Klienten im Fokus
04.03.2022 MutschellenDer regionale Kindes- und Erwachsenenschutzdienst (KESD) Mutschellen-Kelleramt ist seit einem Jahr aktiv
Menschen in schwierigen Lebenssituationen und Menschen mit einer Beeinträchtigung benötigen besondere Unterstützung. Diese erhalten sie von den Beiständen des Kindes- und Erwachsenenschutzdienstes KESD. In Rudolfstetten ist ein solcher Dienst im Aufbau.
Erika Obrist
Es hat mächtig gekracht im Gebälk, als im Bezirk Bremgarten die Jugendund Familienberatung aufgelöst wurde und die Amtsvormundschaft zum Gemeindeverband Kindes- und Erwachsenenschutzdienst (KESD) Bezirk Bremgarten mit neuen zusätzlichen Beratungsdienstleistungen umorganisiert wurde. Weil ihnen die Satzungen des neuen Gebildes, das Dienstleistungsangebot sowie die Infrastruktur nicht zusagten, sind die Gemeinden Arni, Islisberg, Oberlunkhofen, Oberwil-Lieli und Rudolfstetten-Friedlisberg im Jahr 2015 aus dem KESD Bezirk Bremgarten ausgetreten. Sie haben die Führung der Mandate im Kindes- und Erwachsenenschutz einer privaten Firma übertragen. Inzwischen haben auch die Gemeinden Berikon und Villmergen ihren Austritt aus dem KESD Bezirk Bremgarten gegeben.
Laut Rudolfstettens Gemeindeschreiber Urs Schuhmacher hat sich die Mandatsführung durch die Firma Consalis Beratung GmbH in Baden bewährt. Trotzdem waren die Gemeinderäte von Arni, Islisberg, Oberlunkhofen, Oberwil-Lieli und Rudolfstetten-Friedlisberg der Ansicht, dass die Betreuung der schutzbedürftigen Kinder und Erwachsenen wieder durch die Gemeinden selber zu organisieren sei. Sie haben sich zum regionalen Kindes- und Erwachsenenschutzdienst (KESD) Mutschellen-Kelleramt mit Sitz in Rudolfstetten-Friedlisberg zusammengeschlossen. Geregelt ist die Zusammenarbeit mit einem Gemeindevertrag. Im August 2020 hat die Gemeindeversammlung für die regionale KESD 200 Stellenprozente genehmigt. Am 15. Februar 2021 wurde der Betrieb aufgenommen.
Personalmarkt ist ausgetrocknet
Der Start verlief nicht gerade reibungslos. «Die Suche nach ausgewiesenem Fachpersonal ist schwierig», sagt Gemeindeschreiber Urs Schuhmacher, der zusammen mit Tamara Breitschmid, Leiterin Soziales, zuständig für die Organisation des Dienstes ist. In Nicla Berger wurde eine gesuchte Fachkraft für den Erwachsenenschutzdienst gefunden. Die 29-jährige Juristin hat sich viel mit Sozialversicherungsrecht befasst und ist mit einem 40-Prozent-Pensum angestellt. Am 1. Oktober konnte mit Nadin Leuthold eine zweite Beiständin mit 60 Stellenprozenten angestellt werden.
Die 29-jährige Sozialversicherungsfachfrau bringt acht Jahre KESD-Erfahrung mit; sie war in der Administration tätig. Aktuell besucht sie die Weiterbildung CAS Mandatsführung im Kindes- und Erwachsenenschutz. Nicla Berger bildet sich im gleichen Bereich ab Herbst 2022 weiter. Die Suche nach einer Fachperson im Kindesschutzdienst blieb lange erfolglos. «Deshalb betreut die Firma Consalis nach wie vor einige Kindesschutzmandate», erklärt Urs Schuhmacher.
Ab kommendem 1. Mai wird eine Beiständin mit einem 90-Prozent-Pensum zum Team stossen. Sie hat einen sozialpädagogischen Werdegang mit entsprechenden Weiterbildungen und wird sich daher vor allem dem Kindesschutz und der Beratung widmen. «Die Beratung, auch im Sinne der Prävention, wird immer wichtiger», weiss Urs Schuhmacher. Unterstützt werden die drei Beiständinnen von Mitarbeitenden in der Administration.
