Geschenke aus 19 Sommern

  18.05.2021 Boswil

Vom 23. Juni bis am 4. Juli findet der 20. Boswiler Sommer statt

Andreas Fleck hat sich in den Ort verliebt. Das steht am Anfang des Festivals Boswiler Sommer. Seit 20 Jahren stellt er als künstlerischer Leiter das Programm zusammen. Heuer steht es unter dem Motto «Geschenke».

Annemarie Keusch

Die Wartelisten sind erstellt, einzelne bereits gefüllt. Der Boswiler Sommer hat ein treues Stammpublikum, auch in Zeiten der Pandemie. «Ja, viele Tickets hat es nicht mehr», sagt Andreas Fleck. Der Boswiler Sommer war seine Idee, mit der er vor über 20 Jahren an den Stiftungsrat und den damaligen Geschäftsführer trat. Heuer wird er das Festival zum 20. Mal als künstlerischer Leiter durchführen. Geplant sind so viele Konzerte wie noch nie, 18 an der Zahl, zusätzlich kleine Vorkonzerte als Amuse-Bouche.

Wiedersehensfreude, diese will Fleck mit dem Programm des diesjährigen Boswiler Sommers wecken. So treten verschiedenste Künstlerinnen und Künstler auf, die schon einmal in der Alten Kirche zu Gast waren. «Es ist wie eine Art Best-of», sagt Fleck. So tritt etwa Blockflötist Maurice Steger auf, der 2002 erstmals beim Boswiler Sommer dabei war und in den Folgejahren immer wieder. Oder das «casalQuartett», das 2001 den Boswiler Sommer gründete. Damals und heute gehört auch Andreas Fleck zum Quartett. Und auch Klarinettist Giora Feidman kommt zurück nach Boswil. Der 85-Jährige war es, der vor zwei Jahrzehnten die ersten Töne am Boswiler Sommer spielte.

«In Anbetracht der wenigen Tage, während deren das Festival stattfindet, sind diese vielen Konzerte verrückt», sagt Andreas Fleck und lacht. Eine Stunde vor 12 der 18 Konzerte erwartet die Besucherinnen und Besucher ein kleines Konzert auf dem Areal oder in einem der Gebäude des Künstlerhauses. «Nichts ist von der Stange, das ist uns wichtig», betont der künstlerische Leiter. Vor ihm stehen strenge Wochen. Laufend muss das Konzept den neu geltenden Massnahmen angepasst werden. Und am Festival selber kommt Fleck nur mit «viel Disziplin» zu sechs Stunden Schlaf. «Ich will doch mit den Musikerinnen und Musikern viel Zeit verbringen», sagt er.


Die ewige Suche nach Talenten

Das Festival Boswiler Sommer gibt es seit 20 Jahren – Andreas Fleck erklärt die Faszination

Immer wieder neue Gesichter, immer wieder neue Musik. Und trotzdem den roten Faden wahren, das Niveau hochhalten. Das ist das Ziel von Andreas Fleck als künstlerischer Leiter des Boswiler Sommers. Die grosse Beliebtheit des Festivals zeigt, dass ihm dieser Spagat immer wieder gelingt.

Annemarie Keusch

Andreas Fleck spricht von Heisshunger auf Kultur und Begegnungen. «Der Mangel hat uns zu schätzen gelehrt», sagt der künstlerische Leiter des Boswiler Sommers. Der Vorverkauf für das 20. Festival laufe «wahnsinnig». Die Konstanz ist es, die das Festival so beliebt macht. «Selbst wenn die Leute Musikerinnen oder Musiker nicht kennen, sie verlassen sich darauf, dass es ein spezielles Konzert wird», erklärt Andreas Fleck. Dieses Vertrauen des Publikums hat er sich über all die Jahre aufgebaut. Trotzdem sagt er: «Manchmal setzt mich das unter Druck. Aber die Beziehung zum Publikum ist belastbar. Ich kann durchaus Dinge wagen.»

Vor 20 Jahren war Fleck es, der mit der Idee des Boswiler Sommers an den Stiftungsrat und dessen Leiter Pedro Zimmermann trat. «Glückhafte Umstände wie die damalige Aufbruchstimmung und das Vertrauen in junge Menschen waren der Beginn dieser Erfolgsgeschichte.» Kennengelernt hat Fleck den «Ort der Musik» bei einer CD-Produktion. «Ich habe mich sofort verliebt. Dieser Ort, diese Kraft, diese akustischen Bedingungen. Hier stimmt alles.»

