Lehrpersonen am Scheideweg

  05.02.2021 Wohlen

Mit der Abschaffung der Schulpflege rückt die Schule näher an den Gemeinderat. Dies hat Konsequenzen für Lehrkräfte mit politischen Ambitionen. Denn ab der nächsten Amtsperiode 2022/2025 gibt es bei den geregelten Unvereinbarkeiten keine Ausnahmen mehr. Dies betrifft vor allem Lehrkräfte, die gerne in der Politik tätig sind. Lehrpersonen mit einem Pensum von mehr als 20 Prozent dürfen in der gleichen Gemeinde, in der sie unterrichten, nicht gleichzeitig im Gemeinderat tätig sein. Das Gleiche gilt für Mitarbeitende von Gemeinden.

Gemeinderat und Lehrertätigkeit – beides zusammen in der gleichen Gemeinde ist ab nächstem Jahr nicht mehr zulässig. Ein konkretes Beispiel gibt es in der Gemeinde Wohlen in der Person von Ariane Gregor. Die Finanzministerin unterrichtet an der Schule Wohlen. Und muss sich nun entscheiden: Berufliche Tätigkeit an der Schule Wohlen oder mitwirken im Gemeinderat? Sie will sich mit der Entscheidung Zeit lassen, die ihr von ihrer Partei auch gewährt wird. --dm


Unterrichten oder regieren

Unvereinbarkeits-Regelung: Lehrkräfte dürfen künftig im gleichen Ort nicht Mitglied im Gemeinderat sein

Eine neue Regelung bringt die Nomination für die Gemeinderatswahlen durcheinander. In der gleichen Gemeinde darf man künftig nicht als Lehrkraft und als Gemeinderat tätig sein. In Wohlen betrifft dies Finanzministerin Ariane Gregor. Sie muss sich nun entscheiden: Lehrerin oder Gemeinderätin in Wohlen?

Daniel Marti

Lehrkräfte mit einem Pensum von mehr als 20 Prozent dürfen in der gleichen Gemeinde, in der sie unterrichten, nicht gleichzeitig im Gemeinderat sein. Diese Weisung wird in den kommunalen Wahlen vom kommenden Herbst Gültigkeit haben – und sie wird vollumfänglich angewandt, ohne Ausnahmen. Und sie betrifft in Wohlen Gemeinderätin Ariane Gregor, die Finanzministerin ist an der Schule Wohlen tätig. Ariane Gregor überlegt sich nun, welchen Weg sie einschlagen will. Gemeinderätin oder Lehrerin an der Schule Wohlen?

Unvereinbarkeit: Verschärfung durch Schulpflege-Abschaffung

Der Reihe nach. Im Übersichtsschreiben der Staatskanzlei zu Unvereinbarkeiten in öffentlichen Ämtern des Kantons Aargau vom 28. Februar 2020 wird aufgeführt, dass das Amt des Gemeinderates unvereinbar ist mit Mitarbeitenden der Gemeinde und von Gemeindeanstalten mit einem Pensum von mehr als 20 Prozent. Bereits vor vier Jahren wurde in der Wegleitung zu den kommunalen Gesamterneuerungswahlen festgehalten, dass es «Ausnahmen für bestimmte Kategorien, wie Betreibungsbeamte und Lehrkräfte, nicht mehr gibt».

Das konkrete Beispiel: Eine Lehrkraft, die an der Volksschule Wohlen mit einem über 20-prozentigen Pensum unterrichtet, darf künftig nicht im Gemeinderat Wohlen Einsitz nehmen. «Das ist korrekt», bestätigt Martin Süess auf Anfrage. Süess ist Leiter Rechtsdienst Gemeindeabteilung beim Departement Volkswirtschaft und Inneres. Süess hält weiter fest, dass für die kommenden Gesamterneuerungswahlen «im Verlaufe der nächsten Wochen eine neue Wegleitung zu erwarten» ist.

