Mit Magnum an seiner Seite
18.02.2022 BoswilClaudio Rossetti ist seit Dezember Geschäftsführer der Stiftung Künstlerhaus Boswil
Das Monte Verità in Ascona, das Verkehrshaus in Luzern, die Fondation Barry in Martigny und jetzt das Künstlerhaus Boswil. Claudio Rossetti hat schon grosse Wirkungsstätten hinter sich. Nun will er in Boswil einiges bewegen. Immer dabei ist Bernhardiner Magnum.
Annemarie Keusch
Er ist riesig. Und gleichzeitig strahlt er eine enorme Sanftmütigkeit aus. Er bellt nicht, trottet langsam neben seinem Herrchen her. «Auch für ihn ist es wunderbar hier», sagt Claudio Rossetti und streicht seinem Bernhardiner über den Kopf. Die täglichen Spaziergänge an der Bünz sind seit Dezember zur Routine geworden, seit Rossetti die Stiftung Künstlerhaus Boswil als Geschäftsführer leitet. «Es war Zufall, dass hier jemand mit meinem Profil gesucht wurde, und ich sah es als Chance», sagt Rossetti. Das Künstlerhaus gekannt hat er vorher nicht. Aber der 58-Jährige liebt neue Herausforderungen. Dass er das berufliche Umfeld wechselt, gehört bei ihm nach rund sieben Jahren immer dazu.
Traumjob für Boswil aufgegeben
Rossetti betreute für die UBS das Filmfestival Locarno, war beim Verkehrshaus für Marketing und Kommunikation zuständig, hauchte dem Kulturzentrum Monte Verità in Ascona neues Leben ein, war Direktor des Feriendorfs Fiesch, und die letzten acht Jahre leitete er die Fondation Barry in Martigny. «Mein absoluter Traumjob», sagt er. Bernhardiner faszinierten ihn schon länger. «Und ein Monat, nachdem ich diese Stelle antrat, kam Magnum in mein Leben», erzählt er. Der jetzt mächtige Bernhardiner war damals noch ein Welpe und ist seither Rossettis treuer Begleiter – seit Dezember nun auch in Boswil.
Der Mann für spannende Phasen
Warum er seinen Traumjob für das Künstlerhaus aufgegeben habe? «Ich bin ein neugieriger Mensch, will Neues kennenlernen und das ist hier möglich», sagt Rossetti. Und dies gleich in mehrerer Hinsicht. Die Stiftung, die Partner, die Mitarbeitenden. Und die Musik. «Klassische Musik ist Neuland», sagt er. Und trotzdem hat er Visionen, wie sich das Künstlerhaus entwickeln soll. «Es muss eine Fokussierung geben», sagt er. Und, trotz dem Abschied von der Fondation Barry ist Claudio Rossetti dank Magnum immer noch stark mit den Bernhardiner-Hunden verbunden. Zudem weiss er, dass bei der Fondation vieles aufgegleist ist. «Das Barryland, ein Themenpark, steht kurz vor der Realisierung», erzählt er.
Spannende Phasen zu begleiten, das reizt Claudio Rossetti, der in Luzern lebt. So war es bei allen seinen vorherigen Arbeitsstellen, etwa als er für die UBS das Sponsoring des Filmfestivals Locarno begleitete. Und eine solche spannende Phase erwartet ihn auch am Künstlerhaus in Boswil. Das Konzept soll geändert werden. Auf diese Herausforderung freut sich Rossetti. Im Herbst soll das Konzept stehen, Auswirkungen wird es auf das Programm 2024 haben. «Konkretes kann ich noch nicht erzählen», betont Rossetti. Ideen seien aber durchaus da.
Wie in einem Orchester
Claudio Rossetti heisst der neue Geschäftsführer der Stiftung Künstlerhaus Boswil
Er hat Wirtschaft und Marketing studiert, Rock und klassische Musik sind Claudio Rossettis Zugpferde. Er sagt: «Ein Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und Kultur ist wichtig.» Seit 2,5 Monaten ist er in Boswil tätig. Eines seiner grossen Ziele ist die Fokussierung: Die Stärken der Stiftung herausfinden und diese noch mehr ausspielen.
Annemarie Keusch
Ein Instrument spielt er keines. Auch singt Claudio Rossetti nicht, etwa in einem Chor. «Aber ich liebe die Musik», sagt der neue Geschäftsführer des Künstlerhauses Boswil. Und gänzlich fremd ist ihm das Metier auch nicht, obwohl Rossetti sagt, dass klassische Musik für ihn Neuland sei. Seine Tochter spielte Bratsche, sein Sohn Klavier. Durch die Kinder kam er dazu, eine Musikschule in Locarno zu leiten. «Mein erster Kontakt zur klassischen Musik.» Abgebrochen ist dieser nie, auch in früheren beruflichen Engagements. «Aber eigentlich mag ich privat Rockmusik lieber.»