Wie ein Scout im Fussball

Damals war er Anfang 30. Sein Konzept: Ein Festival auf die Beine stellen mit Musik, die er toll findet. Daran hat sich in den zwei Jahrzehnten nichts verändert. Es sei die Lust, Konzerte zu programmieren, Werke und Musiker auszuwählen, die für ihn die Arbeit als künstlerischer Leiter Jahr für Jahr interessant macht. Er spricht von einer befriedigenden Arbeit des Gastgebers mit immer neuen Gästen und einer grossen Quelle der Inspiration. «Ich bin immer auf der Suche nach frischen, jungen Talenten aus aller Welt.» Solche hat Andreas Fleck schon viele entdeckt. Einfach sei das aber nicht. «Es braucht unglaublich viel Recherche-Arbeit», sagt er. Seine Frau sei ihm dabei eine grosse Hilfe. «Sie recherchiert viel, fast wie ein Scout einer Fussballmannschaft.»

Der Boswiler Sommer ist aber mehr als eine Ansammlung junger, musikalischer Hoffnungsträgern. Auch gestandene Musikerinnen und Musiker kommen immer wieder gerne an den Boswiler Sommer. «Modern und gleichzeitig den alten Meistern verpflichtet, ohne eine Spur von Staub», so beschreibt es Andreas Fleck.

Trotz Alternativen in Boswil verwurzelt

Mit ein Grund, weshalb jedes einzelne der bisher 300 Konzerte im Rahmen des Boswiler Sommers speziell war, ist die viel gelobte Atmosphäre in der und um die Alte Kirche. «Leistungen kann man immer kaufen. Wenn aber wie hier Leistung und Beziehung zusammenkommen, bekommt man viel mehr.» In Boswil fühlen sich die Musiker wohl, hier schätzen sie das Persönliche. «Es ist für sie nicht einfach nur ein Job, hier zu spielen. Das würde beim Publikum auch gar nicht gut ankommen. Auch ohne Glamour seien es die Werte, die am Künstlerhaus Boswil stimmen. «Das ländliche Gebiet und die Musiker von Welt, das ist nur scheinbar ein Widerspruch.»

Die Kombination von Lokalität, Atmosphäre und künstlerischen Möglichkeiten ist es auch, die Andreas Fleck an das Künstlerhaus Boswil bindet. «Eigentlich dachte ich schon nach dem fünften Boswiler Sommer, dass es Zeit für einen anderen künstlerischen Leiter wäre. Aber irgendwie hat es keinen Grund für eine Trennung gegeben», sagt er. Dabei wären Alternativen da gewesen, auch von vielleicht renommierteren Orten, wo er mehr Verantwortung hätte übernehmen können. Aber Fleck blieb in Boswil. «Es ist einmalig hier, traditionell, aber nicht langweilig.»

Blick zurück mit grosser Dankbarkeit

Jeder Boswiler Sommer steht unter einem Titel, diesmal ist es «Geschenke». Nicht nur immer neue Musiker muss Andreas Fleck finden, auch immer neue Titel. «Kurz sollen sie sein und für sich sprechen», sagt er. Der Titel stehe oft am Anfang der Programmation und bilde die Grundlage für die Suche nach Inhalt. «Dabei können die Musikerinnen und Musiker oft selber Vorschläge bringen, welche Musik ihrer Meinung nach zu diesem Titel passt», erklärt Andreas Fleck.

Es ist vor allem Dankbarkeit, die Andreas Fleck empfindet, wenn er auf die zwei Jahrzehnte Boswiler Sommer zurückschaut. Highlights auszumachen sei unglaublich schwierig. Davon gab es unzählige. Und es ist Vorfreude auf den 23. Juni, wenn das nächste Festival ansteht. «Man weiss nie, wo es hingeht, wenn man ein solches Projekt lanciert. Und man weiss nie, wie wichtig das einem wird.» Andreas Fleck ist der Boswiler Sommer spür- und hörbar wichtig. Und dem zahlreichen Stammpublikum wohl auch, sonst wären nicht trotz Corona-Einschränkungen praktisch alle Kontingente an Tickets ausgeschöpft.

Weitere Informationen und letzte Tickets unter www.kuenstlerhausboswil.ch.


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