Kleines Haus ganz gross

  10.06.2022 Merenschwand

Erste Kleinwohnform-Siedlung der Schweiz in Merenschwand erfolgreich gestartet

Die drei Häuser auf dem gemeindeeigenen Grundstück in Merenschwand sind ein Pionierprojekt. Die erste Siedlung dieser Art, die in der Schweiz realisiert wurde, ist eine Erfolgsgeschichte. Der Merenschwander Gemeinderat trug dazu einen Teil bei.

Susanne Schild

Trotz seiner beschränkten Grösse braucht man im Minihaus auf nichts zu verzichten. Das Tiny House wird als Wohnform auch in der Schweiz immer beliebter. Seit drei Monaten lebt Bernadette Hölzl in ihrem kleinen Häuschen in Merenschwand. Im Juli zieht ihre Nachbarin ein. Die Dritte im Bunde pendelt momentan noch zwischen Merenschwand und ihrem Einfamilienhaus in einer anderen Gemeinde.

Alle drei haben etwas gemeinsam: Sie leben auf 35 Quadratmetern. «Ich wohne mega», sagt Bernadette Hölzl. In nicht einmal einer Stunde sei der Hausputz erledigt. «So kann ich meine Zeit sinnvoller nutzen.» Sie wollte nachhaltig leben und sich dennoch den Traum vom Eingenheim erfüllen. Bevor sie in das Minihaus einzog, lebte sie auf 100 Quadratmetern. «Ich mache keine halben Sachen. Wenn schon, dann richtig. Man muss ein paar Sachen loswerden, die Entscheidung treffen, was behalte ich und was gebe ich weg.» Bislang vermisst sie nichts.

Bernadette Hölzl sieht den Einzug in das Minihaus als ein Experiment. «Ich werde jetzt ein Jahr lang Erfahrungen sammeln, weiss aber noch nicht, wie es kommt.» Eines steht für sie fest: «Zum Ausprobieren muss man es leben. Und bislang ist es, so klein wie es ist, gut.»

Eine Win-win-Situation

In Merenschwand sind auf dem gemeindeeigenen Grundstück an der Schwanenstrasse drei Kleinwohnformen als Zwischennutzung für zehn Jahre erstellt worden. Eine Idee, die eine Win-win-Situation für die Gemeinde und die Bewohnerinnen ist. Die Siedlungs- und Projektplanung hatte die Einzelfirma Ökologische Raumgestaltung unter der Leitung von Baubiologin Tanja Schindler inne. Sie selbst lebt seit zehn Jahren in einem Minihaus in Altdorf.

«Jahrelang versuche ich schon eine sinnvolle Baulandnutzung voranzutreiben.» Denn momentan sei man zunehmend mit der Problematik konfrontiert, dass alles, was bebaubar ist, auch bebaut werde. «Daher muss die zukünftige Generation gezwungenermassen einmal das Bestehende übernehmen. Es bleibt kaum eine Möglichkeit, etwas selbst zu bauen», ist sie überzeugt. Viel sinnvoller sei es, Bauflächen erst dann zu bebauen, wenn wirklich Bedarf da ist.

Auch die Bedürfnisse würden sich ändern. «Bereits heute beträgt der Anteil der Single-Haushalte über 60 Prozent. Trotz dieses Trends werden aber immer noch mehrheitlich Dreibis Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnungen gebaut.»

Hinzu käme, dass viele Gemeinden Bauland, beispielsweise für eine mögliche Schulraumerweiterung, freihalten müssten. Diese Flächen könnten durch eine befristete Bebauung sinnvoll zwischengenutzt werden. «Dafür ist die Kleinwohnform-Siedlung bestens geeignet. Alles ist bewegbar. Es gibt beispielsweise keine Keller. Das Haus kann dadurch jederzeit an einen anderen Standort verlegt werden, sodass das Grundstück so in kürzester Zeit wieder in seinen Urzustand zurückversetzt werden kann.»

Der Erfolg ist auch ein Verdienst  des Gemeinderates

«Die Gemeinde Merenschwand unterstützte die Herausforderungen, zusammen mit den ersten Bewohnern, die viel Risiko und Idealismus mitgebracht haben», betont Schindler. Die Gemeinde kam auf sie zu. «Das ist eine ganz andere Art der Zusammenarbeit. Bislang gab es noch keine Gemeinde, die die Initiative von sich aus ergriffen hat.» Im Gegenteil, meistens würden die Projekte wegen der Uneinigkeit innerhalb des Gemeinderates scheitern. «Die Einstimmigkeit in dem Gremium und die durchwegs positive Haltung zu dem Projekt sind in Merenschwand einmalig gewesen. Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde ist wirklich vorbildlich. Ich würde mir wünschen, dass das häufiger der Fall wäre.»

Eine Lebensphilosophie

«Die Philosophie des Downsizing ist ansprechender denn je. Mein Auto, mein Haus, meine Yacht. Wir wollen, dass man unseren Erfolg sieht. Und zwar an der Grösse unserer Besitztümer. Es gilt: Je grösser desto teurer, also besser. Vielleicht wird sich das aber bald ändern. Vielleicht wird bald nicht mehr die Grösse eines Hauses, sondern das Design und die Effizienz das neue Statussymbol», hofft sie. Tanja Schindler setzt sich für das Leben in kleinen Häusern ein. Zugunsten der Natur und der eigenen Zufriedenheit. Denn weniger ist oft mehr.


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