Konsum bedeutet Abfall
25.03.2022 WohlenEntsorgung und Recycling: Infoabend der Volkshochschule und der Römer AG
Rund durchschnittlich 60Tonnen Abfall produziert ein Mensch in seinem Leben in der Schweiz. Die fachmännische Verwertung und Entsorgung des Abfalls wird zur immer grösseren Herausforderung. Zwei Experten gaben bei der Volkshochschule interessante Einblicke.
Daniel Marti
«Jeder Abfall wird immer durch die Menschen produziert», so die wichtige Feststellung von Roger Isler, Leiter Umwelt und Energie der Gemeinde Wohlen. Er und Thomas Römer führten durch den Infoabend der Volkshochschule Wohlen. Thomas Römer ist Geschäftsleiter der Römer AG, Entsorgungszentrum für Metall- und Papierabfälle mit integrierter «Brings»-Sammelstelle. Also zwei Abfall- und Recycling-Experten gaben ihr Wissen weiter. Und die Verantwortung für die Abfallberge und für den Abfalltourismus können die Menschen nun mal nicht delegieren.
Kaufen, benutzen, wegwerfen. Das ist kein Kreislauf. Das ist eher ein Übel. Zuletzt sollte eine Ware eben wieder verwertbar oder recycelbar sein. «Leider», so Isler, «hinken die Regeln der Abfallwirtschaft immer hinterher.» Früher landete alles in einer Grube, dann vielleicht im Meer, heute wird viel Abfall getrennt. «In der Schweiz haben wir mittlerweile einen hohen Standard», erklärte Isler. Aber in vielen Ländern der Welt gibt es riesigen Nachholbedarf.
Ein Menschenleben verursacht 60Tonnen Siedlungsabfall
Roger Isler wandte sich vor allem dem Siedlungsabfall zu. Dieser macht 24 Prozent des gesamten Abfallberges aus. Ein Menschenleben produziert in der Schweiz gegenwärtig im Durchschnitt 60 Tonnen Siedlungsabfall. Was für eine Masse. Die eine Hälfte wird wiederverwertet, die andere Hälfte landet in den Verbrennungsanlagen.
Konsum bedeutet Abfall. Oder präziser: Unnötiger Konsum bedeutet Abfall, der vermeidbar wäre. Die Produkte werden komplexer.
Die Menschen wechseln die Ware immer schneller. Darum sollte laut Isler ein Grundsatz global gelten: Vermeiden, vermindern, verwerten oder eben korrekt entsorgen. Intelligent einkaufen und intelligent entsorgen. Auch dies würde zu einem besseren Kreislauf der Wirtschaft führen.
Ein gutes System könne aber durchaus auch am Nutzer scheitern, so Roger Isler weiter. Damit sprach er die Wegwerfgesellschaft an. Aber auch die Art und Weise des Konsums hat sich in den letzten Jahren verschlechtert: Im Winter Erdbeeren aus Spanien oder Gurken aus Griechenland. Ob das Sinn macht … «Saisonal und regional einkaufen», lautet sein Ratschlag.
14 000 Tonnen reines Aluminium von Wohlen nach Deutschland
«Wir müssen einen Kreislauf der Wirtschaft erreichen, darauf sind wir total angewiesen», betonte Thomas Römer. Es sollte eben nur das produziert werden, was wieder recycelbar ist. Und Experte Römer warnte davor, dass man die Schweiz als Insel betrachtet. «Alles hängt auf der Welt zusammen.» Ob Hungersnot in Afrika, Überschwemmung in Australien, Krieg in der Ukraine, Abnahme von Abfällen, Lieferung von Rohstoffen. «Es betrifft immer uns alle.» Damit der Weltmarkt aufrechterhalten werden könne, so Römer, müssen auch alle Transporte funktionieren (siehe auch Artikel unten).
Experte Römer hätte wohl stundenlang erzählen und informieren können. Vor allem zeigte er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Volkshochschule eine spezielle Maschine. Es ist die grösste Sortierungsanlage für Aluminium in der Schweiz. Bei den Römers wird Ware von Genf bis an den Bodensee angeliefert. Das Übel beginnt bei den Sammelstellen. Dort werden Alu-Dosen und Weissblech in denselben Behälter geworfen. Inklusive Verunreinigungen wie Glas, Haarspraydosen mit Treibgas, Plastik. Reines Aluminium zurückzugewinnen, ist ein herausfordernder Prozess. Die Römers machen das. Eine Maschine mit Magneten, Sieb und Manpower. Alles Mögliche wird vom Aluminium getrennt. «Hier wird eine Alu-Dose wieder zur Alu-Dose.» Die Herstellung von Aluminium ist sehr energieintensiv. «Darum ist es total sinnvoll, dieses Material zu rezyklieren», so der Geschäftsleiter.
