Im Dorf angekommen
10.06.2022 MeisterschwandenStiftung Gärtnerhaus in Meisterschwanden feiert am Sonntag, 19. Juni, ihr 25-Jahr-Jubiläum
Die Skepsis war gross damals, als im ehemaligen Gärtnerhaus der Strohindustriellenfamilie Fischer eine Institution für Suchtkranke eingerichtet wurde. Heute bietet der Ort Heimat für über 80 Menschen mit psychischen Problemen. Das Jubiläum ist Anlass für ein Fest.
Chregi Hansen
«Es ist ein Zuhause», sagt Matthias Lämmli auf die Frage, was genau das Gärtnerhaus eigentlich ist. «Ein Ort, an dem Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen wohnen, arbeiten und ihre Freizeit verbringen», fügt der Stiftungsleiter an. Und das rund um die Uhr an 365 Tagen pro Jahr. «Wir bieten diesen Menschen eine Tagesstruktur, geben ihnen so Halt und helfen ihnen auf dem Weg zurück in die Gesellschaft.»
Dieser Weg kann lange sein. Zwischen wenigen Monaten bis zu 12 Jahren. Im Schnitt beträgt die Aufenthaltsdauer der Klienten und Klientinnen rund fünf Jahre. In dieser Zeit wird Meisterschwanden und Fahrwangen zu ihrer Heimat. «Bei der Eröffnung vor 25 Jahren war die Skepsis gross im Dorf. Heute sind wir gut akzeptiert, spüren wir viel Goodwill», kann Lämmli erfreut feststellen. Man suche dafür bewusst nach Kooperationen mit anderen Unternehmen und mit der Schule. «Unsere Türen sind immer offen, wir stellen uns allen Fragen», sagt der Stiftungsleiter.
Den Kontakt zum Gründer wiederhergestellt
Das bedeutet nicht, dass die vergangenen 25 Jahre alles immer reibungslos verlaufen ist. Vor allem der Wechsel von der Pioniergeneration zu den Nachfolgern samt strategischer Neuausrichtung war problematisch. Nach dem Abgang von Gründer Benny Stutz wurde der neue Leiter schon nach kurzer Zeit entlassen. Damals übernahm Lämmli, zuvor Finanzchef in der Institution, interimistisch die Führung, bevor er dann 2016 offizieller Stiftungsleiter wurde. Lämmli freut sich, dass der Kontakt zu Benny Stutz wiederhergestellt ist. «Wir möchten sein Lebenswerk fortführen. Auch wenn es heute sicher eine andere Institution ist als damals», sagt er.
Noch heute ist der Stiftungsleiter verblüfft über den Pioniergeist vor 25 Jahren. Bilder an den Wänden des Haupthauses zeigen, wie verwildert der Park und wie veraltet das Gebäude 1997 noch waren. Mit grossem Tatendrang und Idealismus wurden hier die Grundlagen für den heutigen Erfolg gelegt. Ursprünglich ein Ort für Menschen mit Suchtproblemen, hat sich das Gärtnerhaus heute etabliert als Integrationszentrum für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. «Wir haben einen Leistungsauftrag mit dem Kanton und arbeiten eng mit anderen Institutionen zusammen wie beispielsweise dem Psychiatrischen Dienst des Kantons Aargau», erklärt Lämmli. Die Nachfrage nach Plätzen ist nach einem Einbruch in der Coronazeit wieder gross.
Wohnen, Arbeit, Freizeit
Den Klienten und Klientinnen stehen verschiedene Wohnformen zur Verfügung. Stationär im Gärtnerhaus selber oder in verschiedenen kleinen und grösseren Wohnungen – auch hier werden sie weiter betreut und auf das selbstständige Wohnen vorbereitet. Dazu kommen Arbeitsplätze in den Bereichen Schreinerei, Gartenbau, Velokurierdienst, Wäscherei und vieles mehr. Das Gärtnerhaus führt in Fahrwangen ein eigenes Restaurant und ein Verkaufslokal. Ebenso wichtig ist das Freizeitangebot. Es reicht von sportlichen Aktivitäten bis zu Ausflügen. Zudem arbeitet die Institution seit einigen Jahren eng mit der Schule zusammen, bietet Projektwochen an oder organisiert gemeinsame Clean-Up-Days. «Wir möchten eventuell vorhandene Hemmschwellen abbauen. Die Rückmeldungen aus den Schulen beweisen, dass uns das gelingt», freut sich Lämmli.
Endlich wieder «zäme si»
Bekannt ist das Gärtnerhaus auch für seine Feste. In diesem Jahr wird aus Anlass des Jubiläums besonders gross angerichtet. Am 19. Juni von 10 bis 14 Uhr öffnet die Institution ihre Türen für alle und bietet einen reichhaltigen Brunch sowie Spiel und Spass. Eingeladen sind Klientinnen und Klienten, aber auch die Angehörigen, die Vertreter des Kantons und von anderen Institutionen, ehemalige Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter wie auch die gesamte Bevölkerung.. «Wir wollen Zeit und Raum geben, um auf die vergangenen 25 Jahre zurückzuschauen und um Danke zu sagen», erklärt der Leiter der Stiftung. Einfach «zäme si» sei das Motto. Und dieses Zusammensein sei nach Corona besonders wichtig. Erwartet werden an diesem Tag bis zu 500 Besuchende.
Was die Zukunft betrifft, gibt sich Matthias Lämmli optimistisch. «Wir haben uns etabliert. Intern läuft es sehr gut. Jetzt ist es Zeit, sich mehr nach aussen zu orientieren», sagt er. Dazu sucht die Institution aktiv nach Kooperationen mit anderen Firmen. Hier ortet der Leiter noch grosses Potenzial.
Zu schaffen mache der Fachkräftemangel beim Personal. «Aber davon sind nicht nur wir allein betroffen.» 45 Mitarbeiter setzen sich im Gärtnerhaus für die Klientinnen und Klienten ein. Ein weiterer Ausbau in Sachen Plätze ist nicht geplant. «Wir wollen lieber klein bleiben. Und dafür weiter flexibel sein», so Lämmli. Damit ist man bisher gut gefahren. Ein guter Grund, das Jubiläum in etwas grösserem Stil zu feiern. So, wie es am 19. Juni geplant ist.