Grandioses Flugerlebnis

  09.10.2020 Boswil

50 Jahre später exakt im selben Flieger

Der Boswiler Richard Gähwiler hob nach einem halben Jahrhundert wieder im gelb-schwarzen Doppeldecker ab.

Das Fliegen mit der «Bücker» blieb Richard Gähwiler immer in Erinnerung. 1970 hatte er in der Flieger-Rekrutenschule die Gelegenheit, mit dem gelb-schwarzen Doppeldecker abzuheben. Die Bücker-Schulflugzeuge wurden in den 1980er-Jahren von der Armee ausgemustert, an Museen abgegeben oder an Flugschulen verkauft. Daher sind auch heute noch rund 50 «Bücker» ab und an in der Luft zu sehen.

Für Richard Gähwiler bot sich die Gelegenheit, nach 50 Jahren wieder mit einer «Brücker» in die Luft abzuheben. Diesmal nicht als Flugschüler, sondern als Passagier. Denn regelmässig gewartet durch das Team der Fluggruppe «Veterano» steht der Flieger für Passagierflüge auf dem Flugplatz Birrfeld bereit. --red


«Kühne Männer in fliegenden Kisten»

Nach 50 Jahren hebt der Boswiler Richard Gähwiler wieder ab

Im ganz diesem historischen Film entsprechenden Outfit erfolgte die Piloten-Ausbildung in Locarno-Magadino im Frühjahr 1970. Als Schulflugzeuge waren «Bücker-Jungmann» im Einsatz – die gelb-schwarzen Doppeldecker mit offenem Cockpit. Jetzt 50 Jahre später, ein Passagierflug in exakt demselben Flieger.

Richard Gähwiler

Es war ein kleiner Trupp von knapp 40 Jungs (Mädels waren damals noch nicht zugelassen), die im Februar 1970 in der Flieger-Rekrutenschule die Ausbildung zum Piloten beginnen durften.

Ursprünglich waren es rund 1200, die sich für die Selektion meldeten und vom Beruf Pilot träumten. Und es wurde weiter selektioniert. Denn jeder Flug mit dem gelb-schwarzen Bücker-Doppeldecker wurde von den Vorgesetzten kritisch benotet. Es waren noch siebzehn Aspiranten, als auch ich mich aus der Vorschulungsperiode (VSP) verabschieden musste. Zwölf erhielten schliesslich in jenem Jahr das ersehnte Flügel-Logo/Zeichen ans Revers geheftet, welches sie als brevetierte Militärpiloten auszeichnete. Auch ohne diesen «Pin», das Fliegen mit «Bücker» war ein kleines Abenteuer und blieb in bester Erinnerung.

Sie fliegen immer noch

Alle diese Bücker-Schulflugzeuge wurden in den 1980er-Jahren von der Armee ausgemustert, an Museen abgegeben oder an Flugschulen verkauft. So sind in der Schweiz auch heute noch rund 50 Exemplare dieser knatternden Flieger dann und wann in der Luft zu sehen.

Auch der damalige «Bücker-Jungmann» mit der militärischen Immatrikulation A-21 (Baujahr 1937), während meiner Ausbildung schon über 30 Jahre alt, ist noch flugtüchtig und als HB-UVG eingetragen. Im Militär-Standardanstrich, allseitig gelb mit geschwungenen, über den Kühler gezogenen schwarzen Streifen an den Rumpfseiten und durch das Team der Fluggruppe «Veterano» regelmässig gewartet, steht die Bücker für Passagier-Flüge ab dem Flugplatz Birrfeld bereit.

Es lag daher nahe, dass ich mich auf dieses kleine Abenteuer einliess. Mit exakt demselben Flugzeug wie vor 50 Jahren. Aber heute ein Flug, ohne aufwendige Planung und Vorbereitung, ohne den Druck für eine positive Qualifikation, ohne die korrigierenden Zeichen des Fluglehrers aus dem vorderen Sitz (Funk gab es damals noch nicht) und ohne das abschliessende De-Briefing in Form einer Selbstkritik, wie es in der militärischen Ausbildung üblich war.

«Ready for Take-off»

Mit Lederjacke und -haube sowie mit antiker Fliegerbrille ausgestattet, fast wie anno dazumal, sitze ich entspannt hinter dem kleinen Windschutz des gelb-schwarzen Oldies. Im hinteren Sitz, wo auch die Instrumente platziert sind, Pilot Turi Bühlmann, beschäftigt mit den letzten Manipulationen vor dem Start. Bedächtig bringt er dann die 105 PS des Hirth-Motors auf Touren und bereits nach wenigen Metern schwebt die Maschine über der Piste der Abendsonne entgegen.

Romantik am Himmel

Über Funk, heute «eingebaut» in der Lederkappe, hat man Kontakt mit dem Startflugplatz, Zürich-Information und in unserem Fall mit einer weiteren Bücker, der HB-UTN. Dieser hat kurz nach dem Start aufgeschlossen und in Formation fliegt man Richtung Dampffahne vom AKW Gösgen. Nach einem Vollkreis über Aarau drehen wir ab Richtung Baldegger- und Hallwilersee. Anders als im historischen Film sind auch die weiteren Flug-Manöver nicht «tollkühn», sondern durchdacht und seriös geplant. Hingegen hat sich auch heute die Lederbekleidung und Brille von anno dazumal bewährt. Denn in jeder Fluglage weht einem eine steife Brise um die Ohren, ist man doch immerhin mit 170 Sachen im Reiseflug unterwegs. So glänzt schnell einmal der Zugersee in der Abendsonne und nach einer Steilkurve zurück erkennen wir nach kurzer Zeit Sins und Muri unter uns.

«Übernimm du jetzt mal» ...

... höre ich im Funk vom Piloten Turi hinter mir. Mach ich doch gerne, den Stick in der Rechten für Höhensteuer und Querruder und die Füsse im Seitensteuer, damit eine Kurve auch schön rund geflogen werden kann. Und es gelingt, wie in alten Zeiten, ein Vollkreis über Boswil, ohne an Höhe zu verlieren oder zu steigen, die Flugzeugnase schön entlang dem Horizont.

Dann etwas gewagter ein «Angriff» auf ein Bodenziel im Gelände, ohne den Blick auf die Minimalhöhe von 300 Metern zu verlieren, und wieder Aufziehen auf die Reiseflughöhe. Wieder voll im Element, ein Gefühl, als wäre die Grundschulung erst gestern gewesen. Noch immer reagiert die Bücker auf kleinste Bewegungen, sei es mit Händen oder Füssen. Weiter pilotiere ich über Wohlen, Richtung Lenzburg, bis Turi am Stick Zeichen gibt und per Funk meldet: «Ich übernehme wieder.» Ich verstehe, Anflug und Landung ist sein Metier.

Für die weitere Zukunft «Many happy Landing»

Die Sonne steht knapp über dem Horizont, als wir auf die Volte im Birrfeld einkurven. Auch bei der Landung auf der Graspiste gibt sich Pilot Turi keine Blösse
– eine saubere 3-Punkt-Landung ohne einen weiteren Hüpfer. Es war ein grandioses Flugerlebnis und kaum zu glauben, dass seit dem letzten Mal 50 Jahre vergangen sind.


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