Gemeinde will selber bauen
21.05.2021 MutschellenRudolfstetten-Friedlisberg: 21,69 Millionen Franken für die Bebauung des Areals Gemeindehaus
13,505 Millionen Franken für öffentliche Bauten und 8,185 Millionen Franken für zwei Mehrfamilienhäuser: An der «Gmeind» am 4. Juni entscheidet der Souverän über zwei Grossvorhaben – und darüber, wie sich die Finanzen der Gemeinde entwickeln sollen.
Erika Obrist
21,69 Millionen Franken: Es könnte einem angst und bange werden angesichts der hohen Summe, welche die Gemeinde Rudolfstetten auf dem Areal Gemeindehaus direkt beim Bahnhof verbauen möchte. Gemeinderat und Verwaltung haben jedes Detail abgeklärt, Modellrechnungen erstellt und die Finanzierung geprüft und sind zum Schluss gekommen: Niemand muss Angst haben, dass die Gemeinde wegen dieser Investition den Steuerfuss anheben müsste. Mehr noch: Wenn der Souverän grünes Licht gibt für den Bau der Mehrfamilienhäuser, so zahlt sich das für die Gemeinde aus. Jahr für Jahr können Einnahmen generiert werden. Hochwillkommene Einnahmen.
Verwaltung, Werkhof, Saalbau
Der Gemeinderat hat in der Vergangenheit mehrfach über das Vorhaben informiert. Auf dem 8101 Quadratmeter grossen Areal befinden sich heute oben an der Buechholzstrasse das Gemeindehaus, die uralte Werkhofscheune, eine Unterkunft für Asylsuchende und alte Scheunen. Unten an der Strasse Am Mühlebach stehen die Liegenschaften von zwei Privateigentümern. Dazwischen: Grasland. Mitten im Zentrum. Ungenutzt.
Nun will die Gemeinde auf ihren 6510 Quadratmetern die Verwaltungsräume erweitern, einen neuen Werkhof mit Entsorgung bauen und einen Saalbau errichten, in dem 250 bis 300 Leute Platz finden. Über dem Saalbau sind zwei Wohnungen vorgesehen. Weiter hat es auf dem Areal Platz für drei Mehrfamilienhäuser: zwei möchte die Einwohnergemeinde erstellen und betreiben, eines die Ortsbürgergemeinde. Auch die Privateigentümer können einen Neubau realisieren, sofern sie wollen.
Erschlossen werden der Gemeindesaal und der mögliche Neubau der Privateigentümer über eine Tiefgarage mit insgesamt 35 Plätzen; die Zufahrt erfolgt ab der Strasse «Am Mühlebach». Davon sind 27 für «Park and Ride» vorgesehen. Also für Leute, die mit dem Auto zum Bahnhof kommen und in den Zug umsteigen. Für diese Park-and-Ride-Anlage könnte es Beiträge des Bundes geben im Rahmen des Agglomerationsprogramms der vierten Generation; der Kanton Aargau hat dafür ein Begehren eingereicht beim Bund.
Für Verwaltung und Mietwohnungen ist eine zweite Tiefgarage vorgesehen mit 55 Plätzen; die Zufahrt erfolgt hier ab der Friedlisbergstrasse. Den neuen Werkhof mit Entsorgung und Unterflursammelstelle erreicht man über die Buechholzstrasse.
Kosten wird dieser Teil der Überbauung 18,505 Millionen Franken. «Wir unterbreiten den Stimmberechtigten ein Paket, weil sämtliche Teile miteinander verwoben sind», erklärte Gemeinderat Sascha Käppeli vorgestern im Lindenhof auf dem Friedlisberg.
Drei Varianten für die Mehrfamilienhäuser
Die beiden Mehrfamilienhäuser, welche die Einwohnergemeinde selber erstellen und betreiben will, kosten 8,185 Millionen Franken. Bei den Informationsanlässen in der Vergangenheit hat die «IG Älter werden in Rudolfstetten» das Begehren vorgebracht, eines dieser Mehrfamilienhäuser soll von einer neu zu gründenden oder einer bestehenden Genossenschaft gebaut und betrieben werden; das Land soll dieser Genossenschaft im Baurecht überlassen werden. Der Gemeinderat möchte das nicht, da der Baurechtszins nicht zur Stabilisierung des Finanzhaushalts beitrage. «Zudem haben wir in der Gemeinde viele günstige Wohnungen», sagt Ammann Josef Brem. «Wenn die Gemeinde selber baut, kann sie die Mietpreise auch selber festlegen», so Brem weiter. Weil das Land der Gemeinde gehöre, könne sie die Wohnungen in etwa zum gleichen Preis anbieten wie die Baugenossenschaft im Michel, die in Rudolfstetten über hundert Wohnungen besitzt. «Mit dem Unterschied, dass unsere Wohnungen neu sind und diejenigen der Baugenossenschaft mehrere Jahrzehnte alt.»