Die gesammelten und reinen Alu-Blöcke gehen dann von Wohlen nach Deutschland, wo sie weiterverwendet werden. 14 000 Tonnen zu 100 Prozent reines Aluminium gewinnt die Römer AG jährlich. Und die Umwelt sollte dem Unternehmen dankbar sein.
Kopfschütteln über Entwicklung in der Holzindustrie
Thomas Römer führt auch gerne Schulklassen durch seinen Betrieb. Nicht weil er davon einen grossen Nutzen hätte, «aber die Erziehung ist halt sehr wichtig». Und so könne man den Kindern gleich beibringen, «dass die Spezialbatterien in ihren Spielsachen brandgefährlich sind. Die gehören in den Spezialabfall.»
Und manchmal kann Römer nur noch den Kopf schütteln – oft wegen politischer Entscheidungen. Vor allem was in der Holzindustrie abgeht, gibt ihm zu denken. Auch bei der Holzverwertung ist seine Firma eine Fachkraft. Die Römer AG verwertet auch Altholz, das eigentlich zu Spanplatten werden sollte. Aber sehr viel Holz gehe heute direkt in die Heizungsindustrie, weil dort eben viele Subventionen hinfliessen. «Und die Spanplattenindustrie hat ein grosses Problem», weil sie fast nicht an Material herankommt. «Diese Entwicklung schiesst deutlich übers Ziel hinaus», betont er.
Bäume pflanzen und die dann direkt fürs Heizen verbrennen, sei doch ein falsches Vorgehen. «Das tut jedem Förster weh.» Holz muss zuerst verarbeitet werden, als Möbelstück oder als Material auf dem Bau.
Thomas Römer weiss definitiv, wovon er spricht. Jede Ware, die bei ihm ankommt, wird an die richtige Stelle weitergeleitet, rezykliert, wiederverwertet oder fachmännisch entsorgt. Mittlerweile sind im Unternehmen 40 Personen angestellt. Und in den letzten fünfzehn Jahren investierte das Unternehmen über 30 Millionen Franken in den Standort an der Wilstrasse.
Verständnis aufbringen
Thomas Römer warnt vor den Folgen des Weltgeschehens
Es hängt alles zusammen auf dieser Welt. Dies betrifft nicht nur die Produktion von Ware, sondern auch die Abfallwirtschaft. Die politische und die energiepolitische Lage sowie Corona haben vieles verändert und vor Augen geführt, dass eben alles miteinander zusammenhängt, erklärte Thomas Römer, Geschäftsleiter der Römer AG. Momentan werden keine Rohmaterialien mehr geliefert, die Produktion von Betoneisen stehe praktisch still, erste Stahlwerke haben in Italien den Betrieb eingestellt. Die Energie, um Stahl zu schmelzen, werde viel zu teuer. Dies könne dazu führen, dass im Juni in der Schweiz auf den Baustellen nichts mehr gehen wird. Oder ein anderes Beispiel nennt Römer: In der Ukraine stehen weltweit die grössten Sortierungsfabriken für Kleider. Die stehen jetzt im Krieg still. Oder Russland ist einer der grössten Aluminium-Produzenten.
Riesiger Schub
Ein anderes Beispiel. Es war schon Tradition, die grössten Abfallberge weltweit zu sammeln und zu verschiffen. China war der Hauptabnehmer. Vor dreieinhalb Jahren war dann Schluss. China verzichtete auf diesen Import, weil die Umweltschäden dort zu gross wurden. Es folgten Kambodscha und Indonesien als Abnehmer und Alternativen. «Bis endlich in Europa Verarbeitungsfabriken gebaut wurden», so Römer. Das sei doch sinnvoll, «weil die Wege viel kürzer sind. Durch den Stopp von China bekam der Kreislauf der Wirtschaft einen riesigen Schub.» Endlich. Eigentlich ein grosser Vorteil. Auch für die Römer AG wurden die Wege wesentlich kürzer.
Dann aber kam Corona, dann der Krieg in der Ukraine. Corona und der Krieg seien menschliche Katastrophen. «Beides wird aber auch grosse wirtschaftliche Auswirkungen haben», prognostiziert Römer. Und in unseren Breitengraden müsse man endlich Verständnis dafür aufbringen, dass alles miteinander zusammenhängt. --dm