Kinderbuchfigur wird geadelt
10.12.2024 Wohlen«Chnorrlimorrli» Band zwei: Die Vernissage im Strohmuseum war ein Treffpunkt regionaler Förderer
«Die Könige des Freiamts» sind Thema in der Fortsetzung des beliebten Kinderbuchs. Die versammelte Prominenz an der Vernissage machte klar, dass ...
«Chnorrlimorrli» Band zwei: Die Vernissage im Strohmuseum war ein Treffpunkt regionaler Förderer
«Die Könige des Freiamts» sind Thema in der Fortsetzung des beliebten Kinderbuchs. Die versammelte Prominenz an der Vernissage machte klar, dass «Chnorrlimorrli» eben nicht nur ein Kinderbuch ist, sondern mit seiner Sprache und den Handlungsorten auch die Freiämter Identität stärkt.
Thomas Stöckli
Zeichnerin Esther «Etschgi» Sorg macht sich an der Terrassentür zu schaffen. «Sie sorgt nur für etwas frische Luft», erklärt Autor Stefan Sprenger. Von wegen: Plötzlich schleicht die Hauptfigur herein, mit der eigentlich gar niemand gerechnet hatte. Und da steht er, «Chnorrlimorrli»: Halb, Mensch, halb Monster – aber zu 100 Prozent Freiämter. An Letzterem kommt am Anlass im Strohmuseum nie Zweifel auf. Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, Sport und Kultur haben sich eingefunden, um gemeinsam die Vernissage des zweiten Bands zu feiern, der wieder in bewährter Zusammenarbeit von Sprenger und Sorg entstanden ist.
Viel Zeit und Herzblut investiert
Claudia Nick, Kultursekretärin von Wohlen – oder «Freiämter Kulturpäpstin», wie sie Sprenger einführt –, lobt in ihrer Laudatio das kreative Kinderbuch-Duo für die Zeit und das Herzblut, welche es in sein Werk investiert hat. «Chnorrlimorrli», den so herrlich unkonventionellen Helden der Geschichten, beschreibt sie als «mutiges Kerli», das schüchternen Kindern den Weg bahnt. Seine Abenteuer sorgen nicht nur bei Kindern für leuchtende Augen, hält sie fest. Und nicht zuletzt bieten die Geschichten Gelegenheit, das Freiamt von seinen schönsten Seiten kennenzulernen.
«… und die Könige des Freiamts», heisst er, der zweite «Chnorrlimorrli»- Band. Das Strohmuseum als herrschaftliches Haus sei da die passende Lokalität für die Vernissage, findet Claudia Nick, «es könnte gut auch als Schloss durchgehen.» Auf den royalen Titel des Buchs für grosse und kleine Kinder spielte auch Co-Laudator Martin «Laubi» Laubacher an. Der Unternehmer, Präsident Verein Freunde des Strohmuseums sowie ehemaliger Handball- und Fasnachts-Funktionär schlug kurzerhand vor, den Autor und die Zeichnerin in den höchsten Adelsstand zu erheben. «Zwei tolle Menschen mit grossem Herz» seien sie, so Laubacher. «Schon vom ersten Band waren die Leute begeistert», schwärmt er, und der zweite entführe wieder in wundervolle Welten. Etwa ins idyllische Feldenmoos, Boswil, zum Maiengrünturm ob Hägglingen und zum zwischen Wohlen und Bremgarten gelegenen Erdmannlistein, ins urtümlich anmutende Söriker Tobel in Muri oder nach Auw, wo natürlich die Dorfheilige Maria Bernarda Thema ist, aber auch Reggae-Gott Bob Marley vorkommt.
Zwei «Wahnsinnige»
Quer durchs Freiamt führt auch Stefan Sprenger mit seiner Verdankung der Projekt-Unterstützer. «Danke dir, dass du den Wahnsinn mitgemacht hast», richtet er sich etwa in Sarmenstorf an seine Kreativpartnerin, die hier wohnt. «Ich danke dir, dass du den Wahnsinn auch mitmachst», gibt sie sogleich zurück. Weitere Stationen sind etwa beim Villmerger Bio-Bauern Reto Heiniger, bei den Landfrauen des Bezirks Muri und bei Robert Dubler. Dessen Konfiserieunternehmen in Waltenschwil habe über 120 Exemplare vom ersten Band verkauft, verrät Sprenger.
