Indische Kühe im Freiamt
26.08.2022 LandwirtschaftAuf dem Landgut Weitsicht von Eva Kollmann weidet seit Mai eine Zwergzebu-Herde. Rebekka Strub, Meisterlandwirtin, züchtet kleine Rinder, welche ursprünglich aus Indien stammen, auf ihrem Hof Horn im Kanton Solothurn. «Uns liegt eine artgerechte und verantwortungsvolle Aufzucht und Haltung aller Tiere sehr am Herzen, wir arbeiten mit der Natur zusammen», sagt Strub. --sus
Landwirtschaft für die Enkelkinder
Auf einer Wiese im Weiler Wiggwil hat eine Zwergzebu-Herde ihr Zuhause
Auf ihrem «Landgut Weitsicht» im Weiler Wiggwil betreibt Eva Kollmann nachhaltige Tierhaltung und Landwirtschaft. Seit Mai weidet auf ihrem Land eine fünfköpfige Zwergzebu-Herde. Zusammen mit Meisterlandwirtin und Zwergzebu-Züchterin Rebekka Strub hat sie die Tiere ins Freiamt geholt.
Susanne Schild
«Samir, du bist aber ganz schön dick geworden.» Mit diesen Worten begrüsst Meisterlandwirtin Rebekka Strub den Zwergzebu-Stier. Samir legt sich auf den Rücken, streckt alle viere von sich und lässt sich von ihr kraulen, wie ein Hund. Ein Anblick, der einen zum Staunen bringt. Etwas weiter weg grasen die Mutterkühe Orlanda und Candy mit ihren Kälbern Mahana und Casper. Die Mutterkühe sind wieder trächtig. Alle scheinen sich sehr wohlzufühlen und alles ist sehr friedlich auf dem kleinen Stück Land.
2004 begannen Rebekka Strubs Eltern auf ihrem Hof «Horn» mit der Zwergzebu-Zucht. 2017 übernahm die Meisterlandwirtin den elterlichen Betrieb und führte die Zucht weiter. Der «Hof Horn» liegt am Jurasüdfuss im Kanton Solothurn. «Die ersten Tiere haben wir aus Deutschland importiert.» Mittlerweile besitzt sie rund 40 Zebus. Rund 100 Zebu-Zuchtkühe gibt es schweizweit. Ihr Land wird von Kühen der Rassen Aubrac und Zebu sowie von Burenziegen gepf legt. «Sie alle kommen mit der durch die Höhenlage bedingten kargen Futtergrundlage sehr gut zurecht. Sie fressen nur Gras, Silage und Heu», sagt Strub.
Artgerechte und angepasste Tierhaltung
Der Zufall brachte Eva Kollmann und Rebekka Strub zusammen. Eva Kollmann suchte schon längere Zeit nach einer den steigenden Temperaturen angepassten Rinderrasse. «Mir haben die Kühe leidgetan.» Die Wohlfühltemperatur eines Holstein-Rindes, das ist eine der weltweit bedeutendsten Milchviehrassen, liege zwischen – 8 Grad und 18 Grad. Ab 25 Grad sei es für die Tiere nicht mehr angenehm. Da aber die Sommer immer heisser werden, müsse man sich Gedanken über eine artgerechte Tierhaltung machen. «Wir müssen darüber nachdenken, wann die Tiere angepasst sind und wie wir den Tieren gerecht werden», fordert Kollmann.
Bedingt durch den Klimawandel habe die Landwirtschaft nicht nur mit steigenden Temperaturen, sondern auch mit Wasserknappheit zu kämpfen. «Zebu-Rinder trinken zwei Drittel weniger Wasser als in der Schweiz übliche Rinderrassen», erklärt die Züchterin. Auch würden sie, da sie sich auch bei Temperaturen über 40 Grad noch wohlfühlen, kein Wasser zur Kühlung benötigen. Zebus haben mehr Haut und weniger Haare. Deshalb kommen sie mit der Hitze besser zurecht. «Dadurch, dass die Tiere sehr hitzetolerant sind, sind auch die Stiere noch bei sehr grosser Hitze zeugungsfähig. Ein Muni der gängigen Rasse deckt bei über 30 Grad nicht mehr», sagt Rebekka Strub.
