Für junge Menschen zur Stelle
30.10.2020 SarmenstorfDer AKF-Frauenpreis geht heute Freitag an «Die Tanten»
Wenn sich junge Menschen in einer Krise befinden und nicht weiterwissen, kommen «Die Tanten» zum Einsatz: Mit ihrem Engagement unterstützen sie junge Erwachsene in schwierigen Situationen. Für ihre Arbeit werden sie heute Freitag mit dem Frauenpreis des Aargauischen Katholischen Frauenbunds (AKF) ausgezeichnet.
Celeste Blanc
Wenn die Vorstandsmitglieder der «Tanten» Josefine Krumm, Alice Lüps, Pia Steiner sowie Regula Meier-Rösti auf der Vereinshomepage die Kommentare der jungen Menschen durchsehen, denen geholfen wurde, huscht bei jeder einzelnen ein Lächeln über das Gesicht. Stärkung und Rückenwind – unter diesem Credo setzt sich der Verein mit Sitz in Sarmenstorf unentwegt für junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren ein. Man möchte das zurückgeben, was man in seinen eigenen jungen Jahren sehr geschätzt hat. «Wir alle haben die eine Tante oder den einen Onkel, der zwar nicht jeden Tag an unserer Seite war, der uns aber auf irgendeine Art ein gutes Gefühl gegeben hat», so Präsidentin Josefine Krumm. Die Rückmeldungen sprechen Bände, sind voller Dankbarkeit für die Helferinnen. «Sie bestätigen immer wieder, dass wir etwas richtig machen und Sinnvolles in unserem Leben tun», freut sich Alice Lüps. Für dieses Engagement erhalten «Die Tanten» heute Abend in der katholischen Kirche Peter und Paul in Aarau den AKF-Frauenpreis, der mit 20 000 Franken dotiert ist.
Einmalige «Betantung» für weitere Schritte
Seit 2014 unterstützt der Verein junge Erwachsene, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden: Sei es in akuten Situationen wie jemandem in finanzieller Hinsicht durch die Übernahme von angefallenen Kosten Entlastung zu geben, bei bürokratischen Angelegenheiten wie dem Ausfüllen von Darlehens- und Stipendienanträgen weiterzuhelfen oder materielle Hilfe zu leisten. «Man sieht es den jungen Menschen nicht immer an, aber oft steht ihnen das Wasser bis zum Hals und sie sind überfordert», erklärt Krumm. Mit einer einmaligen sogenannten «Betantung» möchte man der Person einen Schubs in eine weiterführende Richtung geben. «Oder je nach Situation eine Tür öffnen, eine Starthilfe für den nächsten Schritt bieten oder einfach nur der Person die Zuversicht und das Selbstvertrauen mitgeben, dass sie es schaffen kann», erläutert Regula Meier-Rösti, die seit fünf Jahren Aktivmitglied ist und sich als eine der ersten Tanten dem Verein voll verschrieben hat.
Toilettenartikel sind gefragte Gegenstände
Oft werden die jungen Erwachsenen über das Tanten-Netzwerk ins Gespräch gebracht. «Aber auch, wenn jemand direkt nach Hilfe fragt. Das ist wichtig, denn nach Hilfe fragen zu können ist eine Fähigkeit», so Krumm. Dann wird die Dringlichkeit eruiert und abgeklärt, wer Hilfe bieten kann. Das Netzwerk besteht aus rund 30 Mitgliedern, die bei ihrem Eintritt erklären, was sie zu bieten haben: Von der Begleitung zu Terminen über finanziellen «Zustupf» bis hin zum Treffen für ein Gespräch – das Angebot ist vielfältig. Viele der Mitglieder bieten sich als «Päckchen-Tante» an und leisten Hilfe und Unterstützung mit der Zusendung eines Päckchens. Oftmals werden damit Gegenstände wie Bettwäsche, Kleidung oder auch Toilettenartikel versendet. «Es erstaunt, wie viele der jungen Erwachsenen auf Toilettenartikel angewiesen sind und dankbar für Zusendungen sind», weiss Gründungstante Pia Steiner.
Keine Abhängigkeiten schaffen
Die Tanten legen Wert darauf, dass Hilfe und Unterstützung schnell und unkompliziert geleistet werden kann. Das ist genau das, was die Vorstandsmitglieder so schätzen: Beim Verein handelt es sich um keine Maschinerie, deren Regeln und Kriterien streng eingehalten werden müssen und langwierige Abklärungen erfordern, sondern es kann effizient gehandelt werden. Oft wird die Hilfe anonym durchgeführt. «Die jungen Erwachsenen sollen nicht in eine Abhängigkeitsrolle rutschen. Mann soll schliesslich nicht eines Tages auf die Person treffen und sich ihr zu ewigem Dank verpflichtet fühlen oder sich für die Hilfeannahme schämen», so Josefine Krumm. Handkehrum sollen die Tanten nicht in eine Therapeutenrolle rutschen und sich verpflichtet fühlen, die Heldin zu spielen.