Wer aber braucht die Unterstützung eines Beistands? Es sind dies Menschen in einer besonders schwierigen Lebenssituation, die in gewissen Bereichen des Alltags Hilfe benötigen. Dazu Menschen, die selber nicht (mehr) handlungsfähig sind. Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung oder psychischen Problemen beispielsweise. Die Gemeinden werden dabei nicht selber aktiv. «Am Anfang steht in den meisten Fällen eine Gefährdungsmeldung ans Familiengericht», erklärt Nicla Berger. Diese kann von der Schule kommen, von der Spitex, dem Hausarzt oder von Nachbarn. Das Familiengericht beauftragt dann den KESD, nähere Abklärungen vorzunehmen. Dieser verfasst einen Bericht zuhanden des Familiengerichts und schlägt Massnahmen vor. Vor einem Entscheid des Gerichts wird auch die betroffene Person angehört. Danach ordnet das Familiengericht, sofern notwendig, Massnahmen an, welche von den Mitarbeitenden des KESD umgesetzt werden müssen.
Der KESD ist nebst der Mandatsführung auch Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Bereich der freiwilligen Hilfe. Dank niederschwelligen Beratungen können Personen in vielen Themen unterstützt werden, dies ohne Mitwirkung des Familiengerichts.
Individuelle Lösungen suchen
«Diese Unterstützungsmassnahmen sind individuell auf die hilfsbedürftigen Menschen zugeschnitten», erklärt Nadin Leuthold. Die Umsetzung sei manchmal nicht einfach, beim Kindesschutz oftmals komplex und daher sehr zeitaufwendig. «Die allermeisten Klientinnen und Klienten sind sehr dankbar für unsere Unterstützung», weiss Nicla Berger aus nunmehr einjähriger Erfahrung – obwohl die Massnahmen einen Eingriff in die persönliche Freiheit und in die Privatsphäre bedeuten. «Der Fokus unserer Arbeit liegt auf dem Klienten – und nur auf ihm», versichert Nadin Leuthold.
Mit den Klienten zusammen würden Wege gesucht, wie die schwierige Situation in den Griff zu kriegen sei. «Dabei sind wir auf die Mitarbeit der Klienten angewiesen», so die beiden Beiständinnen. Alle zwei Jahre müssen sie dem Familiengericht eine umfassende Dokumentation einreichen. Dieses prüft die Angaben und entscheidet, ob und in welchem Umfang die Massnahme weitergeführt wird.
Regelmässiger Austausch mit Gemeinden
Herausfordernd und lehrreich seien die vergangenen Monate gewesen, blickt Nicla Berger zurück. Schön sei, die Dankbarkeit der Klienten zu spüren. Das Wissen, die meisten Leute unterstützen zu können, sei befriedigend, fährt Nadin Leuthold weiter. «Wir üben eine sinnvolle Tätigkeit aus.» Die angeschlossenen Gemeinden seien zufrieden mit den Leistungen des regionalen KESD, so Tamara Breitschmid. «Nach dem ersten Halbjahr haben wir uns zusammengesetzt und Erfahrungen ausgetauscht», zeigt sie auf.
Solche Treffen werden auch in Zukunft in regelmässigen Abständen stattfinden. Auch wenn der Start etwas holprig gewesen sei: Der regionale KESD Mutschellen-Kelleramt sei in der Lage, die ihm vom Familiengericht übertragenen Aufgaben gewissenhaft wahrzunehmen.
Vertragsentwurf liegt vor
Berikon prüft Anschluss an regionalen KESD Mutschellen-Kelleramt
Die Gemeinde Berikon hat ihre Mitgliedschaft im Kindes- und Erwachsenenschutzdienst (KESD) Bezirk Bremgarten per Ende 2022 gekündigt. Die Gemeinde organisiert ihren Sozialdienst neu. Ursprünglich wollte die Gemeinde auch die Leistungen im Kindes- und Erwachsenenschutz selber anbieten. Nun hat sich jedoch gezeigt, dass zu wenig Mandate vorhanden sind, um für den Kindes- und Erwachsenenschutz je eine Fachperson anstellen zu können. Deshalb hat die Gemeinde Berikon den KESD Mutschellen-Kelleramt angefragt bezüglich der Modalitäten eines allfälligen Anschlusses an diese regionale Institution. Die Antwort ist positiv ausgefallen. Ein erster Vertragsentwurf lag bereits vor; jetzt sind noch leichte Anpassungen notwendig. Sind alle Details geklärt, müssen in einem nächsten Schritt die Klienten angefragt werden, ob sie ihren derzeitigen Beistand vom KESD Bezirk Bremgarten behalten oder ob sie in den KESD Mutschellen-Kelleramt wechseln möchten. Eine allfällige Übergabe der bestehenden Mandate würde schrittweise erfolgen. --eob