Für ein Bier aus der Region
16.06.2020 OberlunkhofenChristoph Hagenbuch hat auf seinem Hof Braugerste angepfanzt
Der Bierkonsum hat in den letzten Jahren abgenommen. Dank den lokalen und regionalen Brauereien ist das Angebot jedoch vielfältiger geworden. Die Bestandteile des Biers kommen vielfach aus dem Ausland. Das soll sich nun ändern.
Erika Obrist
«Vielleicht geht dieser Tag in die Geschichte ein», sagte Landammann Markus Dieth am letzten Samstag. Der Landwirtschaftsminister war nach Oberlunkhofen gekommen, um sich ein – wie er es nannte – Pilotprojekt anzuschauen. Auf dem Hof von Grossrat Christoph Hagenbuch wächst auf einer Fläche von 2,5 Hektaren Braugerste. Aus dieser Gerste wird Malz gewonnen, ein wichtiger Bestandteil des Biers. In der Schweiz gibt es keinen Betrieb, der Braugerste zu Malz verarbeitet. Das soll sich ändern.
Wertschöpfung vor Ort
Es sei auch etwas Idealismus dabei, dass er erstmals Braugerste angepfanzt habe, so Christoph Hagenbuch. Hätte er Futtergerste gesät, so würde der Ertrag dreimal so hoch ausfallen. Die Ähren der Braugerste weisen weniger, dafür grosse Körner auf. Der Eiweissgehalt ist gering, weswegen nur sehr wenig Dünger ausgebracht wird. Aus den rund 10 Tonnen, die er ernten kann, entstehen an die 6,5 Tonnen Malz. Für die Gewinnung von Malz muss er seine Braugerste allerdings nach Deutschland exportieren. Das stört Hagenbuch, der für ein Bier «mit Schweizer Wurzeln» einsteht, wie er es ausdrückt. Er möchte, dass die ganze Wertschöpfung in der Region bleibt: Anbau, Mälzen, Brauen, Konsumieren.
Bei der Herstellung von Malz wird die gereinigte Braugerste in Wasser eingeweicht und zur Keimung gebracht. Dadurch bilden sich im Mehlkörper Proteine und Stärke verwandelt sich in Malzzucker. Nach wenigen Tagen wird die Gerste getrocknet und die Keimlinge werden entfernt. Das Malz ist danach lagerfähig.
Ziel: ein Verarbeitungsbetrieb
Für einen Verarbeitungsbetrieb wirbt die IG Mittellandmalz. Das ist ein Zusammenschluss von Landwirten und Brauern mit dem Ziel, die Produktion und Verarbeitung von Braugerste im Mittelland aufzubauen und zu sichern. Geht es nach Landammann Markus Dieth, müsste der Verarbeitungsbetrieb im Aargau stehen. Der Kreislauf von Produktion, Verarbeitung und Absatz wäre so geschlossen. Rund 75 000 Tonnen Malz importiere die Schweiz jährlich. «Unser Ziel ist es, mindestens ein Prozent davon in der Schweiz herzustellen», so Geschäftsführer Dominik Füglistaller. Allerdings wird derzeit auf lediglich 79 Hektaren Braugerste angepfanzt, was 350 Tonnen Malz im Jahr ergibt.
Das Mälzen in der Schweiz sei zwar rund viermal teurer als im Ausland. Das mache pro Fläschchen Bier aber weniger als zehn Rappen aus, so Christoph Hagenbuch. «Es lassen sich Konsumenten fnden, die sich für das lokale Produkt entscheiden», ist er überzeugt. Der Konsument wolle heute wissen, woher die Produkte kommen, und er sei bereit, dafür etwas mehr zu bezahlen.
Einblick ins Brauen
Allein für die rund siebzig Brauereien im Aargau bräuchte es eine Anbaufäche von 2000 Hektaren, um den Jahresbedarf an Malz zu decken. Einer dieser Betriebe ist die Brauerei Drüüklang von Stefan Stutz in Oberlunkhofen. Gebraut wird hier seit vier Jahren. In der Freizeit werden hier an die 12 000 Liter Bier gebraut. Der Verkauf erfolgt ab Rampe und in den Restaurants der Region. Auch im Restaurant zum Bauernhof der Familie Hagenbuch sind die fünf verschiedenen Biere zu haben.
Der Aargau habe eine vielseitige und lebendige Bierkultur, so der bekennende Bierliebhaber Markus Dieth. Zudem weise der Kanton fruchtbare Böden auf, die für den Getreideanbau geeignet sind. Auf rund 3000 Hektaren werde Gerste angebaut; Braugerste mache noch einen verschwindend kleinen Anteil aus. Was noch fehle in der Wertschöpfungskette, sei die lokale Verarbeitung von einheimischer Gerste zu Malz.
Sein Departement und das landwirtschaftliche Zentrum unterstütze die Idee eines lokal produzierten Biers samt Mälzerei im Mittelland, so Dieth weiter, der für die Umsetzung viel Erfolg wünschte. Und sollte es dereinst eine Mälzerei geben im Aargau, so würde der letzte Samstag in Oberlunkhofen tatsächlich in die Geschichte eingehen.