Im Einsatz für andere

  14.07.2020 Wohlen

Bereits seit 55 Jahren ist Jakob Isch Mitglied des Samaritervereins Wohlen. Ein Jahr zuvor hat er einen Kameradenhilfskurs absolviert, den Vorläufer des heutigen Nothilfekurses. Nach diesem folgten viele weitere. Und er übernahm viele Funktionen und Ämter: Samariterlehrer, Materialwart, Transporthelfer, Ambulanzfahrer, Instruktor auf kantonaler und nationaler Ebene und vieles mehr.

40 Jahre lang stand er zudem an der Spitze des Samaritervereins Wohlen. Jetzt hat er einen Nachfolger gefunden: seinen Sohn. Zeit, um mit ihm auf sein Leben als Samariter zurückzuschauen. --chh


Der Retter in der Not

Jakob Isch war 40 Jahre lang Präsident des Samaritervereins Wohlen – jetzt übergab er das Amt seinem Sohn

Wie viele Stunden er pro Jahr für seinen Verein da war, das lässt sich kaum eruieren. Jakob Isch war nicht nur Präsident, sondern auch Kursleiter, Instruktor, Verbandsmitglied und vieles mehr. Und war sich nie zu schade, vor Ort Sanitätsdienst zu leisten. «Ich habe dadurch ganz viel erlebt», sagt er heute.

Chregi Hansen

Wer in der Gemeinde Wohlen über den Samariterverein spricht, der meint ihn. Jakob Isch ist das Gesicht des Vereins, ihn kennen fast alle, und umgekehrt kennt er ganz viele. «Da wir Nothilfekurse durchführen und diese obligatorisch sind für den Führerschein, landen die meisten irgendwann bei uns», erklärt er mit einem breiten Lächeln. Da kann es schon mal vorkommen, dass er in einer Beiz angesprochen wird.

Kommt dazu, dass er auch sonst an vielen Orten anzutreffen ist in Wohlen. Denn Isch ist kein Präsident, der nur delegiert, er packt an der Basis mit an, macht noch heute Sanitätsdienst an ganz vielen Veranstaltungen. «Das lässt sich nicht vermeiden, weil die Zahl der Aktiven immer mehr abnimmt», relativiert er. «Wenn dann zwei, drei Anlässe am gleichen Tag sind, dann wird es schon knapp.» Also sitzt er bei Sportanlässen, Konzerten oder Schulanlässen vor dem Sanitätsposten und versorgt die kleinen «Bobos», die entstehen können. «Viele meinen, es sei langweilig für uns, wenn wir nichts zu tun haben. Aber es ist genau umgekehrt – wir sind froh, wenn niemandem etwas passiert.»

Mit der Ambulanz unterwegs

Ein Jahr später, 1965, machte er den Samariterkurs und trat danach dem Verein bei. Schon bald wurde er Materialwart, dann Kursleiter, Vorstandsmitglied, später Instruktor, Präsident, Dienstchef beim Zivilschutz, Funktionär auf kantonaler und nationaler Ebene. «Wenn man jung ist, wird man schnell für ein Ämtli angefragt. Vor allem, weil ich noch aktiver Turner und OL-Läufer und daher gut vernetzt war», lacht er. Und offenbar konnte er schlecht Nein sagen. «Heute frage ich mich manchmal, wie ich das alles unter einen Hut gebracht habe», meint er. Dies besonders, weil er einen höchst anspruchsvollen Job hatte, seine erste Frau früh an Krebs erkrankte und verstarb und er auch für drei kleine Kinder sorgen musste. Und trotzdem engagierte er sich daneben auch noch in der Schulpfege. «Immer, wenn ich etwas abgab, meinten alle, ich hätte jetzt mehr Zeit. Aber irgendwie war das nie der Fall», lacht er.