Belastung kennt viele Gesichter
Aus den sechs Vereinsjahren können die Tanten viele Geschichten erzählen – und jede ist einzigartig. So beispielsweise die Hilfe für eine junge Frau während der Coronakrise. Diese war positiv auf das Virus getestet worden. Für zwei Wochen musste sie in Isolation, lebte aber mit ihrer Mutter und Schwester – beides Risikopatientinnen – im gleichen Haushalt. Gleichzeitig stand sie fünf Monate vor Abschluss ihrer Ausbildung, in der sie sich auf den Abschluss sowie die Diplomprüfung vorbereiten musste. «Innerhalb weniger Stunden haben wir für sie ein Hotelzimmer organisiert, in dem sie die Isolation verbringen konnte», so Meier-Rösti.
In diesem Fall hatten Belastung und Aussichtslosigkeit viele Gesichter: «Für sie war die Situation Stress pur. Die Angst, ihre Liebsten anzustecken und keine Lösung parat zu haben, weil die finanziellen Mittel fehlten, sowie der Druck, den Lehrabschluss erfolgreich zu bestehen.» Durch diese Betantung konnte der jungen Frau eine enorme Last von den Schultern genommen werden. Mit 20 000 Franken werden die «Tanten» für ihr vielfältiges Engagement ausgezeichnet. Allein schon die Tatsache, dass man vom AKF-Frauenpreis-Komitee angefragt wurde, war für die Vorstandstanten aufregend. «Im Vergleich zu anderen Preisen interessiert sich der AKF wirklich für das, was man macht, und wie alles funktioniert», freut sich Josefine Krumm, «mit diesem Preis wird wirklich unsere Arbeit geehrt.» Was genau mit dem Gewinn geschehen soll, wissen die Damen bereits. «Wir werden sicherlich mit dem Team feiern und richtig gut essen gehen – schliesslich dürfen wir uns auch selber für den Einsatz würdigen», lacht Krumm. Der Restbetrag wird ausnahmslos in die Vereinskasse fliessen. «Wir sind kein gewinnorientierter Verein, aber es ist sicher eine komfortable Lage, mit einem finanziellen Polster weitermachen zu können», so Alice Lüps. Grundsätzlich wird sich trotz dieser Auszeichnung aber nichts gross für den Verein ändern. Auch die Aktionen wie die Modeschauen, Vernissagen, Gesprächsabende und viele mehr, mit denen die Finanzen für die Unterstützung eingeholt werden, werden weitergeführt. «Diese Aktionen machen uns Spass und ermöglichen einen Austausch», so Krumm. Für die Zukunft hat der Vorstand aber dann doch einen kleinen Wunsch: nämlich, dass der Verein ein noch etwas grösseres Echo erreicht, um die jungen Menschen wissen zu lassen, dass Hilfe da ist, wenn sie gebraucht wird. «Es wäre schön, unser Engagement an Berufsschulen oder bei Personen, die junge Menschen begleiten, zu verbreiten», so Krumm. Aber alles zu seiner Zeit – heute darf gefeiert werden.
Mehr Informationen zu den Tätigkeiten der «Tanten»: www.die-tanten.ch
Der AKF
Der Aargauische Katholische Frauenbund (AKF) ist der grösste kantonale Frauenverband. Er setzt sich für verschiedene Anliegen ein, unter anderem für die Unterstützung und Mitarbeit an Frauenprojekten im Aargau sowie Überbrückungshilfen für Frauen und Kinder. Bereits zum 24. Mal vergibt der AKF den Frauenpreis, der mit 20 000 Franken dotiert ist. Für die Präsidentin des AKF-Frauenpreis-Komitees Vroni Peterhans-Suter ist dieser heuer verdient an den wertvollen Dienst der «Tanten» gegangen: «Durch die Arbeit der Tanten, die oft im Stillen und unsichtbar geschieht, können viele junge Menschen einen mutigen Schritt in die Zukunft wagen.» Vor allem in der heutigen Zeit, die durch Corona unsicher scheint und viele Fragen offenlässt, bietet das Projekt ein Stück Sicher- und Geborgenheit. «Das, was den Verein auszeichnet, ist, dass er junge Menschen bei der Hand nimmt. Manchmal braucht man einen Schubs, eine Schulter oder einen Rat, damit man nicht aufgibt und weitermacht.» --cbl