Bei so viel Support erstaunt es nicht, dass sich «Chnorrlimorrli» längst aus seinem angestammten Gebiet zwischen den Buchdeckeln weiterentwickelt hat. Die Ringerstaffel Freiamt bekennt mit gelb-blauen Socken Farbe – der Verkaufserlös kommt dem Ringer-Nachwuchs zugute. Buki und Regula Kreyenbühl von der gleichnamigen Bäckerei in Muri haben eigens ein Brot entwickelt, in den Varianten «Ruch», «Chörnli» und «Dinkel». Am Bullenberg in Villmergen, dort wo Chnorrlimorrli geboren wurde, und im Murimoos, Muri – dem Mittelpunkt des Freiamts, wie das Kantonale Vermessungsamt und Kreisgeometer Renato Moos (aus Villmergen) ermittelt haben – stehen je ein «Chnorrlimorrli»-Bänklein. Lehrer Claude Hasler hat einen «Chnorrlimorrli»-Rap geschrieben, inklusive Musikvideo. Und in Bettwil wird aktuell in der Projektwoche ein Musical über den Freiämter Antihelden erarbeitet. Am 19. Dezember wird es in der Turnhalle uraufgeführt.
Im Tessin und mit Meerblick in Marseille habe sie am aktuellen Band gezeichnet, verrät Esther Sorg über den Schaffensprozess, «aber auch im ICE der Deutschen Bahn in Richtung Holland», fügt sie an. Sprenger darf seinerseits auf einen grossen Erfahrungsschatz als Gutenachtgeschichten-erzählender Vater bauen, wobei die Kinder ihren kreativen Anteil beisteuern. Einen weiteren Kreativschub erhalten die Geschichten durch das Zusammenspiel von Text und Bild.
Prominente Förderer
An der Vernissage im Strohmuseum gibt sich Schwinger-Boss Stefan Strebel als Fan von «Chnorrlimorrli» zu erkennen: «Ich finde die Geschichten toll und die Handlungsorte werden mich auf meinen E-Bike-Touren inspirieren», verrät der technische Leiter des Eidgenössischen Schwingerverbands. Freude bereitet ihm auch, dass das Werk dazu beiträgt, den Freiämter Dialekt zu erhalten. Zu Letzterem hat Heini Stäger, ehemaliger Lehrer und Dorfhistoriker, seinen Teil beigetragen. Er hat das Werk auf ein klanglich kohärentes Freiämterdeutsch überarbeitet. Ihn begeistert die Verwendung vieler Ausdrücke, die sonst kaum noch geläufig sind und die auch noch erklärt werden. «Die Kinder müssen manchmal richtig ‹gigele›, wenn sie etwas hören», sagt der Grossvater aus eigener Erfahrung.
Simone Iannantuoni, Geschäftsführer der Kasimir Meyer, zeigt sich erfreut, dass sein Unternehmen nach Band 1 auch den zweiten Teil drucken durfte: «Ein Buchprojekt ist für eine Druckerei immer etwas Schönes», sagt er, «gerade heute, wo das Gedruckte immer mehr infrage gestellt wird.» Speziell ist die edle Heissfolien-Prägung auf dem Einband, die den Buchtitel je nach Blickwinkel in anderer Farbe erscheinen lässt.
Auflage von 1500 Exemplaren
Ganz besonders auf die «Rückkehr» des «Chnorrlimorrli» hat sich André Richner, VR-Präsident der Richnerstutz AG gefreut: «Ich habe wie Chnorrlimorrli mein ganzes Leben im Freiamt verbracht», verrät er, und manchmal sei er am Morgen früh beim Blick in den Spiegel nicht ganz sicher, ob er nicht noch mehr Parallelen zu diesem 500-jährigen Kauz habe. «Was die beiden Künstler Esther Sorg und Stefan Sprenger geschaffen haben, ist für mich Geschichte, Heimat, Fantasie und eine Flucht aus den vielen geopolitischen Meldungen jeden Tag. Geschichten aus dem Freiamt, an wunderbaren Plätzen mit «unserer» Sprache, die wir so auch unseren Kleinen weitergeben können – einfach wunderbar!»
Die 1500 Exemplare des ersten «Chnorrlimorrli»-Bands sind mittlerweile vergriffen. Band zwei wurde in derselben Auflage gedruckt. «200 Exemplare haben wir bereits vor der Vernissage verkauft», verrät Autor Stefan Sprenger. Während er vor vier Jahren noch Läden suchen musste, die das Buch vertreiben wollen, kommen heute schon einige Verkaufsstellen von sich aus auf ihn zu.
Das letzte Wort soll «Chnorrlimorrli» selbst haben – oder Brigitte Stäger vom Verein Top Challenge, die für die Vernissage ins Kostüm des Kinderbuchhelden geschlüpft ist: «Ich freue mich auf ganz viele Abenteuer.» Die Fangemeinde im Freiamt dürfte mit dieser Aussage voll einverstanden sein.