Ganz schön vielschichtig
16.08.2025 Wohlen, KunstDer Wohler Künstler Hans Hari öffnet Ende August die Türen seines Ateliers
Der 87-Jährige steht selbst nicht gerne im Mittelpunkt – dies überlässt er seinen Werken. Allerdings spricht Hans Hari leidenschaftlich gern über seine ...
Der Wohler Künstler Hans Hari öffnet Ende August die Türen seines Ateliers
Der 87-Jährige steht selbst nicht gerne im Mittelpunkt – dies überlässt er seinen Werken. Allerdings spricht Hans Hari leidenschaftlich gern über seine Arbeit. Die Teilnahme an der K-13 vom 30. und 31. August ermöglicht ihm viele spannende Begegnungen.
Chregi Hansen
Im Eingangsbereich des Mehrfamilienhauses hängt gross und prominent eines seiner Bilder. «Die Nachbarn haben mich dazu ermuntert», erklärt Hans Hari mit einem Lächeln. Das Kellergeschoss ist gar zur Galerie geworden, überall an den weissen Wänden sind Werke von ihm. Hinter einer der abgeschlossenen Kellertüren befindet sich sein Atelier, hier stapeln sich neben vielem Materialien weitere Werke. «Das ist mein Reich, hierher ziehe ich mich oft und gerne zurück», sagt er. «Manchmal nur schnell für eine halbe Stunde, manchmal bin ich so vertieft in meine Arbeit, dass ich die Zeit völlig vergesse.»
Am 30. und 31. August wird sich dieses Kellergeschoss mit Leben füllen. Zum dritten Mal beteiligt sich Hans Hari an der K-13, den offenen Ateliers der Freiämter Kunstszene. Er schätzt den Anlass und den Austausch mit den Gästen. Rund 60 Personen waren vor drei Jahren in seinem Atelier, darunter viele, die er gar nicht kannte. «Ich wurde schon mehrfach angefragt, meine Werke öffentlich auszustellen. Aber ich stehe nicht gern im Zentrum. In diesem Rahmen passt es für mich», sagt er und macht sich Gedanken, wie er sein Schaffen an diesen beiden Tagen am besten präsentiert.
Früher fehlte die Zeit
Hans Hari ist Autodidakt. Der gebürtige Deutsche, dessen Grossvater einst aus Adelboden nach Ostpreussen ausgewandert war, ist gelernter Tapezierer und Dekorateur. Sein handwerkliches Geschick, den Umgang mit verschiedenen Materialien und das Gefühl für schöne Formen hat er durch seinen Beruf intus. «Die Kunst hat mich seit frühester Jugend interessiert», erklärt er. Aber früher fehlte die Zeit, musste er doch eine Familie ernähren. Jetzt, wo er nicht mehr arbeiten muss, kann er sich die dafür die nötige Zeit nehmen.
Kurse zu nehmen, um bestimmte Techniken zu lernen, das hat ihn nie interessiert. «Mir geht es darum, meine Empfindungen auszudrücken. Das kann ich nicht in Kursen lernen.» Er probiert lieber aus, experimentiert mit verschiedenen Materialien, Farben und Formen.
Schicht um Schicht auftragen und auswaschen
Sein Markenzeichen sind die vielen Schichten, die er auf die Leinwand aufträgt, dann teilweise bis zum Grund wieder auswäscht und danach mit neuen Schichten überlagert. Er nutzt natürliche Materialien wie Sand, Kalk oder Marmorlehm, stellt seine eigenen Farbpasten her und fixiert das Endergebnis mit einer ebenfalls selbst hergestellten Patina. Während des Trocknungsvorgangs im Prozess platzt die Farbe teilweise auf, zusammen mit den Überlagerungen und erneuter Reduzierung der Schichten entstehen sichtbare Strukturen, die den auf den ersten Blick monothematischen Bildern eine enorme Tiefe geben. All dies braucht Zeit, «aber die habe ich ja», sagt der 87-Jährige mit einem leisen Schmunzeln. Der fliessende Entstehungsprozess führt zu Formen, welche quasi naturgeschaffen zu sein scheinen.
