«Ich kann das»

  25.08.2020 Oberlunkhofen

Sommerserie «Starke Frauen»: Ursula Mauch aus Oberlunkhofen war die erste Aargauer Nationalrätin

Sie kandidierte 1971 kurz nach der Annahme des Frauenstimmrechts für den Ständerat, 1973 wurde sie Grossrätin und politisierte von 1980 bis 1995 als einzige Aargauerin im Nationalrat: Ursula Mauch. Die heute 85-Jährige kämpfte als Parteimitglied der SP auf sachlicher Ebene.

Roger Wetli

Die Schweiz tat sich lange Zeit schwer mit der Einführung des nationalen Frauenstimm- und -wahlrechtes. 1959 lehnten es die Stimmbürger ab. Erst zwölf Jahre später wurde es mit 65,7 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Ursula Mauch war damals mit ihrem Mann und ihren Kindern für ein Jahr in den USA. «Ich habe dort allen stolz erzählt, dass wir Frauen jetzt auch abstimmen können», erinnert sie sich. «Die Amerikaner haben gestaunt, dass das bei uns nicht längst der Fall gewesen ist.»

Politisches Gen der Männer

Ursula Mauch studierte von 1954 bis 1957 Chemie am Technikum in Winterthur. «Wir waren zwei Frauen im Semester. Mit unserer Abschlussklasse wollten wir regeln, dass jeder nicht mehr als ein bestimmtes Monatsgehalt fordern würde», erinnert sie sich. «Dabei meinte ein Mitstudent, dass Frauen auch mit weniger Lohn zufrieden sein könnten. Als Frau müssten wir ja keine Familie durchbringen.»

Ab 1967 engagierte sie sich politisch. Ihre Kandidatur für den Ständerat 1971 scheiterte zwar, bei den Podien merkte sie aber, dass Männer politisch auch nur mit Wasser kochen. «Viele Frauen meinten damals, dass es ein politisches Gen gibt, das nur Männer besitzen. Sie hätten darum dort nichts zu suchen.» Ursula Mauch war anderer Meinung und kandidierte ein paar Jahre später für den Grossen Rat. Hier erreichte Ursula Mauch die gleiche Stimmenzahl wie ein Parteikollege. «Wir hatten die Listenplätze gerecht nach dem Alphabet aufgeteilt. Da sein Nachname vor meinem stand, erhielt er den Sitz.» Ein Jahr später rutschte sie nach. «Als Frau wurde ich im Grossen Rat von Anfang an akzeptiert», erinnert sie sich. Allerdings wundert sie sich noch heute über eine Aussage eines Freisinnigen. Mauch begründete einen Vorstoss für eine nachhaltigere Energiepolitik mit einer Graak. «Dieser staunte, dass eine Frau eine solche Darstellung erstellen kann.» Für sie als Chemikerin war das selbstverständlich.

Als Technikinteressierte politisierte sie eher selten in den «klassischen Frauenthemen» wie Soziales. «Ich bin für Abschaltung der Atomkraftwerke und kämpfte bereits in den 70er-Jahren aktiv dafür. Atomstrom macht aus ökonomischer Sicht keinen Sinn und stärkt aufgrund des dafür benötigten Urans unsere Abhängigkeit gegenüber dem Ausland», ist sie heute noch gleich überzeugt wie damals.

Spricht Mauch über die Themen der 70er-Jahre, merkt man, dass diese immer noch nichts von ihrer Brisanz verloren haben. «Eine nachhaltige Energiepolitik und eine gute Raumplanung waren dem Team 67 wichtig. Aber auch die Vereinbarung von Beruf und Familie. In den USA schickte man seit Jahrzehnten alle Kinder zur selben Uhrzeit in die Schule und sie kamen auch wieder gemeinsam nach Hause. Das wollte ich hier auch einführen, damit Frauen berufstätig sein können, wenn sie wollen.»

Meinungsvielfalt der Frauen

1979 wurde sie als erste Aargauer Frau in den Nationalrat gewählt. Sie blieb bis zu ihrem Rücktritt 1995 die einzige. Und das, obwohl sich immer wieder andere Frauen auf die Parteilisten setzen liessen. «Es war ein Armutszeugnis. Alle Parteien haben nie eine Frau so aufgebaut, dass sie gewählt worden wäre. Auch die SP nicht», ist Mauch enttäuscht. «Nach einer Nationalratswahl hätte aber Frust nichts gebracht. Trotzdem verstand ich nicht, dass die Parteien die Frauen nicht mehr unterstützten.»

Im Nationalrat arbeitete sie immer sachbezogen. Reine Frauengruppierungen mied sie. Mit einer Ausnahme: «Als es um die Erschaffung eines modernen Eherechts ging, arbeiteten die Parlamentarierinnen überparteilich zusammen», erinnert sich Ursula Mauch. «Ansonsten tickte man nicht gleich, nur weil man eine Frau ist, sondern politisierte der Partei entsprechend.»

Vorurteile gab es auch weiterhin parteiintern. Als ich in den 80er-Jahren für den Regierungsrat kandidierte, fragte ein Parteikollege, wieso ich das tun möchte. «Dein Mann verdient doch bereits ordentlich.»

Vielleicht ein wenig wegweisend

Die bis heute anhaltende Dominanz der Männer erklärt sich Ursula Mauch so: «Geht es darum, wer eine prestigebringende und verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen könnte, zögern Frauen oft und fragen sich: Kann ich das?» Männer dagegen würden sofort sagen: «Ich kann das!» Durch diese Entschlossenheit hätten Männer einen Vorteil. Ursula Mauch reagierte genau so, als es um das Präsidium ihrer Bundeshaus-Fraktion ging. «Ich wollte zuerst nur Vizepräsidentin werden, um das Amt kennenzulernen. Schliesslich sagte ich aber zu, wagte den Sprung ins kalte

Wasser und wurde als erste Frau überhaupt Präsidentin einer Bundesrats-Fraktion.» Die Kraft für all diese Kämpfe nahm Ursula Mauch aus einem tiefen Empfinden für Gerechtigkeit. Ausserdem wurde sie sehr stark durch ihren Mann unterstützt. Auch heute wünscht sie sich noch, dass Frauen selbstbewusster werden. «Dass der aktuelle Aargauer Regierungsrat ein reines Männergremium ist, sei eigentlich unhaltbar. Denn dafür gut qualifizierte Frauen gibt es genug.» Freuen tut sie sich darüber, dass die Lohngleichheit zwischen Frau und Mann heute an vielen Orten erreicht ist.

«Bei der Öffentlichen Hand ist diese zum Beispiel gut durchgesetzt.» Spannend sei dagegen, wenn zwei ähnliche Branchen, wie die Polizei und die Pflege, über Löhne verhandeln. «Die klassischen Männerberufe betonen ihre Wichtigkeit für die Gesellschaft dabei oft stärker und erhalten dadurch mehr Lohn», beobachtet sie.

Mauch feierte, als der Bundesrat vor ein paar Jahren beschloss, die Atomkraftwerke abzuschalten. Sie mutmasst: «Damals hatten die Frauen im Bundesrat mit vier Sitzen eine Mehrheit. Ohne diese Konstellation wäre das Anliegen wohl nicht durchgekommen.» Bis heute beantwortet sie immer wieder Fragen von Studentinnen für politische Matur- und Facharbeiten. «In diesem Sinn bin ich vielleicht für junge Frauen ein bisschen wegweisend», so Ursula Mauch.

 


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