Knatsch in Merenschwand

  13.10.2020 Merenschwand

Aufsichtsverfahren gegen den Gemeinderat

Das Projekt Notterhaus schlägt in Merenschwand hohe Wellen. Im Zuge des Referendumsbegehrens fertigte der Gemeinderat Listen an – unrechtmässig.

Aus welchem Ortsteil die Unterschreibenden kommen, wie alt sie sind und welches Geschlecht sie haben. Nach diesen drei Kriterien hat der Merenschwander Gemeinderat aus den Unterschriften des Referendums gegen das Projekt Ersatzbau Notterhaus Listen erstellt. Es folgte ein Aufsichtsverfahren und die Antwort der kantonalen Stelle: Er tat das unrechtmässig. --ake


Eigene Bürger ausspioniert?

Aufsichtsverfahren gegen den Merenschwander Gemeinderat wegen unrechtmässig erstellten Listen

Ungebührliches Verhalten und Nichtrespektierung des Souveräns. Es sind die zwei Punkte, wegen denen sich der Gemeinderat einem Aufsichtsverfahren ausgesetzt sah. Dafür wurde der Gemeinderat von der kantonalen Stelle gerügt. «Zu wenig», findet Fritz Beck von Pro Merenschwand. Ammann Hannes Küng lässt die Fragen unbeantwortet.

Annemarie Keusch

Allem zugrunde liegt das Projekt Ersatzbau Notterhaus. Seit Monaten ist es eines der meist diskutierten Themen in Merenschwand. Der Gemeinderat wollte den zusätzlich benötigten Schulraum mit einem Ersatzbau des Notterhauses realisieren. An der «Gmeind» im Winter 2018 stimmte eine Mehrheit diesem Vorhaben zu. Es folgten das Referendum und schliesslich die Volksabstimmung, die im Mai 2019 ganz knapp ausfiel. Zwölf Stimmen machten damals den Unterschied.

An vorderster Front gegen den Neubau Notterhaus wehrte sich die Gruppierung «Pro Merenschwand». Entstanden in Benzenschwil, ist die Gruppierung parteiübergreifend. An ihrer Spitze steht unter anderem Fritz Beck. Ihr Hauptargument in der Notterhaus-Diskussion: «Es gibt viel freien Schulraum in Benzenschwil und es gibt zwei zu Schülertransporten ausgebildete Abwarte, die die Kinder nach Benzenschwil fahren könnten», sagt Fritz Beck. An der «Gmeind» vom 19. Oktober wird die Diskussion in die nächste Runde gehen, das Notterhaus-Projekt ist wieder traktandiert.

Gut 43 Prozent aus Benzenschwil

Fritz Beck steht hin, erhebt Vorwürfe gegen den Gemeinderat. Er war es aber nicht, der das Aufsichtsverfahren, das der Redaktion vorliegt, im März letzten Jahres ins Rollen brachte. Im Zuge des Notterhaus-Referendums liess der Gemeinderat Listen von allen Unterzeichnenden herstellen. Diese wurden Ortsteilen, Geschlecht und Alter zugeordnet. 315 männliche, 284 weibliche Personen haben folglich das Referendum unterschrieben. Gut 43 Prozent kommen aus dem Ortsteil Benzenschwil, gut 31 Prozent sind zwischen 66 und 75 Jahre alt.

Rechtmässigkeit des Referendumsbegehrens kontrollieren

In ihrem Entscheid betont die Leiterin der Gemeindeabteilung des Kantons und ein Mitglied des Rechtsdienstes: «Es ist festzuhalten, dass die Bearbeitung der Unterschriftsbögen und die Erstellung einer Auswertung nach Ortsteilen und nach Altersklassen unrechtmässig erfolgt sind.» Zwar sei die Stimmberechtigung der Unterzeichnenden zu prüfen, aber die Liste der eingereichten Unterschriften sei nach rechtskräftiger Feststellung über das Zustandekommen des Referendums zu vernichten. Entsprechend fällt der Entscheid aus: Der Gemeinderat wird verpflichtet, die angefertigten Listen sowie die Unterlagen über die Auswertungen und Auswertungsergebnisse zu vernichten. Der Gemeinderat wird zudem verpflichtet, künftig keine Bearbeitungen und Auswertungen von Unterschriftsbögen mehr vorzunehmen. Eine Kanzleigebühr wird keine erhoben.

