Fusion droht zu scheitern
06.05.2022 BoswilGemeinderat Boswil beantragt den Abbruch der Fusionsanalyse
Was vor vier Jahren unter positiven Anzeichen begonnen hatte, soll nun beendet werden. Die Gemeinde Boswil sieht keinen Sinn mehr darin, die Fusionsplanung weiterzuziehen.
Susanne Schild
Seit 2018 finden Gespräche über eine Fusion der Gemeinden Boswil und Bünzen statt. «Zusammenwachsen – Zusammen wachsen», das war die Idee. «Zumal es in Bünzen seit Längerem schwierig war, den Rat zu besetzen. Teilweise mussten vier die Arbeit von fünf erledigen», sagt Michael Weber, Gemeindeammann Boswil. Nach dem Rücktritt von Marlies Müller als Gemeindeammann stellte sich Stefan Kuhn als einziger der vier Gemeinderäte zur Wiederwahl.
«Lieber jetzt fusionieren als aus der Not heraus», darüber seien sich damals alle einig gewesen, so Weber weiter. Zumal damals noch nicht klar gewesen sei, ob die vier vakanten Plätze im Bünzer Gemeinderat überhaupt besetzt werden könnten.
Der Zusammenschluss hätte Sinn ergeben
Die Gemeindeversammlungen von Boswil und Bünzen haben im Herbst 2021 einem Kredit von je 115 000 Franken zugestimmt, um die Gemeindefusion detailliert zu prüfen. Darauf hin wurde ein Referendum gegen die Fusion ergriffen. Dieses führte in Bünzen zu einer knappen Bestätigung des Weges. Bei den Erneuerungswahlen im Herbst 2021 wurden dann vier neue Gemeinderäte gewählt, die vorher das Referendum unterstützt haben. «Wir wollten dem neuen Bünzer Gemeinderat Zeit geben, sich einzuarbeiten. Die berühmten 100 Tage. Daher haben wir bis März die Sache ruhen lassen», sagt Jakob Dolder, Vizeammann Boswil. Als die Gespräche wieder aufgenommen wurden, habe sich schnell herauskristallisiert, dass der neue Bünzer Gemeinderat bestrebt ist, eigenständig zu bleiben, dass nicht mehr die Devise «Kopf vor Herz», sondern «Herz vor Kopf» gilt.
Bestätigt wurde dies dadurch, dass der Gemeinderat Bünzen eine Zusammenarbeit beim Werkhof trotz eindeutig belegter Synergien ablehnte. «Das Vorgehen war für uns äusserst befremdlich und führte beim Gemeinderat Boswil zu grundsätzlichen Überlegungen», sagt Michael Weber. «Es ist Zeit, die Bremse zu ziehen.»
«Der Abbruch ist kein Beinbruch»
Boswiler Gemeinderat will den gemeinsam eingeschlagenen Weg mit Bünzen abbrechen
Bünzen ist bestrebt, eigenständig zu bleiben. Daher ist der Boswiler Gemeinderat nicht mehr gewillt, in weitere Vorabklärungen bezüglich der Fusion mit der Gemeinde Bünzen zu investieren. Auch der Bünzer Gemeinderat will sich dafür einsetzen, dass die beste Lösung gefunden wird. Jetzt liegt die Entscheidung beim Souverän.
Susanne Schild
«In einem Arbeitstreffen vor zwei Wochen, haben wir dem Bünzer Gemeinderat nahegelegt, die Bevölkerung an der nächsten Gemeindeversammlung nochmals zu fragen, ob eine Fusion noch gewünscht ist oder nicht», sagt Gemeindeammann Michael Weber. Obwohl alles dafür spreche, dass die Gemeinde Bünzen eigenständig bleiben will, will diese dennoch am vorgegebenen Fahrplan festhalten. «Für uns hingegen steht fest, wenn Bünzen diesen Schritt nicht macht, dann machen wir ihn», so Weber. Deshalb beantragt der Gemeinderat von Boswil, an der kommenden Einwohnergemeindeversammlung am 21. Juni die Fusionsanalyse nicht zu erstellen. Den Bünzer Gemeinderat habe man am Mittwoch über diesen Entscheid informiert, erklärt Weber. «Wir haben natürlich abgeklärt, ob ein Entscheid, der von einer Gemeindeversammlung bereits für gutgeheissen wurde, wieder zur Abstimmung gebracht werden kann», sagt Weber. Es sei rechtens, wenn neue Erkenntnisse vorliegen würden, was jetzt der Fall sei, da Bünzen offensichtlich eigenständig bleiben wolle.
Für Bünzen die beste Lösung finden
«Die Mehrheit der Mitglieder des Gemeinderates Bünzen würde einen Alleingang begrüssen», bestätigt Marcel Riesen, Gemeindeammann Bünzen. Entscheiden würden dies jedoch die Stimmberechtigten. Von der Bevölkerung habe der Gemeinderat den Auftrag erhalten, die vertieften Abklärungen zusammen mit der Gemeinde Boswil auszuführen, um eine solide Entscheidungsgrundlage für den Souverän zu erhalten. «Die neuen Mitglieder des Gemeinderates sind sich dessen seit ihrer Wahl bewusst und es ist selbstverständlich, dass der Wille des Stimmvolkes umgesetzt wird. Der Gemeinderat wird sich dafür einsetzen, dass die beste Lösung für Bünzen gewählt wird», verspricht Riesen.
