Für etwas mehr Toleranz

  04.08.2020 Tägerig

Sommerserie «Was ich schon immer schreiben wollte»: Ruth Zwahlen, Tägerig

Seit 24 Jahren führt Ruth Zwahlen das Hanfmuseum in Tägerig. Gleichzeitig setzt sie sich für eine mildere Drogenpolitik ein.

Da hatten meine Tochter und ich doch tatsächlich den Traum, die Schweiz gerechter werden zu lassen. Vor einem halben Jahr starteten wir die Online-Petition: Für eine gesetzeskonforme Drogenpolitik: Nicht strafbar soll nicht strafbar sein, Art. 19b Betäubungsmittelgesetz.

Warum werden Drogenkonsumenten kriminalisiert? Alkoholkonsumenten werden es doch auch nicht. Wenn Menschen Probleme haben, egal mit welcher Substanz, sollten sie sich beraten lassen dürfen. Ohne Angst und ohne Vorwürfe. Einfach von ihrem Kummer erzählen dürfen. Dann hören, was sie tun können. Darüber sprechen ist schon hilfreich.

Die meisten Menschen haben einen problemlosen Umgang mit Alkohol oder Drogen. Sie haben ihr Leben im Griff. Diese Leute sollte der Staat in Ruhe lassen. Ihr Leben leben lassen. Sie nicht mit polizeilichen Mitteln zur Enthaltsamkeit zwingen. Übrigens, im Lexikon steht: Drogen = getrocknete Kräuter. Seit 24 Jahren führe ich das Hanfmuseum. Es entstand aus politischen Gründen. Seither sammle ich alles zum Thema Hanf, Hanfprodukte, Drogen, Suchtmittel, egal welche. Es gibt ja viele Süchte: Geld-, Bau-, Arbeits-, Putz-, Sport-, Spiel-, TV-, Handy-, Ess- oder Magersucht und so weiter. Suchen Sie Ihre Sucht. Wenn Sie keine haben, umso besser. Seien wir nicht zu streng mit uns und mit unseren Mitmenschen. Ein liebes Wort, ein Lächeln, etwas Toleranz, ein Augenzwinkern ist viel heilsamer als Schimpfen und Nörgeln. Gerade jetzt auch in der schwierigen Coronazeit. Übrigens zur Spielsucht. Wussten Sie, dass Jassen mal streng verboten war? Besitzen, Verschenken und Spielen wurde hart bestraft. Damals nannte man den Jass Lustlisspiel. Sogar Kaffeegenuss war mal verboten.

Ich durfte lernen, dass vor 1951 alle Bauern, überhaupt jeder Mensch Hanf anpflanzen durfte, so viel er wollte. Bevor Aspirin erfunden wurde, war Cannabis (ist der lateinische Name für Hanf) das meistbenutzte Schmerzmittel. Man machte aus Hanf Seile, Kleider oder Brot. Hanf war der Tabak der armen Leute, man nannte ihn Knaster. Vögel lieben die Hanfsamen. Hanf ist die vielfältigste Pflanze der Welt.

Dann 1951, auf Druck von Amerika, wurde Hanf auch in der Schweiz verboten. Er wurde schlechtgemacht, alles Böse wurde über ihn gesagt. Man kann es kaum fassen. Menschen werden gebüsst, eingesperrt, aus Familien oder von Arbeitsplätzen verstossen und so weiter. 2019 wurden in der Schweiz 35 000 Menschen gebüsst oder eingesperrt.

1945 war der Zweite Weltkrieg zu Ende. Damals wurde die Schweiz von den Bundesräten im Notrecht regiert. Das Notrecht wurde erst wieder 1952 aufgehoben. Es brauchte sogar eine Volksabstimmung, dass dies zustande kam. Der damalige Bundesrat Philipp Etter (1891–1977) hat uns das Hanfverbot eingebrockt, das seit dem 3. Oktober 1951 besteht. Seither wird an diesem Verbot herumgeschraubt. Etwas abgeändert, Strafe verschärft, Strafe gelockert, Hanfsamenverbot. Wie lange das wohl noch so weitergeht?

Pro Jahr werden in der Schweiz CHF 800 Millionen für die Repression ausgegeben (Menschen verfolgen, bestrafen). Wie wärs mit Aufklären. Das wäre sicher auch der Jugend gegenüber ehrlicher.

Unterdessen, seit 2016, gibt es den CBD-Hanf, er hat weniger als 1 Prozent THC-Gehalt. Er ist legal. Es gibt etliche Läden, wo man CBD-Hanf-Produkte kaufen kann. Das Personal kann die Kunden beraten.

Seit drei Jahren werden Menschen, die unter 10 Gramm Cannabis (Hanf) mit über 1 Prozent THC bei sich haben, nicht mehr gebüsst. Aber die Polizei nimmt es ihnen weg. CBD-Hanf darf man rauchen, THC-Hanf nicht. Eine grosse Unsicherheit herrscht. Deshalb unsere Forderung: Praxisänderung bezüglich Art. 19b BetmG. Wir haben die Petition verlängert, sie läuft bis im Herbst. Zudem haben wir noch einen unterhaltsamen Clip zum Thema gedreht. Danach werden wir die Unterschriften Frau Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Justizdepartement, überbringen.

Ist Hanf aus lauter Gewohnheit noch verboten? Man sollte über die Bücher gehen. Diese Angelegenheit nüchtern betrachten.

Ruth Zwahlen, Tägerig


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