Fernab der Heimat
21.02.2025 WohlenDie Wohlerin Meryl Blanc arbeitet derzeit als Lehrerin in Singapur
Vom beschaulichen Wohlen in die Grossstadt Singapur. Vom gemässigten Klima der Schweiz in eine tropische Umgebung. Von einer öffentlichen Schule in eine private Bildungseinrichtung. Meryl Blanc ...
Die Wohlerin Meryl Blanc arbeitet derzeit als Lehrerin in Singapur
Vom beschaulichen Wohlen in die Grossstadt Singapur. Vom gemässigten Klima der Schweiz in eine tropische Umgebung. Von einer öffentlichen Schule in eine private Bildungseinrichtung. Meryl Blanc erlebt gerade viel Spannendes. «Ich habe ein solches Abenteuer gesucht», sagt die Wohler Lehrerin.
Chregi Hansen
Es war ihr grosser Wunsch, für eine gewisse Zeit im Ausland zu arbeiten. Und die Schweizerschulen im Ausland ermöglichen ihr als Lehrerin, diesen Traum zu erfüllen. Von daher war die Vorfreude gross. «Aber als ich dann ein konkretes Jobangebot auf dem Tisch hatte, wurde es mir schon etwas mulmig. Will ich wirklich ein Jahr weg von allem, was mir lieb ist? Wie wird das sein, wenn ich ganz auf mich allein gestellt bin?», schaut Meryl Blanc ein paar Monate zurück.
Inzwischen weiss sie: Der Entscheid, zu gehen, der war absolut richtig. «Es ist eine megacoole Erfahrung. Ich lerne so viel. Beruflich, aber auch persönlich», sagt sie im Telefongespräch. Sich auf ein solches Abenteuer einzulassen, das kann sie nur jedem empfehlen. «Natürlich gab es auch schwierige Momente, gerade am Anfang, als ich noch kaum jemanden kannte. Aber es tut gut, sich mal allein durchzuschlagen», so die 30-Jährige. Die grosse Distanz zur Heimat habe noch einen weiteren Vorteil. «Zu Hause hatte ich, ohne dass ich mir dessen bewusst war, immer viele Verpflichtungen. Durch meinen Beruf. Meine Hobbys. Den Freundeskreis und die Familie. Hier kann ich einfach mal sein, habe ich auch mal keinerlei Termine», sagt sie.
Wenn Schweizer Kinder zu Hause Englisch reden
Das bedeutet aber nicht, dass sie auf der faulen Haut liegt, im Gegenteil. Die Arbeit an der Schule in Singapur, wo Schweizer Qualitätsbildung auf ein internationales Umfeld trifft, ist durchaus herausfordernd. Es handelt sich um eine Privatschule, in der vor allem Kinder von Expats unterrichtet werden. «Es sind meist Kinder von Eltern, die durch ihren Beruf immer wieder umziehen. Und es sind auch nicht nur Schweizer Kinder», erklärt die Wohlerin. Unterrichtssprache sei zwar Deutsch oder Französisch, aber die Kinder sprechen unter sich fast immer englisch. «Das war am Anfang schon eine Umstellung. Es hat auch einige Kinder, für die Deutsch tatsächlich eine Fremdsprache ist, obwohl sie Schweizer sind. Denn zu Hause in der Familie wird englisch gesprochen.»
Meryl Blanc ist an der Schweizerschule in Singapur Klassenlehrperson für eine gemischte 1. und 2. Klasse mit insgesamt 21 Kindern. Unterrichtet wird nach dem Schweizer Lehrplan. «Vieles ist ähnlich wie bei meinen früheren Stellen in der Schweiz. Und doch ist es total anders. Die Schule ist international und liegt am Rande eines Naturschutzgebiets, das Klima ist tropisch, die Distanzen in der Stadt sind viel grösser», erzählt die Lehrerin. Viele Kollegen und Kolleginnen sind wie sie erst seit Kurzem an der Schule tätig. Die meisten bleiben für zwei Jahre.
Gerade die ersten Wochen waren sehr anstrengend für sie. Allein in einer fremden Stadt und an einer Schule, die sie nicht kannte. Inzwischen hat sie sich eingelebt, schätzt den Kontakt mit den anderen Lehrpersonen. Gerade auch mit den Französischsprechenden. «Man merkt, dass Schule in der Westschweiz teilweise anders funktioniert als in der Deutschschweiz. Von diesem Austausch kann ich profitieren», sagt sie. Hingegen tut sie sich immer noch etwas schwer mit dem Prinzip von Privatschulen, wie es die Schweizerschule ist. Von denen gibt es in Singapur viele, und manche davon sind so elitär, dass sie vor der Aufnahme unter anderem einen IQ-Test verlangen.
Plädoyer für Volksschule
Dass man für den Unterricht bezahlen muss und man bessere Schulen besuchen kann, wenn man mehr Geld hat, das widerspricht den Grundprinzipien von Meryl Blanc. «Ich finde den Schweizer Ansatz mit der integrativen Schule besser. Dieser ermöglicht allen Kindern den gleichen Zugang zur Bildung», gibt sie offen zu. Natürlich sei auch in der Schweiz in Sachen Bildung nicht alles perfekt, auch weil zum Teil die Ressourcen fehlen. Trotzdem: «Ich mag unsere Volksschule lieber.»