Ein Grund, nicht Geschäftsführer des Künstlerhauses in Boswil zu werden, ist das für Claudio Rossetti nicht. «Ich liebe es, in neue Welten einzutauchen», sagt er. Und der Sprung ins kalte Wasser sei durchaus angenehm gewesen. «Ich fühle mich wohl hier, in der Stiftung, mit den Mitarbeitenden, in der geografischen Umgebung», sagt er. Und dass er als Geschäftsführer des «Ortes der Musik» die Musik nicht als sein Steckenpferd habe, bringe durchaus auch Vorteile mit sich. «Ich werde den Projektleitern nicht reinreden», sagt Rossetti.
Gibt viele «Orte der Musik»
Seit zweieinhalb Monaten ist der 58-Jährige in Boswil tätig. «Ich bin daran, mich ins Thema einzuarbeiten», sagt er. Mit der Geschichte, den Partnern, anderen Stiftungen und mit den Projektleitern sei er bereits vertraut. Und Rossetti weiss, woran er als Geschäftsführer der Stiftung Künstlerhaus Boswil arbeiten will. «Es braucht eine neue strategische Ausrichtung, eine Fokussierung. Wir müssen unsere Einmaligkeit, unsere Stärken herausfinden, mit denen wir uns von anderen Kulturanbietern abgrenzen», sagt er. Es soll Konzepte geben, die für alle Bereiche des Künstlerhauses anwendbar sind, gar auch für die Gastronomie, die seit Anfang Jahr wieder vollumfänglich intern geführt wird.
«Ort der Musik.» Mit diesem Slogan wirbt das Künstlerhaus seit Jahren. «Muri ist auch ein Ort der Musik, grössere Städte wie Luzern erst recht.» Claudio Rossetti meint es nicht negativ, er will nicht alles auf den Kopf stellen. «Der Masterplan ist da, die Details fehlen teilweise.» Eine Klausurtagung mit den vier Projektleitenden soll erste Erkenntnisse bringen. «Konkrete Ziele und Ideen werden sich hoffentlich in der Diskussion ergeben.» Dabei soll keines der Formate schon vorher in Stein gemeisselt sein. «Wir müssen für alles offen sein, die Organisation dem neuen Konzept anpassen und entsprechend die Ressourcen besser einsetzen. Hier sehe ich Potenzial. Mein Ziel ist es, längerfristiger zu werden. So schaffen wir eine Basis für eine gut funktionierende Stiftung.»
Wirtschaft und Kultur im Zusammenspiel
Es ist an den Worten Rossettis erkennbar. Er ist kein Musiker, hat keinen kulturellen Hintergrund. Er studierte Wirtschaft und Marketing und betont, wie wichtig das Zusammenspiel der Wirtschaft und der Kultur gerade für Institutionen wie das Künstlerhaus sei. «Man kann die besten Ideen haben. Wenn die Finanzen dafür nicht da sind, werden sie nicht umgesetzt.» Als Geschäftsführer zu schauen, dass dieses Zusammenspiel funktioniert, «wie in einem Orchester», sei eine happige Aufgabe. «Es bliebe wenig Zeit, um auch inhaltlich beim Programm mitzureden.» Gegenseitiges Vertrauen sei wichtig. Dass er als Geschäftsführer den vier Projektleitenden freie Hand lasse, sei eine interessante Form. «Ob sie erfolgreich ist, wird sich zeigen. Wenn alle unter einem Konzept arbeiten, dann spricht eigentlich wenig dagegen.»
Wichtig ist dem neuen Geschäftsführer, dass das Künstlerhaus als Leuchtturm strahlt, nicht nur weit über die Region hinaus, sondern auch in Boswil selber. «Ich fände es mehr als schön, wenn die Bevölkerung die Institution als ihre erkennt», sagt er. Einfach sei dies nicht, dessen ist sich Rossetti bewusst. «In Ascona habe ich diese Erfahrung schon gemacht, es wird Zeit brauchen.» Zeit, die sich Rossetti, der in seiner Freizeit gerne Sport treibt und reist, auch nehmen will. «Wenn es so weitergeht, wie es angefangen hat, kann ich mir sehr gut vorstellen, bis zur Pensionierung, und vielleicht in einem Teilpensum auch darüber hinaus, hier tätig zu sein.» Sieben Jahre wären das mindestens. «So viel braucht es, um etwas zu hinterlassen.» Rossetti spricht aus Erfahrung. Und trotzdem ist es ihm gerade in den nächsten Wochen und Monaten wichtig, dass es vorwärtsgeht. «Im Herbst soll das neue Konzept stehen, zumindest intern.»