Werkhof als Testobjekt
Der Gemeinderat von Boswil reagiert mit dem Antrag auf Abbruch der Fusionsanalyse auf das Verhalten des Bünzer Gemeinderates, nachdem dieser eine Zusammenarbeit beim Werkhof trotz eindeutig belegter Synergien abgelehnt hatte. «Die Initiative für ein erstes Testobjekt kam von der Gemeinde Bünzen. Sie wussten, dass ihr Mitarbeiter im Bauamt/ Werkhof Ende März dieses Jahres pensioniert wird. Deshalb kam der alte Gemeinderat Bünzen auf uns zu, ob wir hier eine erste Zusammenarbeit machen könnten, weil sie die Stelle nicht besetzen könnten. Selbstverständlich haben wir die Hand geboten», sagt Weber.
Daher wurde in diesem Bereich eine externe Analyse zeitlich vorgezogen. Dies beschlossen die beiden Räte noch in der alten Gemeinderatskonstellation. Die 35-seitige Analyse ergab: Die Zusammenarbeit im Bereich Bauamt/Werkhof ist für beide Gemeinden von Vorteil. Es gibt offensichtliche Synergien bei Gebäude, Personal sowie beim Maschinen- und Fahrzeugpark. Trotzdem entschied sich der neue Gemeinderat von Bünzen mit Beschluss vom 28. März für die selbstständige Beibehaltung des Werkhofs und lancierte eine Stellenausschreibung.
Einseitiges Vorgehen stösst auf Unverständnis
Das stiess beim Gemeinderat Boswil auf Unverständnis. «Das Vorgehen war für uns äusserst befremdlich. Wir haben daraufhin ein informelles Gespräch bei einem Nachtessen organisiert, um die Hintergründe verstehen zu können. Sie haben uns dann erläutert, wieso sie gegen den Zusammenschluss des Werkhofs sind», informiert Weber.
«Der Entscheid war keineswegs emotional getrieben», betont Riesen. Der gemeinsame Werkhof hätte erfordert, dass mindestens ein Fünfjahresvertrag hätte aufgesetzt werden müssen. Dies hätte dazu geführt, dass die Zelte in Bünzen abgebrochen worden wären. Wenn dann der Zusammenschluss nicht zustande kommen würde, wäre es für Bünzen schwierig, das Bauamt wieder neu aufzubauen.
«Faktisch wäre man gezwungen, diesen Bereich gemeinsam weiterzuführen», so Riesen. Dem Bünzer Gemeinderat hätte man somit, zu Recht, eine Salamitaktik bezüglich Fusion vorwerfen können. Da das Abstimmungsergebnis für die vertieften Abklärungen knapp war, ist es dem Gemeinderat wichtig, dass bis zur definitiven Entscheidung des Zusammenschlusses beide Varianten möglich sind. «Der Status quo soll bis dahin gewahrt werden – so wäre es auch gewesen, wenn keine Nachfolgeregelung angestanden hätte», sagt Riesen.
Keine Steuergelder verschwenden
Aufgrund der Reaktion des Bünzer Gemeinderates befürchtet der Boswiler Gemeinderat jetzt, dass es bei der Fusionshauptanalyse, selbst wenn diese positiv ausfallen würde, ebenfalls zu einer Ablehnung des Bünzer Gemeinderates kommen werde. «Das Signal war mehr als deutlich», sagt Dolder. Die selbstständige Beibehaltung des Werkhofs führte beim Gemeinderat Boswil zu grundsätzlichen Überlegungen: Wieso 230 000 Franken an Steuergelder für weitere Vorabklärungen ausgeben und die Verwaltung mit vielen Abklärungen stark belasten, wenn die neue Gemeindeführung in Bünzen bestrebt ist, eigenständig zu bleiben? «Ich hätte kein gutes Gefühl gegenüber dem Steuerzahler, ihm das Geld aus der Nase zu ziehen», sagt Weber. Deshalb müssten die Karten offen auf den Tisch gelegt und die Bevölkerung erneut befragt werden, anstatt an dem Fahrplan festzuhalten. Jetzt müsse Boswil eben die Bremse ziehen.
Beide Gemeinden funktionieren aktuell selbstständig
«Das Abstimmungsergebnis war damals auch in Boswil sehr knapp», betont Marcel Riesen. Und weiter: «Beide Gemeinden funktionieren aktuell selbständig und es gibt keinen Druck zu fusionieren.»
Das Hauptargument der Bünzer für den Zusammenschluss sei damals gewesen, dass es nicht genügend Personen gab, welche sich für den Gemeinderat und die Kommissionen zur Verfügung stellen würden. Dieser Umstand habe sich geändert. «Es ist somit legitim zu überdenken, ob das Geld für die vertieften Abklärungen allenfalls eingespart werden könnte», so Riesen weiter. Beide Gemeinden hätten die Fusionsabsichten ohne zeitlichen Druck in Angriff genommen und bewältigen zurzeit ihre Aufgaben auch gut, ist auch Michael Weber der Meinung. Auch seien sie gesund finanziert.
«Der Zeitpunkt für die Beschäftigung mit einem Zusammenschluss ist dann richtig gewählt, wenn dieser nicht dringlich ist, aber erwiesene Vorteile für beide Partner bringt», ist Weber überzeugt. Daher wollte man nie einen Zusammenschluss aus der Not heraus. «Wir werden jetzt nicht das Kriegsbeil ausgraben und können weiterhin mit den Bünzer an einem Tisch sitzen», sagt Weber. Jetzt liege die Entscheidung beim Souverän. «Wie auch immer diese an der Gemeindeversammlung ausfallen wird, das, was das Volk will, wird umgesetzt werden», verspricht Weber.