Ob der Gemeinderat gegen den Entscheid Beschwerde erhoben oder diesen akzeptiert hat, beantwortet Ammann Hannes Küng nicht. In seiner Vernehmlassung vom April letzten Jahres nimmt der Gemeinderat zu den Vorwürfen in der Anzeige Stellung. Darin betont der Gemeinderat, «dass die von ihm beauftragten Personen der Gemeindeverwaltung von Amtes wegen verpflichtet seien, die Rechtmässigkeit von Referendumsbegehren zu kontrollieren und die Unterschriften der einzelnen Teilnehmenden zu prüfen. Er gehe davon aus, dass die Form, in welcher er dies tue, ihm überlassen sei.» Zudem sei der Gemeinderat daran interessiert, für seine Weiterarbeit in Erfahrung zu bringen, welche Ortsteile und Altersgruppen sich gegen dieses von der Gemeindeversammlung beschlossene Vorhaben wenden würden. «Die Erhebung ist aufgrund von Daten erfolgt, welche dem Gemeinderat legal zugänglich sind.» Für den Gemeinderat sei es zudem selbstverständlich, dass die gewonnenen Erkenntnisse nur dem internen Gebrauch dienen und vertraulich zu behandeln seien.

Weitere Fragen zu den Vorteilen, die sich der Gemeinderat durch die Listen erhoffe oder was er zur Antwort und zum Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inneres sage, lässt Hannes Küng unbeantwortet. Klare Antworten hingegen kommen von Fritz Beck. Er fordert, dass sich der Gemeinderat zumindest öffentlich entschuldigen und rechtfertigen müsse.

Dritte informiert über Unterschrift

Und er geht mit seinen Vorwürfen weiter. In einer E-Mail, die der Redaktion vorliegt, schrieb Gemeindeammann Hannes Küng zwei Referentinnen, die diesen Sommer bei einem Vortrag auftraten, der von einer Einwohnerin organisiert wurde, die das Referendum unterschrieb. Mit «Das müssen/dürfen Sie wissen» begann die E-Mail, in der er die Referentinnen darüber informierte, dass die Organisatorin «letztes Jahr an vorderster Front mitgeholfen hat, eine dringend notwendige Schulanlagenerweiterung zu verhindern. Bei persönlichem Bedarf nutzt sie aber gerne vorhandene Schulräume.»

Dieses Schreiben leitete Fritz Beck an die zuständigen kantonalen Stellen weiter und schrieb darin: «Diese erneute Handlung in schriftlicher Form finden wir als Bürger unhaltbar, unverschämt und lässt uns zweifeln, da der von den Bürgern gewählte Gemeinderat scheinbar ein anderes Verständnis von einer demokratischen Entscheidung hat. Wir als Bürger sind wirklich sehr besorgt darüber, was der Gemeinderat als Nächstes unternimmt, um seinen Frust kundzutun.» Eine Reaktion von kantonaler Stelle blieb aus.

Benzenschwiler fühlen sich nicht wahrgenommen

Beck nennt andere Beispiele, die er aber nur vom Hörensagen kenne. Leute, die das Referendum unterschrieben, seien auf der Verwaltung schroff abgewiesen oder auf der Strasse «blöd angesprochen» worden. «Zudem habe ich gehört, dass sich viele nicht mehr getrauen, ihre Meinung zu sagen, gerade Gewerbler. Ich habe keine Angst.»

Auch zu den Vorwürfen, dass Leute, die das Referendumsbegehren unterschrieben haben, anders behandelt oder Dritte über deren Unterschrift informiert würden, schweigt Gemeindeammann Hannes Küng. Ob er an der «Gmeind» vom 19. Oktober auf das Aufsichtsverfahren eingehe, beantwortet er auch nicht. Und ebenso lässt er die Frage unbeantwortet, wie er das Verhältnis zwischen dem Ortsteil Merenschwand und dem Ortsteil Benzenschwil wahrnehme und was er dazu sage, dass sich einige Benzenschwilerinnen und Benzenschwiler nicht wahrgenommen fühlen. Einer von ihnen ist Fritz Beck, der seit 15 Jahren in Benzenschwil lebt und vor der Fusion mit Merenschwand im Gemeinderat sass. «Wir fühlen uns wie der Wurmfortsatz am Blinddarm.»


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