Diese Bestimmungen der Unvereinbarkeiten haben mit der Abschaffung der Schulpflege zusätzlich Gewicht bekommen. Im vergangenen September wurde die «Änderung der Führungsstrukturen der Schule» vom Stimmvolk beschlossen. Die Schulpflege wird Ende Jahr abgeschafft und die Volksschule kommt dann in die Obhut des Gemeinderats. In Wohlen ist vorgesehen, ein gemeinderätliches Ressort Schule einzuführen. Auch darum wird die Unvereinbarkeitsklausel jetzt strikte angewandt.

Kritiker, die gegen die Abschaffung der Schulpflege waren, führen nun an, dass die künftige Unvereinbarkeit bei der Erarbeitung der kantonalen Schulpflege-Vorlage unbedingt hätte thematisiert werden müssen. Was nicht der Fall war. War die Abschaffung der Schulpflege vielleicht doch übereilt? In Wohlen stimmten 48 Prozent gegen die Abschaffung, im Kanton wollten 43 Prozent die Schulpflege behalten.

Harry Lütolf mit Vorwürfen an den Regierungsrat

Betroffen von der Unvereinbarkeit Lehrkraft und Gemeinderat ist die CVP Wohlen mit ihrer Gemeinderätin Ariane Gregor. CVP-Präsident Harry Lütolf, er stand im vergangenen Herbst für die Beibehaltung der Schulpflege ein, ist schon mal ziemlich unzufrieden. «Von dieser Problematik mit der neuen Unvereinbarkeit habe ich per Zufall erfahren – auf dem Latrinenweg. Davon war im Abstimmungskampf über die Abschaffung der Schulpflegen und den vorausgehenden Gesetzesberatungen nie die Rede», kritisiert er.

Zudem sei er verärgert, «weil der zuständige Regierungsrat und seine Verwaltung nicht aktiv auf die betroffenen Personen und Parteien zugegangen sind. Die Namen und Anstellungen sind dem Kanton ja bekannt», so Lütolf weiter. Auch die Dringlichkeit der Thematik spricht er klar und deutlich an: «Die Ortsparteien im ganzen Kanton müssen ihre Gemeinderätinnen und Gemeinderäte für die nächste Amtszeit schon bald nominieren.»

Ariane Gregor will Entscheid reifen lassen

Gemeinderätin Ariane Gregor ist das Problem bekannt. «Und ich habe das transparent gemacht an der Schule Wohlen und im Gemeinderat», erklärt sie auf Anfrage. Für sie stellt sich nun die Frage, ob sie erneut kandidieren will für den Gemeinderat oder ob sie weiter an der Schule Wohlen unterrichten möchte. Beides zusammen geht nicht mehr.

Ariane Gregor wurde im Herbst 2017 erstmals in den Gemeinderat gewählt und sie ist seit 2018 für das Ressort Finanzen verantwortlich. «Meine Arbeit macht mir Freude, und zwar an der Schule und im Gemeinderat», betont sie. Und sie fühlt sich im Schulhaus und im Gemeindehaus sehr wohl.

Festgelegt, welchen Weg sie beschreiten will, hat sich Ariane Gregor noch nicht. Sie sei hin- und hergerissen. Und sie diskutiert darüber oft mit der Familie. Die Finanzministerin hat sich noch keinen Zeitplan zurechtgelegt. Der Entscheid müsse reifen und sie lasse das auf sich zukommen, sagt sie weiter. Immerhin, eine Tendenz zeichnet sich ab: Ariane Gregor kandidiert voraussichtlich erneut für den Gemeinderat. Sollte sie gewählt werden, dann wird sie ihren Lehrerinnen-Job an der Schule Wohlen kündigen.

CVP-Parteipräsident Harry Lütolf hat Verständnis für die Haltung von Ariane Gregor und räumt ihr darum auch genügend Zeit ein. «Unsere Gemeinderätin, die der Vorstand meiner Partei zur Wiederwahl vorschlagen will, wurde durch die neuen Spielregeln überrumpelt», erklärt er. «Wir warten jetzt die Entscheidung von Ariane Gregor ab. Im schlechtesten Fall müssen wir vor der geplanten Nominationsversammlung im Mai oder Juni nochmals über die Bücher.»


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