«Mich kann man mieten»

  25.08.2020 Fischbach-Göslikon

Skipper Cyrill Heimgartner bietet nun auch Ferien- und Ausbildungstörns an

Gezeiten berechnen, Wetterkunde, Navigation, schweizerisches Seerecht: Wer auf dem Meer als Skipper eines Segeloder Motorboots unterwegs sein will, der muss viel wissen. Cyrill Heimgartner hat dieses Wissen – und er gibt es seit drei Jahrzehnten an angehende Bootsführer weiter.

Erika Obrist

Wenn der Wind die Segel bläht, an ihnen zerrt und das Boot über das Wasser vorwärts treibt, ist Cyrill Heimgartner in seinem Element. «Es ist faszinierend, sich ohne Motor auf dem Wasser fortzubewegen», erklärt er seine Leidenschaft fürs Segeln. Obwohl er seit vier Jahrzehnten auf Seen und dem Meer segelt, ist er nach wie vor begeistert von der Vielseitigkeit seines Hobbys. «Die Natur vom Wasser aus zu erleben ist immer wieder ein Ereignis», sagt er.

Mit dem Segeln begonnen hat Heimgartner in jungen Jahren zusammen mit einem Kollegen auf dem Hallwilersee. «Mit einer kleinen Jolle», lacht er rückblickend. Eine Nussschale quasi, mit der er einst die Prüfung abgelegt hat. «Der Experte sass in einem anderen Boot und hat uns via Megafon gesagt, welche Manöver wir segeln müssen.» Undenkbar heutzutage.

Manövrieren im Hafen will gelernt sein

Heute ist Heimgartner selber Ausbildner. Er unterrichtet seit drei Jahrzehnten angehende Segel- und Motorbootsführer, Skipper, in Theorie – hauptsächlich – und Praxis. Bootsführer müssen nicht nur wissen, wie die Segel in den Wind zu setzen sind, sie müssen über ein umfangreiches Wissen verfügen. Wetterkunde gehört dazu, das Navigieren, das Berechnen der Gezeiten, auskennen müssen sie sich im schweizerischen Seerecht und sie müssen über medizinisches Grundwissen verfügen. «Von Vorteil ist, wenn man schwimmen kann», sagt der ausgebildete Rettungsschwimmer.

«Das Schwierigste am Segeln ist das Manövrieren im Hafen», so Heimgartners für Laien etwas überraschende Aussage. Aber ja doch: Hier sind die Platzverhältnisse oftmals beengt. Die Boote liegen dicht an dicht; keines sollte vom Neuankömmling beschädigt werden. Und in jedem Hafen, sei es auf Seen oder Meeren, sind die Verhältnisse sowieso wieder anders.

Am liebsten in Europa unterwegs

Rund 600 angehenden Hochseeskippern hat Heimgartner sein Wissen und seine Erfahrung weitergegeben. «Nicht alle von ihnen sind auch auf dem Meer unterwegs.» Wer die anforderungsreiche theoretische Hochseesegelprüfung bestanden hat, muss noch 1000 Seemeilen Segelerfahrung auf dem Meer vorweisen. Wer zudem den Ausweis erlangen will fürs Führen von Motorbooten, der muss zusätzlich fünf Tage aufs Meer und er muss eine vorgegebene Anzahl zurückgelegter Seemeilen nachweisen können. Voraussetzung für den Hochseeschein ist der Binnensegel- oder Motorbootschein. «Ich begleite die angehenden Skipper sowohl auf Segel- wie Motorboottörns», sagt Heimgartner. Damit seine Schützlinge wie er zu beiden «Brevets» kommen.

Heimgartner hat schon viele Segeltörns als Skipper unternommen. Er segelte in der Karibik, aber am liebsten in Europa. Weil hier die Landschaft abwechslungsreich und die Anforderungen an den Skipper hoch sind. «Die nördlichen Gebiete Europas sind anspruchsvoller zu segeln als das Mittelmeer», weiss der 66-Jährige. Weil das Wetter allgemein rauer ist, die Gezeitenunterschiede und Strömungen grösser. «Im Gegenzug gibt es im Mittelmeer schwierigere Windsysteme, die es zu berücksichtigen gilt.» Der Mistral beispielsweise, Scirocco, Bora und wie sie alle heissen. «Die Naturgewalten sind nicht zu unterschätzen.»

Ferientörns auch für Ungeübte

Heimgartner hat kein eigenes Boot in einem Meerhafen. «Das wäre viel zu aufwendig.» Unterhalt und Pflege brauchen Zeit, fürs Auswassern in der kälteren Jahreszeit braucht es einen Platz an Land fürs Boot. Deshalb chartert er jeweils ein Boot vor Ort, wenn es ihn aufs Meer zieht. Kontrollieren, ob alles vorhanden ist – und los gehts. «Solche Mietboote ähneln sich; die Handhabung unterscheidet sich nicht gross.» Jedenfalls nicht für einen derart versierten Skipper, wie Heimgartner einer ist.

Nun bietet Skipper Cyrill Heimgartner auch Ferien- und Ausbildungstörns an. Er segelt mit bis zu sechs Gästen auf dem Boot über die Meere. Flug, Boot, Transfer, Lebensmittel: Heimgartner organisiert alles selber. «Mich kann man mieten», lacht er.

Wer bei solch einem Törn dabei sein will, der braucht keine Vorkenntnisse. Aber mithelfen müssen alle Gäste: beim Kochen, beim Setzen und Einholen der Segel, beim Nachtdienst, beim Anlegen im Hafen. Ein Hauch von Abenteuer sei das für die Gäste, so Heimgartner. Ein nicht alltägliches Erlebnis allemal.

Auch sozial engagiert

Weiterhin bietet er auch Ausbildungstörns an für angehende Bootsführer. Hier ist nicht nur mithelfen angesagt, sondern lernen. Das Handwerk des Segelns einüben. «Vor allem aber sollten sie erleben, wie mit schwierigeren Situationen umzugehen ist. Wenn beispielsweise drei bis vier Meter hohe Wellen aufs Boot zurollen und dieses schräg im Wasser liegt.» Vielleicht auch einmal zu erfahren, wie es ist, wenn man seekrank ist. Und das Boot sicher übers Meer zu lenken, wenn die Hälfte der Besatzung ein oder zwei Tage lang ausfällt. Ist ihm selber das schon passiert? «Nein, ich war noch nie seekrank.»

Heimgartner ist nicht der Typ Mensch, der um die Welt segeln muss, um seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. «Ich gebe lieber mein Wissen und meine Erfahrung weiter», sagt der ehemalige Unternehmer, der sich als Präsident des Vereins Lernwerk in Turgi seit Jahren auch sozial engagiert. Nicht verwunderlich, fällt im Gespräch mehrfach der Begriff «Verantwortung» und die Wendung «vorausschauend handeln». Damit er all seine Gäste wieder gesund an Land zurückbringt.

Weitere Informationen unter www.skippercyrill.ch.


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