Das Resultat sei abhängig von ganz vielen Faktoren, führt der Künstler weiter aus. Oft dauert es Wochen, bis ein Werk seine endgültige Fassung erhalten hat. Wann dieser Zeitpunkt sei, das lasse sich nicht voraussagen. «Irgendwann spüre ich, dass jetzt alles stimmt», erzählt Hari. Namen gibt er seinen Werken in den allerseltensten Fällen. Damit würden die Betrachter beeinflusst, diese sollen sich dem Bild aber frei nähern und es eigenständig interpretieren. Er selbst hat seine eigenen Interpretationen. So sind die etwas kleiner gehaltenen Landschaftsbilder mit den verschiedenen Wetter- und Lichteffekten, die sich am Horizont aufschichten, Erinnerungen an die Zeit, als er regelmässig von seiner Arbeit von Zürich nach Hause gefahren ist und ins Tal geblickt hat. «Die Landschaft hat sich jedes Mal anders präsentiert. Aber es geht nicht um eine exakte Abbildung, dann könnte ich ein Foto machen. Sondern um das Einfangen von Stimmungen», sagt er.
Vielseitig unterwegs
Immer wieder wagt sich Hans Hari an Neues. Etwa kleine Collagen aus alten Notenblättern oder Seiten aus alten Büchern. Oder er fügt ganz kleine Figuren in die sonst abstrakten Motive ein.
Manchmal baut, gestaltet oder dekoriert er kleine Möbel. Es gehe ihm darum, in dieser schnelllebigen Zeit das alte Handwerk zu bewahren. Dabei helfen ihm seine Erfahrung auf seinem Beruf. Auch in Sachen Material profitiert er davon – bis ins hohe Alter hat er noch für bestimmte Kunden Aufträge ausgeführt, hat darum noch einiges im Keller gelagert. «Vieles kann ich jetzt wieder verwenden.»
Im Gespräch mit dem Künstler geht es viel um Schichten. Und auch er ist ein vielschichtiger Mensch. Hans Hari hat viel erlebt, Schönes wie Grausames. So musste seine Mutter mit ihren Kindern 1945 mitten im Winter vor den Russen fliehen, während sein Vater im Krieg verschollen war. Mit 17 Jahren kam er in die Schweiz. Weil seine Vorfahren aus dem Kanton Bern stammten, war dies möglich. Damals war Deutschland mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Handwerker wie Hans Hari wären gefragt gewesen. «Aber damals musste alles ganz schnell gehen, da wurde überall gehudelt. Das mochte ich nicht, ich bin eher der Perfektionist», erklärt er.
In Wohlen die Liebe und das Glück gefunden
Mitte der 50er-Jahre waren Deutsche in der Schweiz nicht unbedingt gern gesehen. Das bekam Hans Hari trotz Schweizer Pass zu spüren. «Einer, der Hochdeutsch sprach, war suspekt in der RS» erinnert er sich. Doch Hari ist geblieben. Machte sich beruflich einen Namen. Kam später nach Wohlen, wurde Mitglied des Schachclubs, fand seine zweite Frau und grosse Liebe. Hier in Wohlen hat er das gefunden, was er früher nie hatte – ein Zuhause. «Darum gehe ich auch nicht gerne in die Ferien, bleibe lieber hier», sagt er. Und hier kann er sich jetzt voll und ganz dem widmen, war er am liebsten mag: der Kunst. In seinem Atelier und zwischen all den Bildern findet er seine Ruhe. Er geniesst diese Momente. «Wer weiss, wie lange mir das noch möglich ist. So langsam spüre ich das Alter», sagt er, bevor er das Licht löscht und wieder die Kellertür schliesst. Die Tür, durch die am 30. und 31. August möglichst viele Interessierte treten dürfen.
Infos zu K-1
Bereits zum fünften Mal öffnen Künstlerinnen und Künstler aus dem Freiamt ihre Ateliers und laden alle Interessierten ein, in die faszinierende Welt der Kunst einzutauchen. Am 30. und 31. August haben alle die einmalige Gelegenheit, die kreativen Räume der Künstler zu besuchen, mit diesen ins Gespräch zu kommen und die Vielfalt verschiedenster Ausdrucksformen hautnah zu erleben. Die Tage der offenen Ateliers finden dieses Jahr am 30. und 31. August statt. 44 Kunstschaffende werden sich und ihre Arbeit in 38 Ateliers, verteilt über das ganze Freiamt, präsentieren. Los geht es am Samstag um 13.30 Uhr mit einem Eröffnungsapéro beim Freiämterstein oberhalb Kallern. Danach sind die Ateliers geöffnet, am Samstag von 15 bis 22 Uhr, am Sonntag von 11 bis 17 Uhr.
Der Weg zu den einzelnen Ateliers ist von den Kunstschaffenden mit gelben Ballonen und Pfeilen gekennzeichnet. Alle Informationen zu den teilnehmenden Künstlern und Ateliers findet man unter www.k-13.ch.--red