Zwecke missbraucht wird. «In den letzten 30 Jahren hat man einen Forschungszweig entwickelt, der bestimmt, was zugelassen ist und was nicht. Heute werden auf wissenschaftlicher Basis Fakten generiert und Originaldokumente gesichert. Erst dann kommt es zu Auswertungen und Interpretationen», so Georg Matter, heutiger Leiter Abteilung Kultur beim BKS des Kantons Aargau.
Über eine Stunde lauschten die rund 40 Anwesenden gespannt den interessanten Ausführungen der drei Fachleute. Die Frage, was im Zigiholz damals wirklich gefunden wurde und woher die Toten in den 21 Grabhügeln stammen, konnten aber auch sie nicht abschliessend beantworten. Der Fall «Zigiholz» bleibt also weiterhin ungeklärt.
Noch weitere Aktionen geplant
Zum Themenjahr «Grabenstorf» finden noch weitere Anlässe statt. So hat Anfang November auf dem Lindenplatz das Grabologielabor seinen Betrieb aufgenommen. Als erste Aktion wird eine Tiefenbohrung gemacht, um die Qualität und die Geheimnisse der Erde zu erforschen. Besucherinnen und Besucher können sich vor Ort über die Ergebnisse informieren.
Am Samstag, 18. Dezember, um 13.15 Uhr folgt auf dem Werkhof Sarmenstorf der Grabwettbewerb «Das grosse Graben». Gestartet wird in vier verschiedenen Kategorien. Welches Team kann am schnellsten und tiefsten graben? Informationen und Anmeldung unter www.grabenstorf. ch.