Es soll jedoch der Souverän entscheiden, wer bauen darf. Deshalb unterbreitet der Gemeinderat drei Varianten: Erstens beantragt er den Kredit von 8,185 Millionen Franken für Bau und Betrieb von zwei Mehrfamilienhäusern durch die Gemeinde. Wird der Kredit angenommen, so ist alles in trockenen Tüchern.
Landstück verkaufen, Geschenk annehmen
Wird der Kredit abgelehnt, so beantragt der Gemeinderat als zweite Variante das Mandat zur Vorlage «Abgabe Land im Baurecht» oder Realisierung und Verkauf von zwei Mehrfamilienhäusern. Diese könnten von der Gemeinde und/oder von Dritten erstellt werden. Wird auch das abgelehnt, so beantragt er als dritte Variante den Verzicht auf den Bau von Mehrfamilienhäusern.
Das dritte Mehrfamilienhaus will die Ortsbürgergemeinde bauen. Dafür muss sie 1100 Quadratmeter Land von der Einwohnergemeinde kaufen zum Preis von 1000 Franken pro Quadratmeter. An der «Gmeind» müssen die Stimmberechtigten dem Gemeinderat die Erlaubnis für diesen Landhandel erteilen. «Wir möchten der Ortsbürgergemeinde die Chance geben, ihren Fortbestand mit den Mieteinnahmen auf lange Zeit zu sichern», nannte Gemeinderat Sascha Käppeli den Grund für dieses Vorgehen. Die Waldwirtschaft werfe fast keinen Ertrag mehr ab. Der Wald jedoch stehe der ganzen Bevölkerung als Erholungsraum zur Verfügung.
Im Gegenzug beteiligt sich die Ortsbürgergemeinde mit 200 000 Franken an der geplanten Holzschnitzelheizung, die inskünftig das ganze Areal mit Energie versorgen wird. Die Stimmberechtigten müssen entscheiden, ob die Gemeinde dieses Geschenk annehmen darf.
Umfassende Dokumentation
Das Vorhaben sei wegweisend für die Entwicklung des Zentrums, so Josef Brem. Deshalb wurde eine umfassende Dokumentation erarbeitet. In dieser findet man neben Plänen auch etliche Modellrechnungen zur Finanzierung, zu der zu erwartenden Rendite und zur Entwicklung der Gemeindefinanzen. Die Broschüre umfasst über 270 Seiten. Das zeigt, wie intensiv Gemeinderat und Verwaltung sich mit der Entwicklung dieses Areals auseinandergesetzt haben. Ab heute steht sie allen Interessierten im Internet unter www.rudolfstetten.ch zur Verfügung (Startseite beachten).
Infoanlässe am 25. und 31. Mai
Die Einwohner-«Gmeind» findet am Freitag, 4. Juni, um 19.30 Uhr im Zelt auf dem Dorfplatz statt. Angesichts der Bedeutung der Bebauung des Areals Gemeindehaus und der hohen Investitionen informiert die Gemeinde die Bevölkerung an zwei Abenden zum umfangreichen Geschäft. Der erste Infoanlass findet am Dienstag, 25. Mai, um 19.30 Uhr im Festzelt auf dem Dorfplatz statt, der zweite am Montag, 31. Mai, um 20 Uhr, ebenfalls im Zelt auf dem Dorfplatz.
Wegen allfälliger Beschränkungen in Zusammenhang mit der Pandemie muss man sich anmelden unter Telefon 056 648 22 10 oder per E-Mail an gemeindekanzlei@rudolfstetten.ch. --eob
Auch Thema bei Ortsbürgern
Die Versammlung der Ortsbürgergemeinde findet am 7. Juni um 19.30 Uhr im Zelt auf dem Dorfplatz statt. Auch hier ist das Areal Gemeindehaus das Hauptthema: Gleich vier Traktanden sind dazu zu behandeln.
Die Versammlung muss über den Landkauf von maximal 1100 Quadratmetern zum Preis von 1000 Franken pro Quadratmeter befinden. Dann steht der Baukredit von 3,87 Millionen Franken für Bau und Betrieb eines Mehrfamilienhauses zur Beschlussfassung an. Und weil in der Ortsbürgerkasse nicht so viel Geld vorhanden ist nach dem Landkauf, muss die Versammlung über die Aufnahme eines Darlehens von 3,5 Millionen Franken bei der Einwohnergemeinde befinden. Schliesslich soll die Versammlung noch 200 000 Franken sprechen an die geplante Holzschnitzelheizung, welche die Einwohnergemeinde bauen und betreiben wird auf dem Areal Gemeindeland.
Daneben hat die Versammlung über den Rechenschaftsbericht 2020 und die Rechnung 2020 zu befinden sowie über einen Vertrag mit dem Kanton zur Erweiterung der Altholzinsel Buholz. --eob