Trotzdem absolvierte er auch noch Einsätze als Transporthelfer und Rettungsfahrer bei der Ambulanz Neeser. Dabei wurde er mit vielen schweren Unfällen konfrontiert. «Einige Bilder bleiben länger haften. Aber ich hatte das Glück, dass ich solche Szenen gut verarbeiten kann», erzählt der 75-Jährige. Zudem gab es auch schöne Momente. «Einmal haben wir eine Hochschwangere von Villmergen nach Brugg gefahren. Die Wehen hatten schon eingesetzt, und mein Begleiter wurde immer bleicher, weil er befürchtete, dass das Kind schon auf der Fahrt kommt. Wir haben die Frau dann im Spital übergeben und waren noch nicht mal richtig zur Tür hinaus, das hörten wir das Baby schreien», erzählt er. Umgekehrt musste er einmal – schon im Spital angekommen – einen Patienten auf dem Weg in die Intensivstation beatmen, weil dieser zu atmen aufgehört hatte. «Viele belächeln uns, weil wir ja nur Laien sind. Aber wir sind Handwerker und wissen, was zu tun ist.»

Plötzlich Präsident

Im Samariteralltag liegen Freud und Leid oft nah beieinander. So erinnert sich Isch an ganz tolle Anlässe, an denen er viele Jahre lang dabei sein durfte. Aber auch an zwei Todesfälle an Wohler Festen. Zum Glück sind solch dramatische Vorfälle beim Sanitätsdienst die Ausnahme. Fast schon dramatisch war aber die Übernahme des Präsidentenamtes. Isch musste 1980 einspringen, als der damalige Präsident Viktor Kuhn verstarb. «Ich konnte mich nicht auf das Amt vorbereiten und es gab praktisch keine Unterlagen», erinnert er sich.

Kuhn hatte es verpasst, einen Nachfolger aufzubauen. Das wollte Isch besser machen. Das erwies sich aber als nicht so einfach. Aber den Bettel hinschmeissen und das Amt abgeben, das entspricht nicht seiner Art. Darum wurden es 40 Jahre als Präsident. «Das geht nur, wenn man die nötige Unterstützung hat», sagt er. Und das hatte er – sowohl seine zweite Frau wie auch seine Kinder sind aktive Samariter, Sohn Matthias wurde jetzt auch sein Nachfolger. Otto und Viktor Kuhn kamen als Vater und Sohn zusammen auf 62 Jahre Präsidium. «Ich hin gespannt, ob die Familie Isch das schlägt», sagt der abtretende Präsident, der die bisher längste Amtsdauer in der 111-jährigen Vereinsgeschichte aufweist.

Jakob Isch ist Samariter durch und durch. Doch sind diese in einer Zeit der zunehmenden Professionalisierung im Gesundheits- und Rettungswesen nicht ein Auslaufmodell? Auch bei Anlässen kommen immer öfter der professionelle Dienst zum Einsatz – mit höheren Kosten für die Veranstalter.

«Wir sind keine Ärzte»

«Die Mitgliederzahlen sinken fast überall. Aber es braucht uns immer noch», ist Isch überzeugt. Gerade die Schulen und die Sportvereine sind immer noch froh über den Sanitätsdienst. Und auch die Nothilfekurse sind sehr gefragt. Und wenn das Motocross oder die Springkonkurrenz jetzt andere Organisationen für den Sanitätsdienst nehmen, dann sei das nicht schlimm. Umgekehrt ist es auch schon vorgekommen, dass ein Besucher beim Sanitätsdienst eine ärztliche Diagnose verlangt habe und enttäuscht war, dass er diese nicht bekam. «Wir machen nur die Triage. Wir entscheiden, wer so schwer verletzt ist, dass er zum Arzt muss, aber wir sind nicht Ärzte», macht Isch deutlich.

Der Wohler hat viel erlebt in seinen 55 Jahren als Samariter. Und er weiss viele Anekdoten zu erzählen. Beispielsweise von den Meisterschaften im Trampolin. «Als wir unseren Dienst antreten wollten, stand der Krankenwagen schon da. Einer der Teilnehmer hatte sich beim Einspringen verletzt», erzählt er. An den Meisterschaften selber passierte kein Unfall mehr, die Wohler Samariter hatten den ganzen Tag nichts zu tun. Für Isch ein guter Tag. «Je weniger wir gefragt sind, desto besser ist es für den Anlass», sagt er.

 


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