GASTKOLUMNE

  21.10.2022 Meinungen

Caroline Doka, freischaffende Journalistin, ist in Wohlen aufgewachsen, lebt heute in Basel.

Autofreak

Der Apfel fällt weit vom Stamm. Jedenfalls bei Moritz. Sein Papa und ich haben keine Affinität für Autos. Unser Ältester jedoch guckte schon als Kleinkind jedem Auto hinterher, je sportlicher das Chassis, desto faszinierter war er. Sein erstes Wort war Pidit. Porsche. Ich konnte es kaum glauben.

Unsere Mutter-Sohn-Gespräche auf dem Weg zum Einkaufen hatten nur ein Thema: «Auto?», fragt es erwartungsvoll vorne im Kinderwagen, und ein Händchen deutet auf eines der parkierten Fahrzeuge. Ich nannte die Marke, der Knirps wiederholte sie entzückt. So ging es die ganze Parkreihe lang. Ich erklärte meinem Sohn die Welt der Autos.

Moritz liebte Spielzeugautos. Auf dem Autoteppich liess er sie zu langen Staus auffahren, unter ekstatischem «Dadü, Dadü!» brauste die Polizei heran. Er mochte auch seltsame Spiele: Autoquetschen im Schraubstock etwa. Da wurden Matchbox-Autos zu Schrott zerdrückt, und manchmal gabs eines mit dem Hammer obendrauf. Ich machte mir Sorgen. Was will die Kinderseele damit sagen?

Moritz wollte Autodesigner werden. Vielleicht sollte der Schraubstock neue Prototypen formen? Ein genialer Schachzug eines künftigen Designers, von mir völlig verkannt? Auf die Matur folgten Automechatroniker-Lehre und Studium. Moritz träumte nun vom Autojournalismus, ergatterte einen Job bei einem Automagazin in Hamburg und jubelte. Wieder zurück in der Schweiz, fährt er alle paar Tage mit einem anderen Testwagen vor.

Wie heute Abend. «Mama, steig ein!», ruft er. Das futuristische Gefährt ist kein Pidit, sondern ein Einsternmodell. Ich sitze so tief, dass ich kaum über die Kühlerhaube sehe, aber was interessiert mich das Aussen bei diesem Cockpit: Um uns herum eine Lichtshow in sanften Farben, überall blinkt und leuchtet es dezent, als wir mit offenem Verdeck davonbrausen. Auf Sprachbefehl massiert die Lehne den Rücken, Warmluft weht um den Nacken. Während wir wie im Spaceshuttle über die Strasse fliegen, erklärt mir mein Sohn die Welt der modernen Autotechnologie.

Wie benommen klettere ich später aus dem Hightech-Wagen. Spontan steige ich auf mein altes, klappriges Velo und fahre eine Runde durch die Nacht. Schwach leuchtet die Lampe, das lose Schutzblech klappert. Gut so. Das wird mich erden.


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