Ruhig, grün und sicher
Das ist eine der wichtigen Erfahrungen, welche sie in ihrem Auslandsjahr macht. Andere betreffen eher die persönliche Ebene. So wohnt Meryl Blanc allein in einer Wohnung mitten in der Millionenstadt. Knapp sechs Millionen Menschen leben hier, kein Vergleich also zu den 17 000 Personen in ihrer Heimatgemeinde. Trotzdem sei das Leben alles andere als hektisch. «Es ist eine saubere, ordentliche Stadt mit viel Grün. Die Fläche ist für eine Grossstadt eher klein, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man schnell und günstig überall hin. Und auch als Frau fühle ich mich sicher, wenn ich allein unterwegs bin», schwärmt sie. Sie lebt in einer kleinen Wohnung in einer Anlage mit verschiedenen Annehmlichkeiten. Mitten in der Stadt. «Und trotzdem ist es hier vergleichsweise ruhig.» Die Wohnung konnte sie von einer früheren Lehrerin der Schweizerschule übernehmen. Auch dies ein Glücksfall – ansonsten ist es gar nicht so einfach, erschwinglichen Wohnraum zu finden.
Dank Fussball den Anschluss gefunden
Inzwischen kann sie auch wieder ihr geliebtes Hobby betreiben. Meryl Blanc spielt seit vielen Jahren Fussball beim FC Wohlen. Seit einigen Wochen trainiert sie bei einem Team in Singapurs 1. Liga. «Die Verhältnisse im Club sind fast schon professionell. Die Anlagen sind hervorragend, das Team wird von mehreren Trainern betreut, das Niveau ist recht hoch», schwärmt sie. Einen Match zwischen ihrem alten und ihrem neuen Team würde sie reizvoll finden. Sport und Bewegung hätten in der ehemaligen englischen Kolonie einen hohen Stellenwert und würden entsprechend gefördert. Bisher konnte die Flügelspielerin nur trainieren, wegen der Regenzeit dauert die Saison nur von März bis Juli. Doch für sie ist das Mitmachen im Team eine willkommene Abwechslung zur Arbeit und ermöglicht ihr auch Kontakte zu Einheimischen. Diese erlebt sie als sehr gastfreundlich, aber auch etwas reserviert. «Wenn man wie ich allein unterwegs ist, muss man eben den Kontakt suchen, muss selber aktiv sein, es wartet niemand auf einen», sagt sie.
Etwas sehen von der Welt
Die unterrichtsfreie Zeit nutzt die Freiämterin, um ihre Umgebung kennenzulernen. Sie hat in den ersten Monaten bewusst viel vorgearbeitet, um dann die Schulferien für Reisen nutzen zu können. «Wenn ich schon hier lebe, möchte ich das auch ausnützen. Von Singapur aus ist man mit dem Flieger schnell in anderen asiatischen Gegenden», erzählt sie. Dabei wollte sie doch ursprünglich in ein spanischsprachiges Land. Doch dann hat sie sich für Singapur entschieden. Eben auch darum, weil sie von hier aus viele Entdeckungsreisen machen kann. «Ich habe den Entscheid nie bereut», macht sie deutlich. Auch von Heimweh blieb sie bisher verschont. Dank den heutigen digitalen Möglichkeiten bleibt sie im Kontakt mit den Lieben zu Hause. Und gerne empfängt sie auch Besuch aus der Heimat und zeigt ihm die Stadt. «Singapur hat eine spannende Geschichte, und diese ist spürbar.»
Noch keine festen Pläne für die Zeit danach
Nur die Vorweihnachtszeit war nicht ganz einfach. All die Traditionen in der Schweiz, sie fielen in diesem Jahr aus. In Singapur werden die Strassen zwar auch geschmückt, «aber das fast schon in kitschigem Stil», so Blanc. Um nicht ganz auf das Fest der Liebe verzichten zu müssen, flog sie über Weihnachten für einige Tage in die Schweiz. Zu ihrem Mann, der Familie und zu den Freunden. Nun aber befindet sie sich im zweiten Semester. Und was folgt nach ihrer Zeit in Singapur? «Das weiss ich noch nicht», lacht die Wohlerin. Sie bleibt allenfalls noch länger in Asien und geht auf Reisen. Nach ihrer Rückkehr will sie wieder in der Schweiz als Lehrerin tätig sein. Dank dem Lehrermangel wird es sicher kein Problem, eine Stelle zu finden. Und dank ihren Erfahrungen an den Schweizerschule wird sie sicher vieles mit neuen Augen sehen. «Ein solches Jahr kann ich allen empfehlen», sagt sie darum zum Schluss noch einmal. «Man gibt zwar für ein Jahr vieles auf, aber man gewinnt auch viel», so ihre Bilanz.
Schweizerschulen im Ausland
Die 17 vom Bund anerkannten Schulen bieten eine hochwertige Ausbildung nach Schweizer Lehrplan in zehn Ländern auf drei Kontinenten – von Mailand und Madrid über Bogotá und Curitiba bis Singapur und Beijing. Die 1967 gegründete Schule in Singapur führt zum deutschenglischsprachigen auch einen französisch-englischsprachigen Klassenzug. Aktuell werden hier rund 260 Kinder auf den Stufen Vorschule, Kindergarten und Primarstufe unterrichtet. Die Schweizerschule Singapur ist eine kleine familiäre Schule, eingebettet in tropischer Landschaft und fernab des Grossstadtlärms, die mit qualitativ hochstehender Bildung auf das Leben vorbereitet und die den Kindern gleichzeitig viel Platz für Spiel und Sport bietet. --red