Auffälliger Buckel, intelligent und sehr gesund
Zwergzebus sind kleine Rinder, welche ursprünglich aus Kaukasien, Indien, stammen. Mit ihrem geringen Gewicht, der grossen Trittsicherheit und ihrer Vorliebe für älteres, struktur- und rohfaserreiches Futter eignen sie sich sehr gut für die Beweidung von extensiven, steilen Lagen. «Um mastreif zu werden, muss kein Kraftfutter zugefüttert werden», sagt Strub. «Das Zebuf leisch besticht durch seinen einzigartigen und unverkennbaren Geschmack. Es ist feinfaserig, dunkel, mit feinem, edlem Wildgeschmack. Gourmets beschreiben es als Mischung zwischen Wild- und Kalbf leisch. Als Weidefleisch ist es zudem reich an Omega-3-Fettsäuren», weiss die Züchterin. Die Vermarktung des Zebuf leischs übernimmt sie selbst. Geschlachtet und verarbeitet werden die Tiere von einem kleinen Metzger aus Baselland.
Die Tiere sind sehr ortsgebunden und ausserdem sehr intelligent. Sie fordern vom Halter einen korrekten, ruhigen Umgang und belohnen ihn dafür mit einfachem Handling der Herde und der einzelnen Tiere.
Ihr auffälliger Buckel und ihre grosse Farbenvielfalt machen die Zebus einzigartig in der Mutterkuh-Haltung. «Ausserdem sind die Tiere sehr gesund und widerstandsfähig», weiss die Züchterin.
«Die Tiere müssen beispielsweise nicht entwurmt werden, was ein grosser Vorteil für unsere Umwelt ist», sagt Strub. Hierfür nennt sie folgendes Beispiel: «Eine Kuh produziert pro Monat rund eine Tonne Mist auf der Weide. Davon ernähren sich etwa 20 Kilogramm Insekten. Von diesen ernähren sich wiederum 30 Stare. Wenn der Kuhdung mit Medikamenten verseucht ist, leben darin keine Insekten mehr oder sie sind ebenfalls verseucht. Das bedeutet wiederum keine Nahrung für die Vögel oder im schlimmsten Fall sterben die Vögel durch die verseuchten Insekten.» Man müsse sich darüber klar werden, dass vermeintlich kleine Handlungen im Stall grosse Auswirkungen auf die Umwelt haben.
Regenerative Landwirtschaft macht Sinn
«Wir müssen die Landwirtschaft neu denken», ist auch Eva Kollmann überzeugt. Dafür sind die Zwergzebus ein Beispiel. Doch die Tiere sind nicht das einzige innovative Projekt von Kollmann. Zusammen mit der Firma Husqvarna Schweiz will sie ihr Land mit Solarakku-betriebenen Mährobotern bewirtschaften.
Eine nachhaltige, ressourcenschonende Bewirtschaftung sei die Grundlage für eine zukunftsgerichtete Landwirtschaft. «Deshalb versuchen wir die Kreisläufe möglichst geschlossen zu halten und Raum für alle heimischen Lebewesen zu bieten. Landwirtschaft soll nach unserem Verständnis eine ‹Zusammenarbeit mit der Natur› sein. Wir leben mit und von ihr. Sie muss enkelkindertauglich werden», ergänzt Strub.
Und weiter: «Wir müssen endlich Verantwortung übernehmen. Den Mut haben, etwas Neues zu denken, und die Kraft dafür aufbringen. Wir dürfen nicht stehenbleiben.» Natürlich müsse beim Versuchen und Experimentieren auch das Scheitern mit einkalkuliert werden. «Aber dann kann ich wenigsten sagen, ich habe etwas gemacht», so Strub.
Doch sie ist sich auch bewusst, dass viele Landwirte unter enormem Druck stehen, sei es finanziell oder von der Gesellschaft. «Viele können es sich einfach nicht leisten, neue Wege zu gehen.» Denn reich werde man dadurch nicht. «Es ist ganz viel Ideologie dabei.»
Zwergzebus sind ein neuer, aber gehbarer Weg
Etwas Neues gewagt haben die zwei innovativen Frauen auch mit den Zwergzebus. «Wir wollen zeigen, dass neue Wege durchaus gangbar sind. Deshalb haben wir auch sämtliche Landwirtschaftsschulen in der Umgebung eingeladen, damit sich die zukünftigen Landwirte ein Bild von den Tieren vor Ort machen können und praktisch sehen, was eine enkelkindertaugliche Landwirtschaft bedeuten kann», sagt Eva Kollmann.
«Ich bin mir bewusst, dass der Flecken Erde, auf dem mein Hof steht und den ich bewirtschafte, von der nachfolgenden Generation nur geliehen ist, und ich möchte ihn einmal mit gutem Gewissen weitergeben können», sagt Rebekka Strub. Bis zum Winter bleiben die Tiere noch im Freiamt. Dann ziehen sie wieder auf den Hof Horn zu Rebekka Strub.