«Hüetli» trotzte Sturmwind

  28.08.2020 Meisterschwanden

Gemeindeversammlung in Meisterschwanden fand unter freiem Himmel statt

Am Nachmittag fegte Sturmtief «Kirsten» durchs Mittelland. Am Abend wehte dem Gemeinderat viel Gegenwind entgegen. Vor allem der geplante Umbau des alten Gemeindehauses und der Abriss des «Hüetli»-Areals gaben zu Diskussionen Anlass.

Chregi Hansen

«Das ist doch einfach Salamitaktik», ärgert sich ein Stimmbürger über den Gemeinderat. Es war nicht der einzige Vorwurf, welchen sich die Verantwortlichen der Gemeinde an diesem Abend anhören mussten. Sie nahmen es sportlich. «Wir stellen hier unsere Ideen vor, wenn sie anders entscheiden, dann können wir gut damit leben», meinte Gemeindepräsident Ueli Haller.

Der Vorwurf der Salamitaktik bezog sich unter anderem auf die geplante Umnutzung des alten Gemeindehauses. Seit dem Bezug des neuen Verwaltungssitzes im Jahr 2014 steht die geschützte Liegenschaft leer. Jetzt will der Gemeinderat die Liegenschaft umbauen und günstigen Wohnraum für junge Einwohner schaffen. Damit diese im Dorf bleiben können. Dafür beantragte der Gemeinderat einen Planungskredit über 75 000 Franken.

Lob und Tadel

Dafür gab es Lob von einer jungen Einwohnerin, die den Weg richtig findet. Es sei für Junge wirklich schwierig, in der reichen Gemeinde bezahlbaren Wohnraum zu finden, erklärte die Studentin. Aber es gab vor allem Kritik. Denn zuvor hatte der Gemeinderat seine Gebäudestrategie vorgestellt. Und darin festgehalten, man wolle sich auf die kommunalen Kernaufgaben und drei Areale (Schulanlage Eggen, Gemeindehaus und Werkhof ) konzentrieren. «Das Anbieten von Wohnungen gehört nicht zu den Kernaufgaben der Gemeinde, das überlassen wir besser den Privaten», betonte einer der Kritiker. Für einen anderen macht dieser Plan die vorgestellte Gebäudestrategie gar «zu einer Farce».

Der ehemalige Ammann Kurt Kaufmann widersprach seinem Nachfolger. Das alte Gebäude eigne sich nicht als Wohnraum. Besser sei es, die Liegenschaft zu verkaufen, ein Interessent stehe schon bereit. Zudem erhalte man für die 75 000 Franken gar nichts, der eigentliche Umbau werde sehr teuer. Es gab aber auch andere Stimmen. Gerade eine reiche Gemeinde wie Meisterschwanden sollte es sich doch leisten können, für Junge günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Er sei in Küsnacht am Zürichsee aufgewachsen und stand vor der gleichen Situation, er fand in seiner Gemeinde keine bezahlbare Wohnung, berichtete ein Teilnehmer.

Letztlich stellte Kurt Kaufmann den Antrag, dass der Gemeinderat die Liegenschaft an den Höchstbietenden verkaufen soll. Dies lehnten die Stimmbürger mit 73 Ja zu 87 Nein knapp ab. Dem Planungskredit wurde anschliessend ebenso knapp zugestimmt, mit 92 Ja zu 81 Nein. Der Gemeinderat hofft nun, an der nächsten Sommer-«Gmeind» ein Projekt vorlegen zu können.

Schutzwürdig oder nicht?

Konnte sich der Gemeinderat bei diesem Traktandum noch durchsetzen, so erlitt er etwas später eine deutliche Niederlage. Der geplante Abriss des ehemaligen Fabrikareals «Hüetli» wurde mit 60 Ja zu 106 Nein deutlich verworfen. Gestritten wurde vor allem um die Schutzwürdigkeit, zwei unterschiedliche Gutachten kamen zu zwei unterschiedlichen Ansichten. Der Gemeinderat sieht im Erhalt des alten Fabrikgebäudes keinen Nutzen. Dies umso mehr, das man selber keinen Verwendungszweck hat. Durch geeignete Massnahmen in der Bauordnung und mit einer Gestaltungspflicht könne das Ortsbild besser geschützt werden, ist Ueli Haller überzeugt.

Dies sehen aber viele anders. «Die Schutzwürdigkeit ist klar gegeben, eine Sanierung und ein Umbau sind problemlos möglich», erklärte ein Sprecher. Jetzt das Gebäude abzubrechen, ohne zu wissen, was da einst stehen soll, das sei fahrlässig. «Was weg ist, das ist für immer weg», mahnte ein Anwohner, der sich darüber ärgert, dass dem Gemeinderat eine Gesamtvision für dieses Quartier fehle. «Warten wir doch ab, bis wir mehr wissen, was hier passieren soll. Und lassen das Gebäude so lange stehen», fand er. Und mit ihm eine Mehrheit der Anwesenden.

Dorfplatz bleibt vorerst, wie er ist

Völlig unbestritten war die dritte Massnahme im Rahmen der Gebäudestrategie. Weil die Oberstufe ab Schuljahr 2023 komplett nach Fahrwangen zügelt, wird in der Schulanlage Eggen Platz frei. Die Schulanlage kann so für die zukünftige Entwicklung der Primarschule und der Integration des Kindergartenstandortes Hinterdorf genutzt werden. Auch den Vereinen soll am Standort Eggen eine optimale Umgebung ermöglicht werden. Um die genauen Bedürfnisse abzuklären, den Raumbedarf und den Sanierungsbedarf zu ermitteln, sprach die «Gmeind» einen Kredit in der Höhe von 390 000 Franken. Ohne jegliche Opposition.

Diese bekam der Gemeinderat dafür etwas später erneut zu spüren. Er hatte geplant, den Dorfplatz mittels Pflanzen und Bänken neu zu gestalten und die bestehenden Pflastersteine abzuschleifen, damit der Platz besser begehbar wird, gerade auch für ältere Menschen mit Rollator. Dafür wären zwei Kredite in der Höhe von fast einer halben Million Franken nötig gewesen.

Für die meisten Anwesenden war das viel zu viel Geld. Dies umso mehr, als der Platz nicht mal im Besitz der Gemeinde ist. Bevor man hier Geld investiere, solle sich der Gemeinderat besser darum kümmern, den Dorfplatz zu einem Ort der Begegnung zu machen. «Es sind kaum je Menschen da, weil es gar keinen Grund gibt dahinzugehen», fand einer der Stimmbürger. Den beantragten Kredit würde man besser als Starthilfe für ein Café zur Verfügung stellen. Mit grosser Mehrheit wurden anschliessend beide Kredite abgelehnt. Damit bleibt vorerst alles, wie es ist.

Kritik an Abwassergebühren

Und nochmals gab es Kritik für den Gemeinderat. Die Abwassergebühren seien viel zu hoch, monierte Hotelier Felix Suhner. So wurde in den letzten 10 Jahren aus Schulden in der Höhe von 1,8 Millionen Franken ein Plus von 1,8 Millionen Franken. «Im Schnitt macht die Gemeinde also jährlich ein Plus von 360 000 Franken», rechnete Suhner vor. Dabei müssten Gebühren so angesetzt werden, dass sie den Aufwand decken. Er forderte den Gemeinderat darum auf, die Gebühren massiv zu senken.


Die Beschlüsse

An der Versammlung nahmen 192 der 2093 Stimmberechtigten teil. Sie fällten folgende Beschlüsse: 1. Protokoll einstimmig genehmigt. – 2. Rechenschaftsbericht einstimmig genehmigt. – 3. Vier Kreditabrechnungen (Ausbau ARA / Studienwettbewerb Kindergarten / Erschliessung Basmätteli / Neubau Werkhof) grossmehrheitlich genehmigt. – 4. Jahresrechnung grossmehrheitlich genehmigt. – 5. Gebäudestrategie des Gemeinderates: Altes Gemeindehaus; Genehmigung eines Verpflichtungskredits über 75 000 Franken für die Planung «Umnutzung des alten Gemeindehauses in Wohnraum»: Mit 92 Ja zu 81 Nein genehmigt. Gegenantrag, die Liegenschaft zu verkaufen, mit 73 Ja zu 87 Nein abgelehnt. «Hüetli»-Areal; Genehmigung eines Verpflichtungskredits über 190 000 Franken für den Rückbau des Fabrikgebäudes: mit 60 Ja zu 106 Nein abgelehnt. Schulanlage Eggen; Genehmigung eines Verpflichtungskredits über 390 000 Franken für die Planungsarbeiten der anstehenden Sanierung: grossmehrheitlich angenommen. – 6. Liegenschaft «Hofweg 6»; Kaufvertrag über 1 Millionen Franken grossmehrheitlich genehmigt. – 7. Aufwertungsmassnahmen für den Nicolas-Hayek-Platz: Abschleifung Pflästerung für 220 000 Franken: mit 60 Ja zu 1001 Nein abgelehnt. Anschaffung Pflanz- und Möblierungselemente für 350 000 Franken: grossmehrheitlich abgelehnt (9 Ja-Stimmen). – 8. Einbürgerungen; Zusicherung des Gemeindebürgerrechts an Kirsten Moons: grossmehrheitlich angenommen.

Ein zweites traktandiertes Einbürgerungsgesuch wurde vom Gemeinderat kurzfristig zurückgezogen, da gegen den Antragsteller ein Verfahren läuft.


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